Stühle stehen in einem Klassenzimmer in einer Grundschule auf den Tischen.
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Immer häufiger muss Unterricht wegen Schulkräftemangel ausfallen.

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Mit Headhuntern und höheren Gehältern gegen den Lehrkräftemangel

Bis Ende 2030 werden voraussichtlich mehr als 30.000 Lehrkräfte in Deutschland fehlen. Einige Experten gehen von einer noch höheren Zahl aus. Welche kreativen Ansätze gibt es, um dem Lehrermangel zu begegnen? Ein Bundesland setzt auf Headhunter.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

30.000 Lehrerinnen und Lehrer fehlen laut dem Nationalen Bildungsbericht der Kultusminister-Konferenz bis Ende des Jahrzehnts. Einige Experten gehen von weitaus höheren Zahlen aus. Dirk Zorn, der sich für die Robert Bosch Stiftung mit Themen rund um Bildungseinrichtungen beschäftigt, hält die Prognosen für sehr optimistisch: "Das sind letztlich nur berichtete Zahlen der Kultusministerkonferenz, keine eigenständigen Berechnungen der Wissenschaftler des Bildungsberichts."

Für zuverlässiger hält er die Zahlen des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE). Laut dem VBE fehlen bis 2030 mindestens 81.000 Lehrkräfte.

Immer häufiger leere Klassenzimmer

Dass es zu Unterrichtsausfällen in den Schulen kommt, ist keine Neuheit. Doch durch fehlendes Personal, unter anderem auch aufgrund von Corona-Infektionen, stehen die Klassenzimmer immer häufiger leer. Eine Lösung dafür könnte Springer-Personal sein, also Lehrkräfte, die als Vertretung flexibel eingesetzt werden können, meint Bernhard Schmidt-Hertha. Er betreut an der Ludwig-Maximilians-Universität in München den Lehrstuhl für Allgemeine Pädagogik und Bildungsforschung: "Es wäre eine sehr sinnvolle politische Strategie diese Springerkräfte weiter aufzustocken, aber im Moment gibt das der Arbeitsmarkt nicht her."

Mehr Geld für Lehrerinnen und Lehrer in Berlin

In Berlin ist der Mangel besonders schlimm. Immer häufiger stehen dort Quereinsteiger vor den Klassen, die kein Lehramtsstudium abgeschlossen haben. Im Schuljahr 2021/2022 machten sie laut der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) mit 60 Prozent die Mehrheit aus. Deshalb hat die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie in Berlin die Gehälter jetzt angehoben – auf 5.700 Euro brutto. Ein angehender Professor bekommt etwa 1.000 Euro weniger. Außerdem bekommen Lehrkräfte an der Mittelschule und Grundschule genauso viel Geld wie an anderen Schulen. In Bayern ist das nicht der Fall. Berlin will in Zukunft auch wieder vermehrt auf Verbeamtungen setzen, um den Beruf attraktiver zu machen.

Doch ist mehr Geld der richtige Ansatz, um qualifiziertes Personal zu finden? Vor allem für den Nachwuchs spielt es eine Rolle, findet Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV): "Momentan erleben wir eine Generation an jungen Menschen, die sehr wohl darauf schaut, was sie in einem bestimmten Beruf verdient. Natürlich bringt uns alles etwas, was junges, qualifiziertes Personal in die Schulen bringt."

Auch Headhunter im Einsatz

Ein weiterer Ansatz, um die offenen Stellen zu besetzen, kommt aus Sachsen-Anhalt. Dort werden Headhunter eingesetzt, um Personal zu finden. Headhunter sind darauf spezialisiert, passende Personen für Stellen zu finden, die nur schwer zu besetzen sind. Elmer Emig, Pressesprecher des Ministeriums für Bildung in Sachsen-Anhalt, erklärt die Idee hinter dem Projekt: "Der Fachkräftemangel betrifft ja fast alle Bereiche, so auch den Bereich Schule. Deswegen musste eine gewisse Art von Kreativität her, um diesem Problem zu begegnen."

Die Recruiting-Agenturen haben bislang 500 potenzielle Kandidaten angesprochen – sowohl im Inland als auch im Ausland. 60 von ihnen haben einen Arbeitsvertrag beim Land Sachsen-Anhalt unterschrieben und 50 Lehrkräfte davon stehen bereits in den Klassenzimmern und unterrichten.

Die Lehrer aus dem Ausland müssen deutsch sprechen und das mit dem Sprachniveau B2 belegen können. In Deutschland angekommen, müssen sie das allerdings durch Weiterbildungen auf ein C1 Niveau verbessern. Eine pädagogische Ausbildung ist nicht zwingend notwendig. Außerdem absolvieren sie einen vierwöchigen Einführungskurs und berufsbegleitende Qualifizierungsmaßnahmen.

Personal aus dem Ausland fördert die Diversität

Den Einsatz von ausländischem Personal schätzt der Bildungswissenschaftler Bernhard Schmidt-Hertha als positiv ein: "Vor dem Hintergrund, dass die Anzahl der Kinder mit Migrationshintergrund in den Klassen zunimmt, sollte eine stärkere interkulturelle Diversität selbstverständlich sein."

Auch die Erfahrungen sprechen laut Emig, Pressesprecher des Bildungsministeriums in Sachsen-Anhalt, für sich. Deshalb soll die Kampagne auch in Zukunft fortgesetzt werden: "Für das Jahr 2023 sollen für das Projekt eine Million Euro zur Verfügung gestellt werden. Allerdings ist das noch nicht final vom Landtag beschlossen, aber die Zeichen stehen dann doch eher auf Grün als auf Rot."

Auf Anfrage teilte das Bayerische Kultusministerium mit, dass der Einsatz von Headhuntern für das Anwerben vom Lehrkräften aktuell nicht geplant sei. Allerdings sei das bayerische Schulsystem grundsätzlich offen für den Einsatz von ausländischem Personal.

An attraktiveren Arbeitsbedingungen führt kein Weg vorbei

Neben dem Einsatz von Headhuntern und besserer Vergütung gibt es noch weitere Vorschläge, um den Lehrermangel anzugehen. So könnten ansässige Vereine den Sportunterricht übernehmen, um das Schulpersonal zu entlasten. Außerdem könnten Lehramtsstudenten früher unterrichten als bisher üblich.

In einer Umfrage der Robert Bosch Stiftung gaben 60 Prozent der Unterrichtenden an, dass sie sich in der arbeitsfreien Zeit nicht ausreichend erholen könnten. Deshalb sei es laut Dirk Zorn wichtig, die bereits vorhandenen Lehrkräfte zu entlasten, zum Beispiel durch mehr Verwaltungspersonal.

Auf lange Sicht sei es aber vor allem wichtig, das Ansehen des Lehrberufs wieder zu verbessern. Simone Fleischmann vom BLLV fasst zusammen: "Wir brauchen vor allem wieder attraktive Arbeitsbedingungen, damit mehr Kolleginnen und Kollegen studieren." Die Kinder seien es wert.

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