Aktivisten der Letzten Generation haben sich am 19.06.23 in Nürnberg auf eine Straße am viel befahrenen Frauentorgraben/ Ecke Lessingstraße geklebt.
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In Bamberg sind am Donnerstag fünf Klimaaktivisten in einem beschleunigten Verfahren am Amtsgericht wegen Nötigung verurteilt worden.

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Im Schnellverfahren verurteilt – Klimaaktivisten vor Gericht

Immer häufiger stehen Klimaaktivisten nur einen Tag nach ihren Protestaktionen vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft sieht in sogenannten beschleunigten Verfahren ein Mittel, die Justiz zu entlasten. Anwälte kritisieren den Trend zu Schnellverfahren.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten Franken am .

In Bamberg sind fünf Klimaaktivisten in einem beschleunigten Verfahren am Amtsgericht wegen Nötigung verurteilt worden. Dem leitenden Oberstaatsanwalt, Bernhard Lieb, zufolge, sieht die Strafprozessordnung solche beschleunigten Verfahren bei einfach gelagerten Sachverhalten vor. Um solche handelt es sich, wenn der Sachverhalt einfach und die Beweislage klar ist. Anwälte kritisieren ein solches Vorgehen jedoch, dass zuletzt vor allem in Berlin Schule gemacht hatte.

Staatsanwalt: Schnellverfahren "geeignet" für Klebe-Klimaaktionen

Da bei den Klebeaktionen der Klimaaktivisten der Sachverhalt in der Regel unstrittig sei und es keiner größeren Beweisaufnahme bedürfe, hält Lieb beschleunigte Verfahren im Falle der Straßenblockaden durch Klimaaktivisten für "geeignet". Auch im Bereich der Kleinkriminalität, etwa bei Ladendiebstählen, werde ein solch beschleunigtes Verfahren häufig angewandt.

Dirk Lammer vom Deutschen Anwaltverein, einem Berufsverband für Rechtsanwälte in Deutschland, bestätigt, dass die Strafprozessordnung diese Form der Verfahren vorsieht. Auch er findet, dass es sich bei den Klimablockaden um einfache und unstrittige Sachverhalte handelt.

Beschleunigte Prozesse oft ohne Anwalt

Ursprünglich seien die beschleunigten Verfahren mit einer mündlichen Anklage vor allem bei Ladendieben angewendet worden, die keinen festen Wohnsitz in Deutschland haben. Dadurch ließen sich lange Zeiten in Untersuchungshaft vermeiden. Ein Nachteil für die Betroffenen könne sein, dass es ihnen durch die Kürze der Zeit schwerer fällt, einen Anwalt zu finden. Auch im Fall der in Bamberg im Schnellverfahren verurteilten Klimaaktivisten hätten zwei der Beschuldigten keinen Rechtsbeistand zur Seite gehabt, heißt es vom Stadtverband Grünes Bamberg, der die "Marathonsitzung bis mitten in die Nacht hinein" kritisiert.

Tatsächlich fänden viele beschleunigte Verfahren ohne anwaltliche Vertretung statt, sagt auch Lammer vom Deutschen Anwaltverein. Außerdem habe das Gericht in den beschleunigten Verfahren "weitergehende Ablehnungsgründe" für Beweisanträge.

Die Angeklagten können aber Berufung einlegen. Dann würde sich ein normales Verfahren anschließen. Tatsächlich sei aber die Rechtsprechung eindeutig. Wenn sich Klimaaktivisten auf der Straße festkleben, werde das juristisch spätestens in der nächsthöheren Instanz als Nötigung gewertet.

Juristen kritisieren beschleunigte Verfahren nach Straßenblockaden

Andere Juristenvereinigungen sehen die Anwendung von Schnellverfahren bei Klebeaktionen der Letzten Generation durchaus kritischer als der Deutsche Anwaltverein. So heißt es zum Beispiel beim Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV), für solche Fälle seien beschleunigte Verfahren gerade nicht gemacht. Die Beweislage sei oft schwierig und die rechtliche Würdigung umstritten und uneinheitlich.

So hatte im Mai dieses Jahres das Berliner Landgericht eine Straßenblockade auf der Berliner Stadtautobahn A100 nicht als Nötigung gewertet. Da die Aktivisten am Tag zuvor eine Straßenblockade angekündigt hatten, sei das Umsteigen auf den öffentlichen Nahverkehr oder das Einplanen von mehr Zeit möglich gewesen, hieß es zur Begründung. Zudem sei die Blockade hinsichtlich der üblichen Stauzeiten in Berlin moderat gewesen.

Schließlich seien in jedem einzelnen Fall verfassungsrechtliche Abwägungen zu treffen. Der RAV sieht in den beschleunigten Verfahren daher ein politische Signal in der ohnehin schon von Populismus geprägten Debatte, das zulasten der Beschuldigten- und Verfahrensrechte gehe.

Anwälte sehen "Politisierung von Strafverfahren"

Eine solche "Politisierung von Strafverfahren" sieht auch die Neue Richtervereinigung kritisch. Um das vertrauen in den Rechtsstaat nicht zu zerrütten, müsse jeder Anschein einer unzulässigen Einflussnahme der Exekutive auf gerichtliche Verfahren vermieden werden. Der Wert des Rechtsstaats zeige sich schließlich immer dann, wenn von Teilen der Gesellschaft und Politik möglichst harte, aber auch möglichst schnelle Bestrafungen gefordert werden. Beschleunigten Verfahren schränkten die Möglichkeiten für die Beschuldigten aber in genau solchen Fällen erheblich ein.

Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft Berlin angekündigt, künftig mehr beschleunigte Verfahren beantragen zu wollen. Es handele sich um eine generelle Entscheidung der Staatsanwaltschaft, betonte eine Behördensprecherin. Diese sei nicht auf Verfahren gegen Klimaaktivisten beschränkt. Die Staatsanwaltschaft hatte nach eigenen Angaben bis Mitte Juni mehr als 2.000 Verfahren gegen Klima-Demonstranten auf den Tisch bekommen. Fast alle richten sich gegen Mitglieder der Klima-Gruppen Letzte Generation und Extinction Rebellion.

Klima-Protest in Bamberg: Straße drei Stunden blockiert

Vor einer Woche hatten Klimaaktivisten der "Letzten Generation" die Markusstraße in der Bamberger Innenstadt blockiert. Erst nach etwa drei Stunden konnte die Polizei die Einbahnstraße für den Verkehr wieder frei geben, weil es entsprechend lange dauerte, die Aktivisten von der Straße zu lösen.

Wiederum eine Woche davor wurden Klimaaktivisten im benachbarten Bayreuth wegen Teilnahme an Straßenblockaden verurteilt. Dort allerdings kam ein normales, also nicht beschleunigtes Verfahren zur Anwendung. Drei Aktivisten wurden verwarnt, da sie zum Tatzeitpunkt als Jugendliche oder Heranwachsende galten. Eine vierte Aktivistin, die zum Zeitpunkt der Protestaktion bereits älter als 21 Jahre war, wurde zu einer Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen verurteilt. Das entspricht in etwa einem Monatseinkommen der Frau.

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