Das Landgericht Ingolstadt hat einen Unternehmer und eine Heilpraktikerin, die ein wirkungsloses Krebsmittel verkauft hatten, verurteilt.
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Das Landgericht Ingolstadt hat einen Unternehmer und eine Heilpraktikerin, die ein wirkungsloses Krebsmittel verkauft hatten, verurteilt.

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Urteil: Krebsmittel-Betrüger müssen jahrelang in Haft

Urteil im längsten Prozess in der Geschichte des Landgerichts Ingolstadt: Ein Unternehmer und eine Heilpraktikerin, die ein wirkungsloses Krebsmittel verkauft hatten, wurden verurteilt, sie zu drei Jahren, er zu sechs Jahren und neun Monaten Haft.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Oberbayern am .

Das Landgericht Ingolstadt hat eine 57-Jährige Heilpraktikerin aus dem oberbayerischen Schrobenhausen und einen 68-jährigen Unternehmer aus Ingolstadt wegen Betrugs mit dem Verkauf falscher Krebsmedikamente zu mehreren Jahren Haft verurteilt. Die Frau bekam eine Haftstrafe von drei Jahren, der Mann erhielt insgesamt eine Haftstrafe von sechs Jahren und neun Monaten. Die Heilpraktikerin wurde außerdem wegen missbräuchlicher Verwendung eines Professorentitels verurteilt.

Das Landgericht Ingolstadt wird jeweils eine mittlere fünfstellige Geldsumme von der Heilpraktikerin und von dem Unternehmer einziehen, um die entstandenen Schäden zu kompensieren. Außerdem zieht die Strafkammer Geldsummen von der Ehefrau und der Tochter des Unternehmers ein, weil diese ebenfalls von der Betrugsmasche finanziell profitiert haben sollen.

Krebskranke Opfer absichtlich getäuscht

In der Urteilsverkündung erklärte der Richter, dass es nicht nur um den Verkauf eines nicht geprüften und zugelassenen Arzneimittels ging. Die Angeklagten hätten ihre krebskranken Opfer zudem absichtlich getäuscht, um sich selbst einen finanziellen Vorteil zu verschaffen.

Der Unternehmer und die Heilpraktikerin hatten ein Mittel namens "BG-Mun" vertrieben, das Krebs und andere Krankheiten heilen können sollte. Nach Überzeugung eines Sachverständigen handelte es sich dabei aber lediglich um eine Proteinlösung.

Angeklagte überredete krebskranke Frau, die Chemotherapie abzubrechen

Wie perfide die beiden Angeklagten vorgingen, um ihr Mittel zu verkaufen, zeigt das Beispiel einer krebskranken Frau. Im Jahr 2019 schilderte sie ihre Geschichte im Rahmen eines Interviews bei Stern TV und brachte so die Aufarbeitung der Betrugsmasche ins Rollen. Die Frau hatte Speiseröhrenkrebs und machte dagegen eine Chemotherapie. Gleichzeitig sah sie sich im Internet immer wieder nach alternativen Behandlungsmethoden um, so erzählt der Richter ihren Fall. Über das Internet sei sie auf das Mittel "BG-Mun" aufmerksam geworden, das ihr als Wundermittel verkauft worden sei. Die Heilpraktikerin, bei der sich die krebskranke Frau in Behandlung begab, habe ihr davon abgeraten, die Chemotherapie fortzusetzen, so der Richter in seiner Urteilsbegründung. Auch habe die Heilpraktikerin der Frau davon abgeraten, zum MRT zu gehen. Stattdessen soll die Angeklagte ausgependelt haben, dass die Metastasen durch die Behandlung mit BG-Mun zurückgegangen seien. Im Juli 2019 starb die Frau an ihrer Krebserkrankung. Als der mitangeklagte Unternehmer von dem Tod erfuhr, soll er gesagt haben: "Ein Zeuge weniger".

Witwer: Verstorbene Frau zahlte 50.000 Euro für "Medikament"

Die Angeklagten sie ließen sich das unwirksame Mittel viel Geld kosten: Zehn Ampullen "BG-Mun" sollen 5.900 Euro gekostet haben. An früheren Verhandlungstagen hatte zum Beispiel ein Witwer ausgesagt, dass dessen mittlerweile verstorben Ehefrau rund 50.000 Euro für das Mittel ausgegeben hatte. Die "Opfer haben 6.000 Euro für ein Rettungsboot gezahlt, aber keines bekommen", sagte der Richter bei der Urteilsbegründung.

Verteidigung zog den Prozess hinaus

Der Richter sprach bei der Urteilsverkündung von einem komplexen und langwierigen Prozess. Das habe zum einen daran gelegen, dass viele Beweise aufgenommen worden seien.

Zum anderen hätte die Verteidigung der beiden Angeklagten auch dazu beigetragen, dass sich der Prozess so gezogen hatte. Vor allem die zweite Hälfte des Prozesses habe "nichts mit einer sachgemäßen Verteidigung zu tun gehabt", so der Richter. So habe die Verteidigung mehrfach Befangenheitsanträge gegen die Strafkammer gestellt. Nach Ansicht des Richters dienten diese Anträge nur dem Ziel, die anberaumten Verhandlungstermine scheitern zu lassen.

Auch bei der heutigen Urteilsbegründung versuchte die Verteidigung der Angeklagten, den Richter bei seiner Urteilsbegründung zu unterbrechen, weil ihrer Meinung nach Sachverhalte falsch darstellt wurden. Der Richter ließ den Einwand aber nicht zu.

Die Verteidigung der Heilpraktikerin hat direkt nach Ende der Urteilsverkündung Revision eingelegt. Die Verteidigung des Unternehmens kündigte an, Revision gegen das Urteil einlegen zu wollen.

Mehr als zwei Jahre langer Prozess

Der Prozess lief mehr als zwei Jahre. An rund 60 Verhandlungstagen hatte das Gericht über 50 Zeugen und mehrere Sachverständige angehört.

Die Staatsanwältin hatte für den Unternehmer insgesamt acht Jahre Haft und für die Heilpraktikerin drei Jahre Haft gefordert: Die Staatsanwältin hatte für den Unternehmer insgesamt acht Jahre Haft und für die Heilpraktikerin drei Jahre Haft gefordert. Für die Staatsanwältin stand fest, dass die beiden Angeklagten todkranke Menschen vorsätzlich hinters Licht geführt hatten, um sich an ihnen zu bereichern. Der finanzielle Schaden soll in die Hunderttausende gehen. Der 68-jährige Unternehmer sitzt bereits seit drei Jahren in Untersuchungshaft.

Die Verteidiger hatten für beide Mandanten Freispruch gefordert. Zentrales Argument: Die beiden hätten selbst an die Wirkung von "BG-Mun" geglaubt. Sie hätten folglich ohne Täuschungsabsicht gehandelt.

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