Beratungen über Pläne für Windräder
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Bis ein Windrad genehmigt und aufgestellt ist, vergeht oft viel Zeit.

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Bundeswehr bremst Windkraft aus: Zeitenwende vor Energiewende?

Für die Ampelkoalition ist der Ausbau der Windkraft für die Energiewende entscheidend. Doch wenn militärische Interessen betroffen sind, müssen Windenergie-Projekte zurückstehen, zeigen BR-Recherchen. Einige Kommunen fordern Kompromissbereitschaft.

Über dieses Thema berichtet: Der Funkstreifzug am .

Im Kelheimer Stadtwald soll die Energiewende vorankommen. Sechs Windkraftanlagen haben sie hier zusammen mit einem Projektentwickler geplant – grüner Strom für etwa 3.500 Haushalte. Ab 2027 sollen sich die Windräder drehen. Doch obwohl die Planungen schon sehr weit sind, wird wohl nichts aus dem Windpark. Die Bundeswehr hat ein Veto gegen das Projekt eingelegt.

Hubschraubertiefflugstrecke stoppt Windpark

Das Hauptproblem: Eine sogenannte "Hubschraubertiefflugstrecke". Die verläuft genau über dem geplanten Windpark. Um für den Ernstfall gewappnet zu sein, übt die Truppe mit ihren Hubschraubern auch im Tiefflug. Dafür benötigt sie die drei Kilometer breiten Sicherheitskorridore. Wo diese exakt verlaufen, wird aus verteidigungstaktischen Gründen geheim gehalten. So konnten sie in Kelheim nicht vorab wissen, dass einer der Korridore ausgerechnet ihrem Projekt im Weg steht.

Die Silhouette einer Windkraftanlage bei Sonnenuntergang.
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Manchmal verhindern Interessen von dritter Seite den Bau eines neuen Windrads.

Bürgermeister vermisst Dialogbereitschaft

Kelheims Bürgermeister Christian Schweiger (CSU) stört, dass die Bundeswehr ihren Einwand erst so spät im Planungsverfahren mitgeteilt hat. Die Verwaltung und der Projektpartner hätten schon viel Arbeit und Geld investiert – und würden nun darauf sitzen bleiben.

Um eine Lösung zu finden, würde er mit den zuständigen Stellen der Bundeswehr gerne in den Dialog treten, so wie es auch bei anderen Trägern öffentlicher Belange möglich ist. Doch statt Kompromissbereitschaft komme nur eine strikte Ablehnung. "Das ist eine Einbahnstraße, wir haben nette Sachbearbeiter von der Bundeswehr, die uns erklären, dass es nicht geht. Punkt."

Militärische Interessen haben Vorrang

Deutschlandweit kommt es immer wieder zu ähnlichen Konflikten. Der Ausbau der Windenergie liegt im überragenden öffentlichen Interesse, so steht es im Erneuerbare-Energien-Gesetz. Die einzige Einschränkung im EEG: "Belange der Landes- und Bündnisverteidigung". Und diese haben auch vor dem Hintergrund des russischen Angriffs auf die Ukraine noch einmal an Bedeutung gewonnen.

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Die geplanten Standorte der Windkraftanlagen

1.000 Anlagen betroffen

Das zuständige Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr teilt mit, dass die Behörde in den vergangenen fünf Jahren bei rund 3.200 Windkraftprojekten konsultiert worden sei. Nur knapp 200 seien abgelehnt worden. Der Bundesverband Windenergie (BWE) hat dagegen deutlich höhere Zahlen errechnet: Laut einer Umfrage unter BWE-Mitgliedern blockieren militärische Interessen deutschlandweit Windkraftprojekte mit einer Gesamtleistung von 4,5 Gigawatt. Das entspreche etwa 1.000 Windkraftanlagen und etwa der Hälfte des Ausbauziels für das Jahr 2023, so BWE-Präsidentin Bärbel Heidebroek.

Der Hauptgrund auch bundesweit: Hubschraubertiefflugstrecken. Heidebroek wünscht sich eine bessere Kommunikation. Die Bundeswehr müsse flexibler werden. "Ich wünsche mir, dass sie überprüft: Sind alle Strecken wirklich notwendig? Mein persönlicher Eindruck ist schon, dass man da viele Strecken einfach vorhält, ohne sie tatsächlich zu nutzen." Die Energiewende werde hier ausgebremst, kritisiert Heidebroek.

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Zahlreiche weitere Anlagen wie diese können aufgrund von Einwendungen der Bundeswehr nicht entstehen.

Verlegung soll geprüft werden

Auch eine Arbeitsgruppe der Bundesregierung hat sich bereits mit den Hubschrauber-Korridoren befasst. Das Ergebnis: Einzelne Tiefflugstrecken werden zusammengelegt oder ganz gestrichen. In Kelheim sei eine Verschiebung des Korridors aber aus rechtlichen Gründen problematisch und daher abzulehnen, teilt die Bundeswehr mit.

Kelheims Bürgermeister will trotzdem nicht aufgeben. Er fordert zu prüfen, ob der Korridor genau über dem Windpark verlaufen muss. "Oder ob man Deutschland auch verteidigen kann, wenn man das 700 Meter in einer anderen Richtung macht", so Schweiger.

Weitere Kommunen betroffen

In Bayern, wo der Ausbau der Windenergie auf Bestreben der Staatsregierung lange blockiert wurde, und erst jetzt langsam Fahrt aufnimmt, wird das Problem für viele Städte und Gemeinden wohl erst in den nächsten Jahren relevant werden. Etwa die Hälfte der Landesfläche gilt als militärischer Interessenbereich, in dem nach einer Einzelfallprüfung Projekte gestoppt werden können.

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Auf etwa der Hälfte der Landesfläche kann die Bundeswehr nach einer Einzelfallprüfungen ein Veto gegen Windkraftprojekte einlegen.

Überraschung in Lupburg

Aktuell verhindern militärische Belange auch in Lupburg in der Oberpfalz einen Windpark. Statt einer Hubschraubertiefflugstrecke ist hier ein sogenannter "Pflichtmeldepunkt" des nahen US-Truppenübungsplatzes Hohenfels das Hindernis. Wollen Piloten auf dem Truppenübungsplatz landen, müssen sie über die gut sichtbare Autobahnanschlussstelle bei Lupburg fliegen. Von hier aus werden sie dann auf den Flugplatz gelotst. In einem Radius von zwei Kilometern um diesen Pflichtmeldepunkt dürfen keine Windkraftanlagen gebaut werden.

Im Lupburger Rathaus wurden sie komplett überrascht. Vom Pflichtmeldepunkt wussten sie nichts. Drei Windräder sollten entstehen, doch zwei der Standorte liegen innerhalb des Sperrradius. Das gefährdet das ganze Projekt. Wie in Kelheim ärgert sich auch Bürgermeister Manfred Hauser (CSU) über das späte Veto der Bundeswehr. Als der Marktgemeinderat die Windvorrangflächen ausgewiesen hat, gab es keinen Einspruch der beteiligten Behörden. Der Pflichtmeldepunkt wurde nicht einmal erwähnt. Erst als die Projektfirma konkrete Pläne einreichte, kam die Ablehnung.

Bürgermeister will für Windkraft kämpfen

"Momentan war alles umsonst. Das fühlt sich ganz mies an. Wir wollen ja mithelfen. Wir wissen ja, wie wichtig die Energiewende ist", sagt Bürgermeister Hauser. Auch ihm fehlt vonseiten der Bundeswehr Kompromissbereitschaft. Über technische Lösungen des Problems, eine Verlegung des Meldepunkts oder Windrad-Standorte, die aus militärischer Sicht vielleicht noch möglich wären, werde nicht diskutiert.

Alle möglichen Stellen und Ministerien haben sie bereits mit der Bitte um Hilfe abgeklappert – bisher ohne Erfolg. Aufgeben will Hauser aber nicht. "Ich fahre nach Bonn, ich fahre nach Berlin, ich fliege um die ganze Welt! Wenn mir endlich jemand sagt, ihr könnt eure Windräder bauen."

Mehr zu diesem Thema hören Sie heute, am 23. August, in der Sendung "Funkstreifzug" um 12.17 Uhr im Radioprogramm von BR24. Den Podcast der Sendung finden Sie bereits jetzt in der ARD-Audiothek.

Bayern hinkt beim Ausbau von Windkraftanlagen hinterher. Immerhin gibt es einige Windenergie-Projekte, doch jetzt tut sich ein neues Problem auf: Sieht die Bundeswehr dadurch die Landesverteidigung als gefährdet, kann sie oft Einspruch einlegen.
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Bayern hinkt beim Ausbau von Windkraftanlagen hinterher.

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