Beispielbild: Wasserpumpe an einem Flussufer in Unterfranken.
Bildrechte: BR/Jürgen Gläser

Wasserentnahme-Stelle in Unterfranken – wissen die Behörden, wie viel Wasser hier jedes Jahr abgepumpt wird?

Per Mail sharen
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Nach Recherche: Ministerium ringt um Klarheit bei Wasserentnahme

Vergangenes Jahr berichteten "Main-Post" und BR über Kontrolldefizite und Datenlücken bei Wasserentnahmen in Unterfranken. Das Thema landete im Landtag. Das Umweltministerium erstellte einen Bericht – und kämpft ebenfalls mit der Datenlage.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Das sechsseitige Schreiben des Umweltministeriums beginnt mit einer Vorbemerkung. Inhalt: Die Zuständigkeiten der bayerischen Behörden, wenn es um Wasserentnahmen geht. Zuständig sind hauptsächlich Landratsämter, Rathäuser und Wasserwirtschaftsämter. Zwischen denen gebe es "Divergenzen", es wird von einem "immensen, unverhältnismäßigen Aufwand" berichtet.

Kurzum: Dem Bayerischen Umweltministerium fällt es offensichtlich schwer, den Mitgliedern des Landtags einen genauen Überblick über Wasserentnahmen zu verschaffen. Auslöser für die Debatte war eine gemeinsame Recherche des BR mit der Tageszeitung "Main-Post".

CSU und Freie Wähler forderten Bericht zu Wasserentnahme

Im Mai 2023 berichtete das Rechercheteam über Kontrolldefizite und Datenlücken bei der Wasserentnahme in Unterfranken. Der Regierungsbezirk gilt als Region mit vergleichsweise wenig Niederschlag. In besonders trockenen Jahren haben Behörden bereits zum Wassersparen aufgerufen. Gleichzeitig dürfen Industriebetriebe, Sportvereine oder auch Landwirte Wasser kostenlos aus Boden und Fließgewässern pumpen. Dafür benötigen sie lediglich eine Erlaubnis.

Wie viele dieser Genehmigungen es gibt, dazu war öffentlich wenig bekannt. Ebenso wenig, dass die Kreisverwaltungsbehörden in Unterfranken vielfach nicht wussten, wie viel Wasser tatsächlich aus Boden und Flüssen gepumpt wurde.

Die Veröffentlichung der Recherche sorgte im Bayerischen Landtag für Diskussionen. Ein Antrag von Abgeordneten der CSU und Freien Wähler erhielt eine Mehrheit. Darin hieß es: BR und "Main-Post" hätten "die teilweise Unkenntnis der Behörden bei der Entnahme von Wasser in der Region Unterfranken unterstellt". Die Staatsregierung solle für Klarheit sorgen. Nun liegt der Bericht des Umweltministeriums vor.

Daten nur in "händischer Recherche" zu ermitteln

Eine "umfassende Datenbasis" hatten sich die Antragssteller erhofft. Tatsächlich befinden sich in dem Schreiben mehrere Zahlen, die einen grundlegenden Überblick über privatnützige Wasserentnahmen in Unterfranken geben. Allerdings räumt das Ministerium ein, "dass die notwendigen Daten derzeit nicht in automatisiert abfragbarer Form vorliegen". Sie sind also nur in "händischer Recherche" bei unterschiedlichen Behörden zu ermitteln.

BR und "Main-Post" hatten darauf in ihrer Berichterstattung mehrfach hingewiesen: In Bayern gibt es kein zentrales Register, in dem alle Wasserentnahmen einsehbar sind. Wer wo wie viel Wasser kostenlos aus Boden oder Flüssen pumpen darf, kann nicht ohne weiteres eingesehen werden. In Niedersachsen zum Beispiel sind diese Informationen online, frei zugänglich. Das Bayerische Umweltministerium benötigte somit mehr als ein halbes Jahr für die Fertigstellung des Berichts. Drei Monate waren ursprünglich geplant.

Ministerium veröffentlicht ähnliche Zahlen

Trotz der Schwierigkeiten bei der Erhebung: Die Zahlen, die das Ministerium nun veröffentlicht, decken sich in wesentlichen Teilen, mit denen, die BR und "Main-Post" recherchiert hatten. Etwa 1.780 privatnützige Wasserbescheide zählt das Ministerium für das Jahr 2022. Basis dafür waren Abfragen bei den Kreisverwaltungsbehörden.

Dort hatte auch das Rechercheteam vor etwa einem Jahr angefragt, mit dem Ergebnis: 1.886 Entnahmen im Jahr 2022, die Trinkwasserversorger ausgenommen. Außerdem spricht das Ministerium für 2022 von einer genehmigten Entnahmemenge in ganz Unterfranken von 214,9 Millionen Kubikmeter aus Boden und Flüssen. BR und "Main-Post" kamen auf eine nur minimal niedrigere Zahl: 213,9 Millionen Kubikmeter.

Bericht äußert sich nicht zu Datenlücken

Wozu sich das Ministerium in seinem Bericht aber überhaupt nicht äußert, sind die Datenlücken, auf die BR und "Main-Post" gestoßen sind. Bei der Mehrzahl der Bescheide konnten die Kreisverwaltungsbehörden dem Rechercheteam lediglich genehmigte Wassermengen nennen – nicht jedoch, wie viel Wasser tatsächlich abgepumpt wurde. Obwohl Verbraucher in der Regel verpflichtet sind, jährlich zu melden, wie viel Wasser sie benötigt haben.

Grafik: Welche Wassermenge haben die Behörden nicht kontrolliert?

Ein Beispiel: Im Bericht steht, dass die Grundwasserentnehmer grundsätzlich zwei Drittel ihrer genehmigten Menge auch tatsächlich aus dem Boden holen. Das Ministerium schreibt jedoch nicht, für wie viele Entnehmer diese Informationen überhaupt vorliegen. Das wäre wichtig, um zu wissen, wie aussagekräftig und belastbar die genannte Zahl ist. Nach den Recherchen von BR und "Main-Post" haben fast die Hälfte der Grundwassernutzer für das Jahr 2021 nicht gemeldet, wie viel Grundwasser sie tatsächlich genutzt haben.

SPD und Grüne fordern Aufklärung

Bereits wenige Tage nach Fertigstellung sorgt der Bericht des Ministeriums bei SPD und Grünen im Bayerischen Landtag für Kritik. Von einem "Datenchaos" bei den Wasserwirtschaftsbehörden spricht der unterfränkische SPD-Abgeordnete Volkmar Halbleib: "Deswegen hat man kaum einen Überblick über die tatsächlichen Wasserentnahmen. Was die einen aufschreiben, haben die anderen nicht in ihren Akten." Das mache es schwierig, passende Maßnahmen zu treffen, um Grundwasserkörper und Fließgewässer zu sichern.

SPD und Grüne hatten ab Mai 2023 im Umweltausschuss Druck gemacht. Sie forderten Aufklärung und Maßnahmen. Ihre Anträge erhielten keine Mehrheit. Doch reagierten CSU und Freie Wähler, indem sie den Bericht forderten, der nun vorliegt. "Letztlich wundert es mich, dass man dafür ein halbes Jahr braucht. Eine tiefere, neue Erkenntnis steckt nicht drin", sagt der Würzburger Grünen-Abgeordnete Patrick Friedl. Er spricht von "Intransparenz" – und fordert unter anderem mehr Personal für die bayerischen Wasserwirtschaftsämter.

Glauber: Stellen und Mittel reichen nicht aus

Mehr Mittel und Personal für die bayerische Wasserwirtschaft wünscht sich auch Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler). "Es wird jedoch zunehmend deutlich, dass die vorhandenen Stellen und Mittel nicht ausreichen", schrieb Glauber wenige Tage vor der Landtagswahl in einem Ministeriumsbericht. In dem Schreiben schätzte er den jährlichen Finanzierungsbedarf auf bis zu 560 Millionen Euro und etwa 500 Stellen. Diese seien notwendig, um den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen.

In dem frisch veröffentlichten Bericht zu Wasserentnahmen in Unterfranken kündigt das Ministerium außerdem erste Maßnahmen an. So verweist es auf ein Pilotprojekt, das derzeit im Landkreis Würzburg geplant ist: Dort sollen ab diesem Jahr Funkzähler getestet werden, um damit landwirtschaftliche Beregnungsanlagen zu erfassen. Außerdem will das Ministerium ein digitales Wasserbuch einführen. Die Beamten erhoffen sich "bessere Erkenntnisse für die Bewirtschaftung der Gewässer". Welche Daten aber darin erfasst werden sollen – und ob das Register frei zugänglich sein wird? Auf Nachfrage bleibt das offen.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!