Ein Flur voller Kartons
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In der Wohnung von Willi Dürrnagel stapeln sich Kartons voller Bücher, Postkarten und Bilder.

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Wohin mit den Schätzen? Wenn Sammler nicht mehr können

Wohnzimmer, Flur, sogar im Bad stapeln sich bei Willi Dürrnagel die Kartons. Er sammelt seit 50 Jahren alles über seine Heimatstadt Würzburg. Doch wegen einer Krebserkrankung fragt er sich: Was wird einmal aus dieser Sammlung?

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Mainfranken am .

Willi Dürrnagels Sammelleidenschaft begann vor gut 50 Jahren, mit dem Einzug in den Würzburger Stadtrat. Inzwischen hat der pensionierte Postbeamte rund 40.000 Bücher, 15.000 Postkarten und mehr als 1.000 Bilder zusammengetragen. Er unterstützt damit Schülerinnen und Schüler bei ihren Facharbeiten und liefert historische Fotos für diverse Medien. Dürrnagel überblickt seine Sammlung weitgehend, sagt er. Vieles ist digitalisiert und schnell griffbereit, aber noch lange nicht alles. "Allein kann ich das auch nicht machen, wenn sich niemand dafür wirklich interessiert", so der Würzburger. Er brauche Lösungen, wie es weitergehe. Denn: Es ist unklar, wie lange sich der Sammler noch selbst kümmern kann.

Würzburger Sammler an Krebs erkrankt

Seit sieben Jahren leidet Willi Dürrnagel an Prostatakrebs. Chemotherapien und seit einem Jahr noch ein Lymphdrüsenkrebs hinterließen Spuren. 16 Kilogramm Gewicht hat er in den vergangenen Wochen verloren, Haut und Fingernägel lösen sich. "Da muss man irgendwie durch. Ich versuche es, auch wenn es schwer ist", so Dürrnagel. Er sorgt sich vor allem um seine Sammlung: "Es ist im gewissen Sinne eine belastende Situation. Darum habe ich auch meinen Computer mit ins Krankenhaus genommen, dass ich das Wichtigste da schon beantworten kann." Dabei merke er dann doch immer wieder, dass es viel Interesse an seiner Sammlung gebe, zum Beispiel an seinen zahlreichen Fotos des alten Würzburgs. Das motiviere ihn dann doch immer wieder etwas.

Sammlungen sterben oft mit Sammlern

Professorin Karin Falkenberg kennt diese Not auch von anderen Sammelnden. Sie leitet das Nürnberger Spielzeugmuseum. Regelmäßig bekommt sie Anfragen und Angebote. Allerdings seien die eigenen Depots ausgelastet. "Das gilt für die meisten Museen", so Falkenberg. Schaffen Sammelnde zu Lebzeiten keine Lösung für ihre Schätze, wandert vieles auf den Müll oder zurück auf den Sammelmarkt. Ein frühzeitiges Loslassen falle den meisten Sammelnden schwer. "Deshalb sterben 90 bis 95 Prozent der Sammlungen auch mit dem Sammler", sagt Falkenberg. Museen bräuchten mehr Depotplatz, der sei zwar teuer, aber so könnten mehr Sammlungen gerettet werden.

Hoffnungsschimmer für Sammlung

Ein Hoffnungsschimmer für die Sammlung des erkrankten Würzburgers: In der Innenstadt kaufte der Verschönerungsverein ein altes, dreistöckiges Gebäude. Darin könnte die Sammlung Dürrnagel einziehen. Jedoch müsste sie erst einmal sortiert werden. "Es gilt die Schätze zu heben", so der Würzburger Kulturreferent Achim Könneke. "Und das geht eben nur, indem man wirklich sortiert, inventarisiert und dann gute, kleinere und größere Ausstellungen zusammenstellt. Und das ist erst mal Arbeit für jemanden vom Fach für mehrere Jahre." Dabei könne sich die Stadt finanziell oder personell beteiligen. Willi Dürrnagel selbst hält das historische Gebäude für zu klein und wegen der steilen Treppen für ungeeignet, insbesondere für ältere Besucherinnen und Besucher. Könneke wolle auf Dürrnagel zugehen und nach Lösungen suchen, wie er sagt.

Trotz Erkrankung weiter auf der Jagd nach Schätzen

Willi Dürrnagels Sammlung wächst, trotz Platznot, fast täglich. Der Pensionist recherchiert und kauft viel im Internet. Zudem kommen oft Menschen, weil sie mit einer geerbten Sammlung überfordert sind. Willi Dürrnagel versucht, alles vor der Tonne zu retten. Gleichzeitig muss er um seine eigene Sammlung fürchten. Sein Sohn hat kein Interesse. Willi Dürrnagel wäre bereit, alles der Stadt Würzburg kostenlos zu überlassen. Sofern sich ein guter Platz fände und seine Schätze der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen würden. Falls seine Sammlung nicht weiter genutzt würde, wäre es "natürlich schade, weil es eine einmalige Sammlung ist", so Willi Dürrnagel.

Büro von Willi Dürrnagel.
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Auch in seinem Büro lagert Willi Dürrnagel Kartons und Bücher.

Dieser Artikel ist erstmals am 23. März 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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