Aktivisten der Letzten Generation ziehen in einem Protestmarsch durch Bamberg. "Letzte Generation vor den Kippunkten" steht auf einem Banner.
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Aktivisten der Letzten Generation in Bamberg: Am Protestmarsch beteiligten sich sowohl alte als auch junge Menschen.

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Wie die Letzte Generation gegen schnelle Verurteilungen vorgeht

Nachdem Aktivisten der "Letzten Generation" vergangene Woche in Bamberg in einem beschleunigten Verfahren verurteilt worden sind, setzen sie sich nun zur Wehr. Auch unter Juristen sind die Urteile im Schnellverfahren umstritten.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten Franken am .

Rund 90 Protestierende haben sich am Mittwochabend am Bamberger Wilhelmsplatz zu einem nicht angemeldeten Protestmarsch der Klimabewegung "Letzte Generation" getroffen. Dass der Marsch nicht angemeldet war, sei ein Akt zivilen Ungehorsams, hieß es beim Start des Protestzugs. Auch die Polizei war mit mehreren Fahrzeugen und vielen Einsatzkräften vor Ort. Die Beamten wollten den Marsch begleiten und für Verkehrssicherheit sorgen.

Klimaaktivisten veranstalten Protestmarsch in Bamberg

Schon vor dem Start kündigten die Aktivisten an, "friedlich und respektvoll" sein zu wollen. Einsatzfahrzeuge, wie zum Beispiel Rettungswagen mit Blaulicht, sollten in jedem Fall durchgelassen werden. Die Protestierenden haben an diesem Abend zwei Ziele: Sie wollen auf die Klimakrise aufmerksam machen und Solidarität mit Aktivisten bekunden, die eine Woche zuvor in Bamberg in einem beschleunigten Verfahren verurteilt worden waren. Nur einen Tag nach ihrer Klimablockade in der Bamberger Markusstraße waren sie vor dem Bamberger Amtsgericht zu Geldstrafen verurteilt worden.

Beschleunigte Verfahren: So ist die Rechtsgrundlage

Beschleunigte Verfahren müssen von der Staatsanwaltschaft beantragt werden, so eine Sprecherin des Amtsgerichts Bamberg auf Anfrage von BR24. Das geschieht, wenn die zuständige Staatsanwaltschaft eine klare Beweislage sieht oder es um einen "einfachen Sachverhalt" geht. Das zuständige Gericht entscheidet jeweils im Einzelfall darüber, ob es dem Antrag auf Durchführung eines beschleunigten Verfahrens stattgibt.

Beim Amtsgericht Bamberg finden pro Woche durchschnittlich zwei bis drei beschleunigte Verfahren statt, zum Beispiel wegen Diebstahls, Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz oder Hausfriedensbruch. Viele dieser Verfahren finden ohne anwaltliche Vertretung statt, sagt Dirk Lammer vom Deutschen Anwaltverein, einem Berufsverband für Rechtsanwälte in Deutschland. Im Fall der in Bamberg im beschleunigten Verfahren verurteilten Klimaaktivisten hätten zwei der Beschuldigten keinen Rechtsbeistand zur Seite gehabt.

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Von der Polizei begleitet ziehen die Aktivistinnen und Aktivisten in die Lange Straße.

Uneinigkeit bei Juristen

Beschleunigte Verfahren sind unter Anwälten umstritten. Auf Anfrage von BR24 erklärt Lammer, dass die Strafprozessordnung solche Verfahren bei einfachen und unstrittigen Sachverhalten vorsieht. Straßenblockaden zählten dazu, so Lammer weiter.

Anders sieht das beispielsweise der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV). Der RAV wertet die Praxis der schnelleren Verfahren gegen Aktivistinnen und Aktivisten als politisches Signal. Die Beweislage sei zudem in solchen Fällen häufig schwierig und die rechtliche Würdigung nicht einheitlich. Im Mai hatte beispielsweise ein Berliner Landgericht eine Straßenblockade auf der A100 nicht als Nötigung gewertet.

Für die Aktivisten vor Ort sei das Beispiel Berlin ein gutes Zeichen. Die Beweggründe für eine Straßenblockade müssten vor Gericht berücksichtigt werden, führte einer der Teilnehmer aus. Das könne in einem beschleunigten Verfahren nicht erfolgen, wenn keine Beweisaufnahme erfolgt und keine Zeugen angehört werden. Eine andere Aktivistin vor Ort beklagte, dass die Repressionen gegen friedlichen Klima-Aktivismus gerade in Bayern immer härter und dabei Grenzen überschritten würden.

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"Klimaschutz ist kein Verbrechen - Klimazerstörung schon" steht auf dem Plakat einer Aktivistin.

Aktivisten gehen nach Verurteilung in Berufung

In Bamberg blieb an diesem Abend dennoch alles friedlich, auch von Seiten der Passanten. Anfeindungen gab es keine. Schaulustige machten Fotos der Aktivistinnen und Aktivisten. Einige wenige schüttelten den Kopf, andere nickten anerkennend oder schlossen sich der Demo an. Ein Fahrradfahrer begann zu klatschen, als der Protestzug an ihm vorbeizog. Als eine Sirene ertönte und einen Rettungswagen ankündigte, gab einer der Aktivisten ein Zeichen und die Protestierenden verließen die Straße, um das Einsatzfahrzeug passieren zu lassen.

Bei dem Aktivisten handelte es sich um einen, der vergangene Woche in Bamberg verurteilt worden war. Gegen das Urteil im beschleunigten Verfahrens hatte er Berufung eingelegt, sodass der Fall nun in einem normalen Verfahren noch einmal behandelt werden muss.

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Protest am Wilhelmsplatz in Bamberg.

Auch Bamberger Klimaschutzbündnis lehnt Schnellverfahren ab

Das Bamberger Klimaschutzbündnis, das mehr als 30 einzelne Mitgliedsorganisationen vertritt, lehnt die Schnellverfahren gegen die "Letzte Generation" ab. Wie das Bündnis am Donnerstag in einem Schreiben mitteilte, ist man schockiert vom Umgang mit den Aktivistinnen und Aktivisten und der Form des Prozesses im Schnellverfahren: "Wir leben in einem demokratischen Rechtsstaat, jede:r Angeklagte hat das Recht auf einen fairen Prozess und eine angemessene Verteidigung. In einem Schnellverfahren ohne jede Vorbereitungsmöglichkeit ist dies nicht ausreichend gegeben."

Das Bündnis äußerte noch weitere Kritik: Man beobachte "mit Besorgnis eine Radikalisierung der Berichterstattung in den Medien und der Kommentare seitens der Politik über die sogenannten 'Klimakleber', die nicht mehr ausgewogen und angemessen ist und letztlich die gesamte Klimaschutzbewegung diskreditiert".

Das Bamberger Klimaschutzbündnis forderte daher Politik und Justiz auf, angemessen und fair mit den Protestierenden umzugehen und ihre berechtigten Ziele und Forderungen ernst zu nehmen. Denn einzig und allein eine gute Klimaschutzpolitik werde die Proteste der "Letzten Generation" überflüssig machen, hieß es weiter. Das Bündnis selbst werde sich auch weiter für eine gute Klimaschutzpolitik auf lokaler Ebene einsetzen, allerdings mit anderen Aktionsformen als die der "Letzten Generation".

Video: Wie tickt die "Letzte Generation" in Bayern?

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