Kultusminister Piazolo
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Schulen im Corona-Modus: Weniger Proben, spätere Zeugnisse

Mit mehreren Maßnahmen will Kultusminister Piazolo den Druck auf Bayerns Schülerinnen und Schüler senken - auch wegen weiterer Wochen ohne Präsenzunterricht. Die Debatte um die Lernplattform "Mebis" hält er für "gehypt". Die Opposition zürnt weiter.

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Weniger Leistungsnachweise, spätere Zwischenzeugnisse, angepasste Aufgaben für Viertklässler vor dem Übertritt: Mit diesen Maßnahmen will Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) die Corona-bedingt schwierige Situation vieler Schülerinnen und Schüler erleichtern. In den Jahrgangsstufen 5 bis 10 wolle man die Zahl der Schulaufgaben in diesem Schuljahr reduzieren, bekräftigte Piazolo bei einer Pressekonferenz zum Unterrichtsstart nach den Weihnachtsferien. In der vierten Klasse - also vor dem Übertritt auf eine weiterführende Schule - sollen demnach heuer 14 statt den bisher 18 geplanten Aufgaben geschrieben werden.

Zudem werden laut Piazolo die Abschlussprüfungen in allen Schularten verschoben, die Details wolle man noch mit den Verbänden und jeweiligen Schulfamilien absprechen. Auch ihre Zwischenzeugnisse erhalten Bayerns Schülerinnen und Schüler später – und zwar am 5. März statt wie bisher geplant am 12. Februar. "So können sich Eltern und Schüler darauf verlassen, dass sie einen aussagekräftigen Zwischenbericht über den Leistungsstand erhalten, erklärte der Minister. Das sogenannte "Übertrittszeugnis" in der vierten Klasse soll um knapp eine Woche nach hinten verschoben werden. Es werde auch verbindliche Hinweise für Schwerpunktsetzungen im Lehrplan geben, damit Lehrkräfte und Schüler nicht unter Zeitdruck gerieten, versprach Piazolo.

Schulen: Piazolo will "hohe Qualität erhalten"

Der Minister verteidigte die jüngste Entscheidung, im gesamten Januar wegen Corona auf Präsenzunterricht zu verzichten. Er verwies darauf, dass "wir in allen Gremien lange mit uns gerungen haben". Auch der Schulbereich müsse aber einen "Beitrag zur Kontaktreduktion" bringen. Grundsätzlich wolle man allerdings "die hohe Qualität des bayerischen Schulsystems erhalten". Für Kinder der Klassen 1 bis 6 soll es auch im Januar eine Notbetreuung geben, wenn Eltern etwa aus Berufsgründen darauf angewiesen sind.

Der Kultusminister rechtfertigte auch den Beschluss der Staatsregierung, die Faschingsferien in diesem Jahr zu streichen - und stattdessen von 15. bis 19. Februar eine zusätzliche Unterrichtswoche anzusetzen. Ein Grund dafür laut Piazolo: Für Klassen, die möglicherweise ab 8. Februar in den Präsenzunterricht zurückkehren, wäre es "pädagogisch nicht sinnvoll", gleich eine Woche nach dem Start wieder in die Ferien zu gehen. Grundsätzlich hoffe man, "dass wir im Februar mit möglichst viel Präsenzunterricht starten können", betonte Piazolo. Ob das auch gehe, lasse sich aber noch nicht absehen.

"Mebis": Piazolo sieht "gehypte" Debatte

Mit Blick auf den Wirbel um die wiederholten Ausfälle der bayerischen Online-Lernplattform Mebis wegen Überlastung sprach Piazolo von einer "beinahe unnatürlich gehypten" Debatte. "Distanzunterricht ist nicht Mebis", betonte der Minister. Die Lernplattform schaffe keinen direkten Kontakt zum Schüler, dafür seien Video-Konferenz-Tools wichtiger. Piazolo wies in diesem Zusammenhang auch den Spott an der Empfehlung des Kultusministeriums zurück, dass Lehrer auch per Telefon Kontakt zu ihren Schülern aufnehmen könnten. Es müsse ein großer Fundus an Lerninstrumenten genutzt werden - vom Schulbuch, über das Telefon bis zu Messenger-Diensten und Videoangeboten wie Microsoft Teams. Um jeden Schüler zu erreichen, könne auch mal ein Arbeitsblatt per Post verschickt oder über den Gartenzaun gereicht werden.

Für bestimmte Dinge eigne sich Mebis sehr gut, betonte Piazolo. Der Minister räumte allerdings ein, die technischen Probleme bei der Plattform seien "sehr ärgerlich" gewesen. Über die Weihnachtsferien sei Mebis technisch weiterentwickelt worden. "Grundsätzlich kann Mebis mit einer hohen Zahl an Nutzern umgehen." Ohnehin werde die Plattform nur von etwa 15 Prozent der Schüler am Tag genutzt, überwiegend von Realschülern und Gymnasiasten. Zu Problemen komme es, wenn sich "sehr viele Nutzer zeitgleich einloggen". Für eine Entlastung könne da eine Entzerrung sorgen.

Die öffentliche Forderung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) an seinen Minister, nach den Weihnachtsferien endlich einen funktionierenden Distanzunterricht sicherzustellen, will Piazolo nicht überbewertet sehen. Natürlich habe sich Söder über die Mebis-Ausfälle geärgert, "ich habe mich auch geärgert". Aber man dürfe "beim Ärger nicht zu lang verweilen". Mebis sei "nicht das wichtigste" Tool, und er sei fest überzeugt, "dass wir ab Montag auch einen guten Distanzunterricht machen werden". Technische Probleme ließen sich aber nicht ausschließen.

Landtags-SPD fordert Piazolo-Rücktritt

Die SPD-Bildungsexpertin im Landtag, Simone Strohmayr, zeigte sich "verärgert" über Piazolos Aussagen. "Die vom Minister vorgestellten Detailmaßnahmen, um den Distanzunterricht zu bewältigen, bringen keinerlei echte Entlastung für Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer sowie die Eltern", beklagte sie. Die Übertrittszeugnisse um eine Woche zu verschieben sei "gelinde gesagt" ein schlechter Witz. "Warum kann man sich in diesen schweren Zeiten nicht endlich dazu durchringen, die Übertrittsregelung ganz abzuschaffen?"

Strohmayr appelliert an die Staatsregierung, die Leistungserhebungen außer für die Abschlussklassen und die gymnasiale Oberstufe in diesem Schuljahr auszusetzen. Es sei längst bekannt, dass der Distanzunterricht die Chancenungleichheit in Bayern verstärke. Auch in Sachen Mebis habe Piazolo keine Entwarnung geben können. "Stattdessen verliert er sich in Relativierungen und versucht, das Thema herunterzuspielen", beklagte die SPD-Politikerin und fügte hinzu: "Die heutige Pressekonferenz hat wieder einmal gezeigt, dass Minister Piazolo für dieses Amt ungeeignet ist. Im Namen der SPD-Fraktion fordere ich ihn erneut auf, zurückzutreten."

Gemeindetag "bitter enttäuscht" vom Kultusministerium

Auch vom Bayerischen Gemeindetag kam heute scharfe Kritik an Piazolo. Bayerns Gemeinden, Märkte und Städte seien bitter enttäuscht vom miserablen Krisenmanagement des Kultusministeriums, teilte Gemeindetagspräsident Uwe Brandl (CSU) mit. "Seit Jahren fordern wir eine schlüssige und robuste Digitalisierungsstrategie von der bayerischen Staatsregierung", erklärte Brandl. "Jetzt, in der Corona-Krise zeigt sich, dass das Kultusministerium weit davon entfernt ist, den Schülerinnen und Schülern funktionierende digitale Angebote in der Krise zu machen." So könne es nicht weitergehen: "Was ist nur aus dem Anspruch geworden, Bayern sei das Land von Laptop und Lederhose?"

Ausschuss-Sondersitzung im Landtag?

Zuletzt hatten bereits Abgeordnete von FDP, SPD und AfD Piazolo zum Rücktritt aufgefordert. Grüne, SPD und FDP haben nun im Landtag eine Sondersitzung des Bildungsausschusses beantragt. "FW-Kultusminister Piazolo hat es bislang versäumt, ein klares Konzept vorzulegen, wie Schule unter Pandemiebedingungen funktioniert und wie das restliche Schuljahr 2020/21 gut zu Ende gebracht werden kann", hieß es zur Begründung. "Auf der Tagesordnung der Bildungsausschuss-Sondersitzung sollen der Bericht des FW-Kultusministers, eine Aussprache zum Schulstart im Januar und den ungelösten Problemen beim digitalen Unterricht stehen."

"Milde ausgedrückt läuft es in der bayerischen Bildungspolitik absolut unrund. Ob Lüftungsanlagen, Laptops für die Schulfamilie oder die Lernplattform Mebis - es hakt an allen Ecken und Enden", erklärte Max Deisenhofer, bildungspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion. Auch Matthias Fischbach, bildungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, kritisierte Piazolo: "Trotz mehrfachen Bekundens hat es Bayerns Kultusminister bisher weder geschafft, die Bedingungen für den Distanzunterricht zu verbessern, noch unsere Schulen zum Beispiel durch Raumluftreiniger für den Präsenzunterricht zu sichern. Der Staatsminister wirkt aktuell mehr als überfordert."

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