Zwei Frauen im Brautkleid und mit Hochzeitsstrauß bei ihrer Hochzeit.
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Queere Segensfeiern sind offiziell nicht erlaubt. Trotzdem führen viele Pfarrern Segensfeiern durch. Wie reagieren die bayerischen Bistümer?

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Queere Segensfeiern: Sanktionen auch für bayerische Priester?

Im Erzbistum Köln ist kürzlich ein Pfarrer von Kardinal Woelki verwarnt worden, weil er queere Segensfeiern durchgeführt hat. Auch in Bayern segnen Priester homosexuelle Paare. Müssen sie nun ebenfalls mit Konsequenzen rechnen?

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Eine katholische Segnung oder gar "Trauung" ist für queere Paare eigentlich nicht möglich. Der Grund: Das Lehramt der katholischen Kirche lehnt solche Beziehungen ab. In der Praxis aber spenden zunehmend auch katholische Pfarrer gleichgeschlechtlichen Paaren ihren Segen - zum Beispiel Andreas Artinger aus Regen im Bayerischen Wald, im Bistum Passau. Er betont im BR-Interview: "Wenn zwei Menschen zu mir kommen und sagen, wir bitten ganz bewusst um den Segen Gottes, dann sage ich nicht Nein. Warum ihnen den verweigern?"

"Mit welchem Recht verweigere ich zwei Menschen den Segen?"

Seine Segnungen könne man sich wie einen Wortgottesdienst vorstellen, beschreibt der Pfarrvikar. Er wähle Bibeltexte aus, formuliere Fürbitten, schreibe eine Predigt für das Paar, wähle zusammen mit ihnen passende Lieder aus und segne sowohl die Ringe als auch das Paar selbst. "Letztlich versuchen sie, die gleichen Werte zu leben wie Mann und Frau", erklärt Artinger. "Sie sagen, wir wollen in Liebe, in Zuneigung, in Treue dieses Leben gestalten. Und dafür wollen wir um den Segen Gottes bitten. Mit welchem Recht verweigere ich zwei Menschen diesen Segen?", fragt Artinger.

Der 63-Jährige hat die Erfahrung gemacht, dass gerade diese Paare oft eine sehr starke religiöse Bindung haben. Ihnen sei der Segen dann ein besonderes Anliegen. Konsequenzen für ihn persönlich hatten diese kirchenrechtlich verbotenen Segensfeiern bislang nicht, wie er sagt. Er sei weder abgemahnt worden, noch habe sich das Bistum deswegen bei ihm gemeldet: "Bis jetzt habe ich von höherer Stelle noch nichts gehört", so Artinger. Er glaubt aber auch, dass sich bislang auch noch niemand über ihn "beschwert" habe.

Abmahnung im Erzbistum Köln wegen queerer Segensfeier

Im Erzbistum Köln war das zuletzt anders: Ein Pfarrer hatte dort einen "Segnungsgottesdienst für alle sich liebenden Paare" gefeiert. Irgendjemand meldete dem Vatikan, dass darunter auch ein gleichgeschlechtliches Paar gewesen sei. Daraufhin wurde der Priester vom Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki offiziell verwarnt und es wurde ihm untersagt, in Zukunft homosexuelle Paare zu segnen.

Der Würzburger Hochschulpfarrer Burkhard Hose, der sich sowohl bei der Aktion "Liebe gewinnt" als auch bei "OutInChurch" engagiert, bedauert das. Die Maßregelung in Köln habe Menschen wieder neu verunsichert. Ihn irritiere auch, dass Woelki im Frühjahr der diözesanen Gruppe von OutInChurch in Köln noch zugesagt habe, dass er Seelsorger nicht belangen würde. "Das ist eine paradoxe Aussage, die da im Raum steht, aber da sind wir von Woelki ja auch einiges gewohnt", so Hose.

Umfrage in Bayern offenbart Flickenteppich

Wie aber gehen die bayerischen Bischöfe mit den laut Kirchenrecht nicht erlaubten Segensfeiern für gleichgeschlechtliche Paare um? Müssen Priester in den Bistümern des Freistaats Konsequenzen fürchten? Eine Anfrage von BR24 an die sieben bayerischen Diözesen offenbart einen Flickenteppich, der sich auch aus dem Abstimmungsverhalten der Bischöfe bei der Reformdebatte Synodaler Weg ablesen lässt. Dort hatten mehr als zwei Drittel der deutschen Bischöfe für solche Segensfeiern gestimmt. Aus Bayern waren das die (Erz-)Bischöfe aus München und Würzburg. Dagegen votierten die Ortsbischöfe von Passau, Regensburg, Eichstätt und Augsburg. Das Erzbistum Bamberg ist nach dem Rücktritt von Erzbischof Ludwig Schick derzeit vakant.

München und Würzburg: Keine Sanktionen zu befürchten

Im Erzbistum München-Freising beispielsweise sammelt eine Projektgruppe gerade Vorschläge, wie queere Segensfeiern in Zukunft aussehen könnten, auch wenn ein Sprecher des Erzbistums betont, dass diese Segensfeiern derzeit noch "inoffiziell" sind. Sanktioniert aber würden Priester auch jetzt nicht. Das Bistum Würzburg schreibt BR24, man setze darauf, "dass pastorale Mitarbeitende des Bistums behutsam, sensibel und verantwortlich ihren Dienst unter den Menschen tun". Und der Diözesanadministrator, also eine Art Übergangsverwalter, des Erzbistums Bamberg, Weihbischof Herwig Gössl, erklärte, er wolle einer Entscheidung des künftigen Erzbischofs nicht vorgreifen. Und bleibt dann im Konjunktiv: "Gemäß den allgemeinen Regeln müsste ich eine solche Segensfeier untersagen beziehungsweise die Erlaubnis verweigern - sofern bei uns angefragt würde", so Gössl.

Laut dem Theologen Burkhard Hose stecken die eher progressiven Bischöfe in einem "Dilemma". Sie müssten sich einerseits ans Kirchenrecht und die Vorgabe aus Rom halten. Andererseits hätten sie beim Synodalen Weg klargemacht, dass sie sich eine andere Praxis wünschten.

Unsicherheit in Passau, Eichstätt, Augsburg und Regensburg

In den anderen Bistümern ist die Lage unübersichtlich. Hose weiß aber zumindest aus der jüngsten Vergangenheit von keinen Abmahnungen. In Passau, der Heimatdiözese von Pfarrvikar Artinger, äußert sich ein Bistumssprecher sehr zurückhaltend mit Blick auf die Segnung von gleichgeschlechtliche Paaren: "Eine solche Praxis ist uns nicht bekannt", schreibt er. Und: Man orientiere sich "an den weltkirchlichen Vorgaben", sei aber auch über die Ergebnisse des Synodalen Wegs "im Gespräch". Ähnlich ist auch der Tenor der Stellungnahme aus Eichstätt: "Das geltende Kirchenrecht sieht eine solche Segensfeier nicht vor."

Und aus Augsburg kommt der Verweis, dass es "eine Segensfeier für queere Paare, die dem Sakrament der Eheschließung nahekommt" nicht geben könne. Und wenn doch? Dann werde "jeder Einzelfall separat" betrachtet. Von Sanktionen, Abmahnungen oder Rügen spricht keines der Bistümer direkt - ausgeschlossen aber werden sie auch nicht. Einzig das Bistum Regensburg schickte bis zum Redaktionsschluss keine Stellungnahme.

Selbst Kläranlagen dürfen offiziell gesegnet werden

Tatsächlich sind "homosexuelle Handlungen" nach dem Weltkatechismus "in sich nicht in Ordnung" und "unmoralisch". Daraus folgt, dass homosexuelle Beziehungen auch nicht gesegnet werden dürften. Für Pfarrvikar Artinger ist das mit seinem Glauben nicht vereinbar: "Wenn ich unser offizielles Segnungsbuch in der katholischen Kirche anschaue, da sind 1.000 Segnungen drin: Das geht los von Tieren, von Maschinen, von Bulldogs, bis hin zur Wasserkläranlage, bis dahin wird alles gesegnet." Vor diesem Hintergrund Menschen den Segen zu verweigern, "das passt für mich nicht in mein christliches Denken." Und Hose, der Pfarrer aus Würzburg, sagt, er stehe nicht alleine mit seiner Haltung, dass ein Nein zu queeren Segensfeiern theologisch "falsch" und "überkommen" sei.

Offenbar sehen das auch immer mehr Bischöfe so. Der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, regte schon 2020 Änderungen im Katechismus an. Und der Münchner Kardinal Reinhard Marx sagte im März 2023, er wolle zur Segnung von homosexuellen Paaren "ermutigen". Knapp 93 Prozent der Delegierten stimmten auf dem Synodalen Weg, dem Reformprojekt der katholischen Kirche in Deutschland, für Segensfeiern von queeren Paaren und dafür, zeitnah angemessene liturgische Feiern zu entwickeln und einzuführen.

Erzbistum stellte sich vor Pfarrer

Der Münchner Pfarrvikar Wolfgang Rothe hat sich 2021 an der Aktion #liebegewinnt beteiligt, bei der deutschlandweit queere Paare von katholischen Pfarrern gesegnet worden sind. Mit Ausnahme des Falls in Köln ist ihm keine weitere Verwarnung eines Pfarrers bekannt. Rothe weiß aber, dass er bereits beim Erzbistum München und Freising oder beim Vatikan angezeigt wurde, nachdem er Segnungsgottesdienste für queere Paare durchgeführt hatte. Im Internet kursiert ein Antwortschreiben des Erzbistums München und Freising auf eine solche Anzeige. Darin schreibt das Erzbistum München und Freising, Beziehungen gleichgeschlechtlicher Personen seien zwar "unzulässig", allerdings kenne das "kirchliche Recht" keinen "Straftatbestand", der Pfarrer wie Wolfgang Rothe "mit der Exkommunikation oder gar einer Versetzung in den Laienstand bedroht".

Solidarisierungsaktion in Köln geplant

Um sich mit dem sanktionierten Pfarrer im Erzbistum Köln nun zu solidarisieren, gibt es auf Facebook mittlerweile schon eine Initiative. Sie ruft dazu auf, am Jahrestag der Amtseinführung von Kardinal Woelki am 20. September auf der Kölner Domplatte einen queeren Gottesdienst als Protestaktion zu veranstalten. Daran will sich auch der Münchner Pfarrvikar Rothe beteiligen.

Und Artinger aus Passau? Der 63-Jährige blickt gelassen auf das, was womöglich auf ihn zukommen wird: "Das ist jetzt einfach ein Weg, den ich gehe, und da stehe ich auch dazu." Auch mit dem Wissen, dass sein Bischof Stefan Oster grundsätzlich dagegen ist.

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