Der Beschuldigte (r.) im Gerichtssaal.
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Der Beschuldigte (r.) im Gerichtssaal.

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Prozess um Gewaltexzess gegen Nachbarn: "Ich dachte, das war's"

Im Dezember soll in Regensburg ein 25 Jahre alter Mann im Drogenrausch einen ihm Unbekannten mit einem Messer und einem Hammer attackiert und Dutzende teils schwere Verletzungen zugefügt haben. Dem Mann wird versuchter Mord vorgeworfen.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus der Oberpfalz am .

Ein junger Mann aus Regensburg überlebt knapp einen unvorstellbaren Gewaltexzess. Nun steht der mutmaßliche Täter vor Gericht. Es geht um versuchten Mord. Im Drogenrausch hatte der Angreifer im Dezember in Regensburg in einer fremden Wohnung den ihm unbekannten Mann attackiert. Das Opfer überlebte trotz schwerster Verletzungen - seine Versuche, über Sprachassistentin Alexa Hilfe zu holen, scheiterten.

Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Versuchter Mord

Seit dem 7. Dezember 2022 ist für einen 20 Jahre alten Mann aus Regensburg das Leben ein anderes: Völlig unvermittelt wurde er an jenem Tag von seinem Nachbarn mit Messer und Hammer attackiert. Er erlitt eine Vielzahl an Verletzungen, vier davon für sich allein lebensbedrohlich. Der junge Mann ist von Narben gezeichnet und schwerst traumatisiert. Seit dem heutigen Mittwoch wird dem mutmaßlichen Täter vor dem Landgericht Regensburg der Prozess gemacht. Er soll bei der Tat unter Drogen gestanden haben und deswegen schuldunfähig sein. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm versuchten Mord vor.

Opfer schildert Gewaltexzess des Angreifers

Die Vernehmung des Geschädigten erforderte ein besonderes Maß an Sensibilität. Der junge Mann verbarg sein Gesicht hinter Sonnenbrille und FFP2-Maske, was ihm der Vorsitzende Richter Michael Hammer gestattete. An seiner Seite waren seine Mutter und seine Therapeutin. Der Beschuldigte, ein 25 Jahre alter Mann, hatte zuvor den Saal verlassen müssen.

In beeindruckender Klarheit schilderte der 20-Jährige, was ihm geschah; wie er vormittags im Bett noch Computer gespielt und arglos die Tür geöffnet habe, als jemand geklopft habe, in der Annahme, es sei sein Freund. Stattdessen sei der Nachbar in die Wohnung eingedrungen, habe sofort zugestochen und Geld gefordert. Schnitte, Stiche, Hammerschläge seien gefolgt, wieder und wieder. Vergeblich habe er versucht, durch die Tür zu fliehen und dann aus dem Fenster zu springen. Der Angreifer habe ihn aufs Bett geworfen. "Ich dachte, das war's jetzt", habe er sich mehrmals gedacht, sagte der Geschädigte. In Gedanken sei er immer wieder bei seiner Mutter und bei seiner Familie gewesen.

Mit Messer und Hammer Hals und Kniescheibe verletzt

Zwischenzeitlich habe der Angreifer ihn auf den Boden geworfen. Der 25-Jährige habe ihm mit dem Hammer auf die Kniescheibe geschlagen, sagte der 20-Jährige. Er habe ihn geschlagen, wo er nur gekonnt habe. "Ich wusste, dass es vorbei ist. Ich konnte mich nicht schützen. Er war zu schnell." Dann habe der Angreifer ihm mit dem Messer rund um den Hals geschnitten und die Wohnung nach Geld durchsucht. Etwa 30 Minuten dauerte den Ermittlungen zufolge der Gewaltexzess. Der Täter sei "in einem Wutrausch" gewesen, sagte das Opfer.

Als er geglaubt habe, der Angreifer habe die Wohnung verlassen, sei er aufgestanden. Er habe überleben wollen, er habe seine Familie wiedersehen wollen. Unter Tränen schilderte er, dass der Täter dann doch noch da gewesen sei und wie es ihm gelungen sei, aus der Wohnung zu fliehen. Vor der Tür eines Nachbarn habe er keine Kraft mehr gehabt und sei auf den Boden gefallen. Mit Tritten gegen die Tür sei es ihm gelungen, auf sich aufmerksam zu machen.

Nachbarn alarmieren schließlich Polizei und Rettungsdienst

Der Täter habe dann den Nachbarn attackiert, der davongelaufen sei, auch der Täter sei geflohen. Eine Frau habe ihn angesprochen und sei ebenfalls gegangen. Er habe gedacht, alle ließen ihn liegen und habe sich "wie ein Mülleimer" gefühlt - aber die Frau habe er lediglich nicht verstanden und später erfahren, dass sie Hilfe rufen wollte. Dann sei die Putzfrau gekommen und habe gesagt, dass sie den Krankenwagen hole. "Da habe ich gewusst, dass ich leben werde. Dass sie mich nicht im Stich gelassen hat, war so wichtig für mich." Der angegriffene Nachbar hatte zudem vor dem Haus Passanten aufgefordert, die Polizei zu rufen.

"Den Überlebenswillen, den Sie da gezeigt haben, das ist unglaublich", sagte der Vorsitzende Richter nach der Vernehmung. Für den 20-Jährigen sind die Tat und ihre Folgen gravierend. Seine Ausbildung zum zahnmedizinischen Fachangestellten konnte er nicht fortsetzen. Er könne nicht schlafen, habe die Geräusche der Hammerschläge auf seinen Kopf in Erinnerung, werde beim Hören bestimmter Wörter an die Tat erinnert. Er könne nicht mehr allein auf die Straße gehen - aus Angst, jemand könnte ihn umbringen.

Polizist schildert: Opfer "von oben bis unten voller Blut"

Ein Polizist schilderte als Zeuge, wie er das Opfer im Flur liegend antraf. Der Mann sei "von oben bis unten voller Blut und aufgeschnitten" gewesen. Durch einen Schnitt am Kinn habe man die Zähne gesehen. Den Ermittlungen nach hatte der junge Mann während des Angriffs vergeblich den Sprachassistenten Alexa aufgefordert, die Polizei zu rufen, was in der Verhandlung jetzt nicht zur Sprache kam.

Der Beschuldigte machte am Mittwoch selbst keine Angaben. Sein Verteidiger sagte, sein Mandant bereue die Tat und habe dem Geschädigten einen Brief geschrieben. Diesen überreichte er am Mittwoch dem Anwalt des 20-Jährigen.

Für das Verfahren wurden zunächst sieben weitere Verhandlungstage angesetzt. Die Fortsetzung war für Donnerstag geplant.

Mit Informationen von dpa

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