Konditor Youssoupha Sonko
Bildrechte: Peter Barth

Youssoupha Sonko arbeitet in der Konditorei Weißenbeck in Dachau als Konditor

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Keine Panik vor Flüchtlingen: Was Hebertshausen anders macht

Die Solidarität in der Bevölkerung gegenüber Flüchtlingen bröckelt, das zeigt der aktuelle ARD-Deutschlandtrend. Viele Kommunen sind überlastet. Doch nicht überall herrschen Überforderung und Abwehrhaltung. Ein Beispiel aus dem Landkreis Dachau.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Immer mehr Menschen stehen Flüchtlingen mittlerweile skeptisch oder ablehnend gegenüber. Jeder Zweite in Deutschland findet, dass zu viele fremde Menschen nach Deutschland kommen und fürchtet negative Auswirkungen auf die deutsche Kultur und Sprache. Das sind die Ergebnisse des jüngsten ARD-Deutschlandtrends. Viele Kommunen fühlen sich überlastet. Hebertshausen im Landkreis Dachau zeigt aber: Es geht auch anders. Derzeit leben in der 6.000-Einwohner-Gemeinde knapp 170 Menschen in Asylunterkünften. Der Ort hatte zeitweise fünfmal mehr Geflüchtete aufgenommen als er müsste. Überforderung? Fehlanzeige.

In Hebertshausen herrscht keine Überforderung

Dass in Hebertshausen die Stimmung gegenüber Asylbewerbern insgesamt gut ist, ist unter anderem einem engagierten Helferkreis zu verdanken. Peter Barth ist der Koordinator. Sein Erfolgsrezept: die Menschen so gut wie möglich zu integrieren, vor allem durch Sprache und Arbeit. "Ich spreche so viel über Arbeit, weil mein Weg, wo ich helfen kann, einfach die Sprach-, Ausbildungs- und Arbeitsvermittlung ist."

Der Ehrenamtliche ist bei vielen Betrieben im Landkreis Dachau bekannt. Unternehmen würden bei ihm sogar anrufen, wenn sie einen Lehrling oder eine Arbeitskraft suchten, erzählt Barth. Das Vorurteil, viele Flüchtlinge wollten nicht arbeiten, stimmt seiner Erfahrung nach nicht. Fast alle Geflüchteten, die Barth in den vergangenen zehn Jahren betreut hat – und das sind laut seinen Schätzungen rund 300 – hätten das Gegenteil bewiesen. Das Problem seien eher Arbeitsverbote und die vielen bürokratischen Hürden, die es Flüchtlingen schwer machten.

Großer Rückhalt in der Bevölkerung

Nicht nur der Helferkreis, auch Bürgermeister Richard Reischl versucht, die Flüchtlinge so gut wie möglich in seiner Gemeinde zu integrieren. Seine Strategie: Der CSU-Politiker schürt keine Panik, wenn wieder 50 neue Asylbewerber mit einem Bus in seiner Gemeinde ankommen, sondern er plädiert für Menschlichkeit.

Von Anfang an hat er die Hebertshausener in seine humane Flüchtlingspolitik mit einbezogen, hat Bürgerinformationen veranstaltet und sich mit den Bedenken und Ängsten der Menschen auseinandergesetzt – nach dem Motto: Wir schaffen das! Er sieht aber auch, dass die Aufnahme- und Akzeptanz-Kapazitäten in seiner Gemeinde nicht unendlich sind. Bisher herrscht allerdings großer Rückhalt in der Bevölkerung. Die AfD hat bei der Landtagswahl vergangenes Jahr 10,4 Prozent im Ort geholt, das Ergebnis ist unter dem bayernweitem Durchschnitt.

Flüchtlinge fühlen sich integriert

Viele Flüchtlinge fühlen sich integriert und arbeiten in Betrieben im Landkreis. Sogar wenn ein Arbeitsverbot besteht, gehen sie einer ehrenamtlichen oder gemeinnützigen Tätigkeit nach, zum Beispiel auf dem örtlichen Bauhof.

Die Flüchtlinge sind froh über das große Engagement von Bürgermeister und Helferkreis. Youssoupha Sonko aus dem Senegal ist vor elf Jahren nach Hebertshausen gekommen und hat in Dachau eine Ausbildung zum Konditor gemacht. "Ich hätte ohne die Hilfe des Helferkreises keinen Ausbildungsplatz gefunden. Muss man auch dankbar sein. Die haben uns richtig geholfen."

Forschung: Hilfe von Ehrenamtlichen bei Integration zentral

Und genau hier liegt der Knackpunkt. Tanja Evers von der Universität Eichstätt forscht seit Jahren zum Thema Ehrenamt. Ihr Fazit: Die Ehrenamtlichen spielen eine ganz zentrale Rolle bei der Integration. "Sie sind wie eine Art Scharnier zwischen der Politik und der privaten Lebenswelt." Sie böten Unterstützung an, wenn es am nötigsten sei. Allerdings übernehme das Ehrenamt im Prinzip Aufgaben, die streng genommen von einem Hauptamtlichen übernommen werden müssten, die eigentlich zur Regelversorgung eines Sozialstaats gehörten. Je länger Geflüchtete bei uns seien, desto komplexer würden die Aufgaben, so Evers – zum Beispiel die Vermittlung in Arbeit. Oft kämen die Ehrenamtlichen dann an ihre Grenzen.

Auch Peter Barth vom Helferkreis in Hebertshausen kommt immer wieder an seine Grenzen. Trotzdem: Für ihn und auch die Gemeinde zahlt sich seine Arbeit aus. Weil Flüchtlinge hier nicht als Problem, sondern als Chance gesehen werden.

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