NSU-Ausschuss: Vertuschungsvorwürfe gegen Verfassungsschutz
Bildrechte: Petr Jerabek/BR

Ex-V-Mann Kai D. bei seiner Ankunft im NSU-Untersuchungsausschuss im Bayerischen Landtag

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NSU-Ausschuss: Vertuschungsvorwürfe gegen Verfassungsschutz

Ein früherer V-Mann des bayerischen Verfassungsschutzes darf im NSU-Untersuchungsausschuss nur eingeschränkt aussagen. Die Opposition sieht darin den Versuch der Behörde, eigenes Fehlverhalten zu verschleiern. Der Verfassungsschutz wehrt sich.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Im NSU-Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags wirft die Opposition dem Landesamt für Verfassungsschutz vor, Fehlverhalten vertuschen zu wollen. Er sei verärgert darüber, dass die Behörde dem früheren V-Mann Kai D. nur eine eingeschränkte Aussagegenehmigung erteilt habe, sagte Ausschuss-Chef Toni Schuberl (Grüne) BR24. Aus Akten wisse er, dass sowohl der Umgang des Verfassungsschutzes mit Kai D. als auch das Verhalten des V-Manns massiv gegen Regeln verstoßen habe.

Zudem habe D. eine große Rolle beim Aufbau rechtsextremer Strukturen in Deutschland gespielt. Solche Informationen müssten "auch im Detail an die Öffentlichkeit", betonte der Grünen-Politiker. Offenbar wolle die Behörde "das eigene Fehlverhalten unter der Decke halten".

Das Landesamt hatte Kai D. in Absprache mit dem bayerischen Innenministerium zwar eine "Ausnahmegenehmigung" erteilt, im Untersuchungsausschuss auszusagen. Angaben zu Aufträgen, Zahlungen und seiner Tätigkeit als V-Mann durfte er aber nur in geheimer Sitzung machen - und bestimmte Fragen gar nicht beantworten.

FDP: Informationen werden vorenthalten

Unmut äußerte auch der FDP-Abgeordnete Matthias Fischbach: "Ich habe den Eindruck, dass uns nach wie vor Informationen vom Verfassungsschutz vorenthalten werden." Kai D. sei eine der Schlüsselpersonen "in der bundesweiten Neonazi-Szene" gewesen, er habe auch mit dem späteren NSU-Kerntrio an einem Tisch gesessen. Obwohl er seit 25 Jahren nicht mehr V-Mann des bayerischen Verfassungsschutzes sei, wolle "man noch viele Details geheim halten". Es gehe zum Beispiel um die Frage, ob Kai D. vom Verfassungsschutz vor Observationen, Durchsuchungen oder Strafverfolgung gewarnt worden sei. "Das wäre natürlich hochkritisch."

Trotz eines Protest-Schreibens Schuberls an das Landesamt wurde die Aussagegenehmigung nicht erweitert. Fischbach stellte im Ausschuss daher den Antrag, das bayerische Kabinett aufzufordern, den V-Mann von seiner Verschwiegenheitspflicht zu befreien. CSU und Freie Wähler lehnten dies mit ihrer Mehrheit im Ausschuss ab.

CSU warnt vor "Skandalisierung"

Ausschuss-Vize Holger Dremel von der CSU verteidigte das Nein zum FDP-Antrag: "Ich halte nichts von Skandalisierung", sagte er dem BR. Im Vergleich zum NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München habe das Landesamt die Aussagegenehmigung deutlich erweitert. Vertuschungsvorwürfe wies Dremel entschieden zurück. Es gehe darum, die Arbeit des Verfassungsschutzes und "die Sicherheit unseres Landes" nicht zu gefährden.

In der öffentlichen Ausschusssitzung sagte Dremel: "Ich rate zu Gelassenheit." Eine Anrufung des Ministerrats hätte für die Zeugenbefragung in der aktuellen Sitzung nichts gebracht. Aus Sicht von CSU und Freien Wählern werde die Arbeit des Untersuchungsausschusses durch die Einschränkung "nicht erschwert".

Verfassungsschutz: Vorwürfe nicht nachvollziehbar

Auch der Verfassungsschutz betont auf BR-Anfrage, der Vorwurf der Opposition sei nicht nachvollziehbar. Von der Ausnahmegenehmigung gänzlich ausgenommen seien lediglich Fragen zu operativen und taktischen Maßnahmen. Diese Geheimhaltung diene dem "Schutz der Methoden und der Arbeitsfähigkeit des Verfassungsschutzes", heißt es in einer Stellungnahme.

Die Offenlegung bestimmter Informationen "würde letztlich Rückschlüsse auf die Arbeitsweisen des Verfassungsschutzes ermöglichen". Denn operative Handlungswerkzeuge - zum Beispiel Trefforte und Kommunikation - hätten sich in den vergangenen 20 Jahren nicht grundlegend verändert. Zudem betonte das Landesamt: Beiden NSU-Untersuchungsausschüssen sei umfangreiche Akteneinsicht gegeben worden.

Zeuge Kai D.: "Ihnen sind Grenzen gesetzt"

Kai D. erschien am Nachmittag mit Kapuze über dem Kopf sowie schwarzer Maske über Mund und Nase zu seiner Befragung im Landtag. Gleich bei den ersten Fragen rief er dem Ausschussvorsitzenden Schuberl zu: "Sie haben dafür keine Genehmigung für diese Fragen." Und: "Ihnen sind Grenzen gesetzt." Mehrfach verwies er darauf, dass ihm keine detaillierte Aussagegenehmigung vorliege: "Die Frage kann ich Ihnen nicht beantworten."

Darüber hinaus berief er sich immer wieder darauf, keine Erinnerung mehr zu haben: "Sie verlangen von mir, dass ich mich an Details vor knapp 30 Jahren erinnere." Auf die Frage, ob er sich an weitere Verschwiegenheitserklärungen über den bayerischen Verfassungsschutz hinaus halten müsse, sagte er: "Keine Antwort." Später äußerte sich D. in einer turbulenten und teilweise auch sehr lauten Zeugenbefragung dann doch zu zahlreichen Fragen - wurde aber auch mal von einem Vertreter des Innenministeriums gebremst: "An der Stelle würden wir auf die geheime Sitzung verweisen."

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