Stühle stehen auf Tischen in einem Klassenraum.
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Unterrichtsausfall: Grund- und Mittelschulen unter Druck

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Lehrermangel: Warum sich an manchen Schulen nichts ändert

Noch nie gab so einen großen Personalmangel an Bayerns Grund- und Mittelschulen. Die Wochenstunden ganzer Klassen werden teilweise reduziert, selbst Erstklässler nach Hause geschickt. Wie kann das sein? Eine Analyse vom BR-Politikmagazin Kontrovers.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Die Grund- und Mittelschule Isen im Landkreis Erding wird gerade renoviert, zusätzlich entsteht ein Anbau mit viel Platz für neue Klassenzimmer. Eigentlich könnte sich Schulleiter Michael Oberhofer also freuen. Wäre da nicht das Problem, dass er viel mehr Lehrkräfte bräuchte, die in diesen Klassenzimmern unterrichten. Schon jetzt ist der Personalmangel an seiner Schule enorm berichtet er im BR-Politikmagazin Kontrovers.

"Letzten Mittwoch hat es uns richtig erwischt. Da wurden insgesamt drei Klassen zusammengelegt, das heißt, aus zwei Achten wurde dann eine Achte, aus zwei Neunten wurden eine Neunte. Ein anderer Kollege ist über Stockwerk rauf und runter gelaufen, um zwei Klassen gleichzeitig zu unterrichten. Das ist, was kein Schulleiter will, die Lehrer nicht wollen. Und auch ganz sicher die Eltern nicht wollen." Michael Oberhofer, Schulleiter

Der Lehrermangel an den bayerischen Grund- und Mittelschulen ist ein massives Problem, nicht nur im Moment, sondern auch in absehbarer Zukunft. Laut der aktuellen Lehrerbedarfsprognose des Bayerischen Kultusministeriums entspannt sich die Personalknappheit an Bayerns Grundschulen erst ab dem Jahr 2025. Für die Mittelschulen zeichnet der Bericht ein düsteres Bild: In den kommenden Jahren fehlen jährlich 200 bis 300 Lehrkräfte, die eigentlich neu eingestellt werden müssten, um den Personalmangel zu beheben. Ab dem Jahr 2027 klafft die Lücke zwischen Bedarf und tatsächlichem Angebot an neuen Lehrkräften noch weiter auseinander.

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Grafik: Einstellungssituation an der Mittelschule

Zahl der Studierenden für Lehramt Mittelschule sinkt seit Jahren

Ein Grund für den Personalmangel ist die sinkende Zahl an Lehramtstudierenden. Während 2017 noch 1.460 Studierende im ersten Fachsemester für die Mittelschule eingeschrieben waren, wählten 2021 nur noch 551 junge Menschen diesen Ausbildungsweg. Ein Grund dafür könnte sein, dass hier im Vergleich zu Gymnasium oder Realschule deutlich schlechter bezahlt wird.

"Es geht um eine gerechte Bezahlung", glaubt auch Elke Fannasch, Schulleiterin an der Grundschule Unterschleißheim. An ihrer Schule hat ein krankheitsbedingter Personalengpass den Start ins neue Schuljahr ebenfalls reichlich holprig werden lassen. Es waren so viele Lehrkräfte krank, dass eine erste Klasse komplett zuhause bleiben musste.

Fehlende mobile Reserven, die Unterrichtsausfall abfedern

Eigentlich gibt es für solche Notsituationen die sogenannte mobile Reserve, also Lehrkräfte, die als Springer an Schulen kommen, wo Personalnot herrscht. In der Praxis funktioniert das mehr schlecht als recht. "Wir haben zwar mobile Reserven bekommen, aber zu wenige, um alle Klassen zu versorgen“, sagt Schulleiterin Fannasch. Wie viele solcher mobilen Reserven derzeit überhaupt einsatzbereit sind, kann das Bayerische Kultusministerium auf Nachfrage von Kontrovers nicht beantworten.

"Ich bin Schulleiter, aber kein Mediziner"

Verschärfend hatte sich zuletzt ausgewirkt, dass schwangere Lehrerinnen nicht in die Schule durften, um sie vor Covid-19 zu schützen. Das soll nun wieder möglich sein, wenn die Lehrerinnen das möchten. Für die Schulen bedeutet das allerdings: Mehr Bürokratie. Schulleiter Michael Oberhofer hat eine 68-seitige Ergänzungscheckliste zur Gefährdungsbeurteilung bekommen. Er soll jetzt für jede schwangere Lehrerin ein Gefährdungsprofil erstellen. Nicht nur, dass er wie alle Rektoren reichlich spät informiert wurde, er fühlt sich auch überfordert: "Ich bin mit Leib und Seele Schulleiter, aber kein Mediziner."

Jeder zweite Lehrer in Bayern arbeitet Teilzeit

Mehr Lehrkräfte in Vollzeit statt in Teilzeit, auch das würde helfen, den Personalmangel an Bayerns Schulen zu mildern. Denn: Jeder zweite Lehrer in Bayern arbeitet in Teilzeit. Zuletzt hatten sowohl Kultusminister Piazolo als auch Ministerpräsident Söder öffentlich an die bayerische Lehrerschaft appelliert, ihre Teilzeitarbeit wenn möglich aufzustocken.

Verbeamtete Lehrer haben beträchtlich länger als andere Arbeitnehmer ein Recht auf familienpolitische Teilzeit, nämlich bis zum 18. Geburtstag des letzten Kindes. Häufig bedeutet das, dass Lehrkräfte in Teilzeit deutlich weniger als 20 Stunden pro Woche arbeiten. Die familienpolitische Teilzeit erlaubt es sogar, die Arbeitszeit auf lediglich acht Stunden pro Woche zu reduzieren. Davon machen viele Lehrerinnen Gebrauch. "Wir animieren natürlich, die Teilzeit zu erhöhen", sagt der Kultusminister im Interview mit Kontrovers. Gleichzeitig sorgt diese großzügige Teilzeitregelung aus Sicht von Piazolo dafür, dass viele Frauen mit Kindern in den Lehrberuf einsteigen.

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Grafik Einstellungssituation an der Mittelschule