Der Sitzungssaal im Landgericht Ingolstadt. Links die Anwälte hinter ihren Tischen, eine Reihe davor, rechts im Bildndie beiden Angeklagten.
Bildrechte: BR / Susanne Pfaller

Die beiden Angeklagten mit ihren Anwälten

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Freispruch im Prozess um wirkungsloses Krebsmittel gefordert

In Ingolstadt geht ein spektakulärer Prozess zu Ende: Eine Heilpraktikerin und ein Unternehmer sollen todkranken Menschen ein wirkungsloses Mittel verkauft haben. Die Anklage fordert langjährige Haftstrafen, die Verteidiger dagegen Freispruch.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Oberbayern am .

Am Landgericht Ingolstadt geht ein spektakulärer Prozess zu Ende. Wegen gewerbsmäßigen Betrugs müssen sich seit rund zwei Jahren eine Heilpraktikerin aus Schrobenhausen und ein Unternehmer aus Ingolstadt verantworten. Für die Anklage steht fest: die Heilpraktikerin und ihr Geschäftspartner haben todkranke Menschen vorsätzlich betrogen und ihnen ein wirkungsloses Mittel als letzte Rettung verkauft. Für die beiden Angeklagten fordert die Staatsanwältin langjährige Haftstrafen. Die Verteidiger dagegen plädieren auf Freispruch.

Staatsanwaltschaft: Patienten wurden wirkungslose Krebsmittel teuer angedreht

Über ein Dutzend Betrugsfälle werden behandelt, deren Opfer zum Teil nicht mehr leben: sie hatten Krebs und laut Anklage darauf vertraut, dass die Angeklagten ihnen für viel Geld helfen werden – mit dem angeblichen Allheilmittel BG-Mun. Vergeblich. Für die Staatsanwältin ist bewiesen: Die beiden Angeklagten haben todkranke Patienten getäuscht und ausgenutzt, ihnen wert- und wirkungsloses Krebsmittel für teures Geld angedreht. Gesamtschaden: weit über eine halbe Million Euro.

Verteidiger: Angeklagte hatten keinen Täuschungsvorsatz

Die insgesamt sechs Verteidiger hingegen fordern einen umfänglichen Freispruch für beide Angeklagten. Die Anwälte der Heilpraktikerin betonen, dass ihre Mandantin bis zu den ersten Berichterstattungen in den Medien im Mai 2019 "keinerlei Zweifel an der Wirksamkeit von BG-Mun" gehabt habe. Die Schrobenhausenerin habe schließlich das Mittel "an sich selbst getestet" sowie an ihrer Tochter und "jeweils gute Ergebnisse festgestellt". Nach Meinung der Verteidiger sei BG-Mun "nie als Mono-Therapie zum Einsatz gekommen, sondern immer in Kombination mit anderen Therapien." Damit sei BG-Mun immer nur "als Baustein in einer Gesamttherapie" zu sehen.

Staatsanwältin: Angeklagte haben bewusst falsches Heilsversprechen abgegeben

Ganz anders sieht das die Staatsanwältin. Ihr zentraler Vorwurf lautet, dass die beiden Angeklagten den totkranken Patienten bewusst ein falsches Heilversprechen haben, weil sie BG-Mun als Allheilmittel angepriesen und verkauft hätten. Derart haben sich in dem Verfahren mehrere Zeugen geäußert, darunter mehrere Angehörige verstorbener Kunden der Angeklagten. Diesen Vorwurf eines Heilsversprechens weisen die Verteidiger zurück. Auch der Preis für das Mittel sei mit  5.400 Euro für zehn Ampullen BG-Mun "angemessen" gewesen. Dass BG-Mun sei "kein wirkungsloses Zuckerwasser". Als Argument dafür, dass BG-Mun "immer wieder mal was gebracht", zum Beispiel Schmerzen gelindert habe, würde sich nach Einschätzung der Anwälte dadurch zeigen, dass manche Patienten mehrere Packungen gekauft hätten. Im Verfahren hatte zum Beispiel ein Witwer ausgesagt, dessen mittlerweile verstorben Ehefrau rund 50.000 Euro für das bei ihr wirkungslose Mittel ausgegeben hatte.

Unterschiedliche Einschätzung über Wirkkraft von BG-Mun

BG-Mun sei, so das Argument der Verteidiger, ein Mittel der Alternativmedizin, und "gehört damit eben nicht zur evidenzbasierten Medizin", das bedeutet, eine empirisch nachgewiesene Wirksamkeit könne und müsse hier nicht nachgewiesen werden.

Die Staatsanwaltschaft zitierte hingegen Sachverständige, denen zufolge BG-Mun eine Proteinlösung ist, die keinerlei Wirkung gegen Krebs entfalte und zudem nicht als Arzneimittel zugelassen sei.

Urteil in der nächsten Woche

Im weiteren Verlauf führten die Verteidiger des Unternehmers in ihren Plädoyers noch weiter aus, warum sie auch für ihren Mandaten Freispruch fordern sowie eine Entschädigung für seine mittlerweile mehrjährige Haft.

Das Plädoyer der Staatsanwältin ist abgeschlossen: Sie fordert wegen gewerbsmäßigen Betrugs langjährige Haftstrafen; für die angeklagte Heilpraktikerin eine Gesamtstrafe von drei Jahre und zehn Monaten und für den Unternehmer eine Gesamtstrafe von fünf Jahren und fünf Monate und eine weitere Gesamtstrafe von zwei Jahre und sieben Monate.

Am Montag wird das Gericht den beiden Angeklagten das letzte Wort erteilen. Die Urteilsverkündung ist für Mittwoch, 24.5. anberaumt.

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