Ein Wiesenstreifen schützt diesen Bach bei Eysölden im Landkreis Roth vor Boden-Erosionen aus dem Maisfeld. Trotzdem geht es dem Bach nicht gut.
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Ein Wiesenstreifen schützt diesen Bach bei Eysölden im Landkreis Roth vor Boden-Erosionen aus dem Maisfeld. Trotzdem geht es dem Bach nicht gut.

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LBV: Bayerns Bäche brauchen Schatten und Kurven

Seit dem Bienen-Volksbegehren hat sich für Bayerns Bäche bereits einiges verbessert. Gewässerrandstreifen sollen Bäche vor Erosionen und Dünger schützen. Naturschützer fordern noch mehr Schatten und Kurven: Renaturierung müsse Chefsache werden.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Franken am .

Die gute Nachricht für Bayerns Bäche kommt zuerst. Immer mehr Landwirte lassen neben dem Bach ein Stück Wiese stehen. Sie richten entlang von Bächen die gesetzlich vorgeschriebenen Gewässerrandstreifen ein, die fünf Meter breit sein sollen. Das Gras soll die Bäche vor Erosionen schützen. Bei starkem Regen hält dieses Stück Wiese Erdreich und Dünger zurück. Vor vier Jahren trat das Gesetz in Kraft, das eine der Forderungen des Volksbegehrens "Rettet die Bienen" umsetzt. Doch als sinnvolle Maßnahme gegen Trockenheit und Hochwasser gäbe es noch viel mehr zu tun, so der Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV).

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Gewässerrandstreifen schützen Bäche vor Erosionen

Der LBV fordert, in Bayern 10.000 Kilometer Bachläufe zu verbessern. "Gerade die kleinen Bäche brauchen mehr Aufmerksamkeit durch die Politik", sagt der LBV-Vorsitzende Norbert Schäffer. "Das Renaturieren von Bächen muss Chefsache werden." Renaturierung bedeutet, dass Bäche wieder Kurven bekommen und aus unterirdisch verlaufenden Rohren hervorgeholt werden. "Kleine Fließgewässer sind das Frühwarnsystem unserer Landschaft", sagt Schäffer, "und es ist beängstigend, dass immer mehr dieser Bäche austrocknen." Mit Renaturierungsmaßnahmen könnte man mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen.

Kerzengerader Bach voller Schlamm

Gewässerökologin Malvina Hoppe zeigt ein Beispiel, einen typischen Bach bei Eysölden im Landkreis Roth. Die Roth verläuft kerzengerade zwischen Feldern. Rohrkolben zeigen an, dass der Boden gut gedüngt ist und es viel Licht gibt. Nur ein kleines Rinnsal läuft über sandigen Bachgrund. Mit einem Stock versucht sie, den festen Untergrund des Bachlaufs zu erreichen. Rund 60 Zentimeter schwarzer Schlamm kommen zum Vorschein. Über Jahrzehnte wurden bei starkem Regen Sediment und landwirtschaftliche Nährstoffe in den Bach geschwemmt, sagt sie. "Wenn diese Nährstoffe hier abgebaut werden, kostet das Sauerstoff. Und der fehlt für Organismen, die eigentlich in einem Bach leben würden."

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Mehr Kurven für Bayerns Bäche

Bei den sich verändernden klimatischen Bedingungen spielen die kleinen Bäche eine wichtige Rolle. Nach den Prognosen wird es immer längere Trockenphasen und immer heftigeren Regen geben. Es geht also darum, wertvolles Wasser am schnellen Wegfließen zu hindern. Und im anderen Fall, viel Wasser auf einmal bestmöglich aufzufangen. Ein gerader Bach zwischen zwei Dörfern hat zum Beispiel etwa drei Kilometer Länge, ein kurviger Bach vielleicht neun Kilometer. Und in neun Kilometer Bachlauf passen viele Kubikmeter mehr Wasser, als in einen geraden.

Gerade Bäche: Ergebnis der Politik früherer Jahrzehnte

Die kleine Gemeinde Büchenbach im Landkreis Roth hat in den vergangenen Jahren ihren Dorfbach aus den Rohren geholt. Ein schöner Fahrrad- und Spazierweg entlang des Bachlaufs verbindet jetzt zwei Ortsteile. "Die geraden Bäche sind ein Ergebnis der Politik der 1960er Jahre", sagt der Bürgermeister der Gemeinde, Helmut Bauz. "Man wollte damals Platz für die landwirtschaftliche Nutzung schaffen." Die staatlichen Wasserwirtschaftsämter förderten den Bau, sehr oft wurden Betonplatten eingesetzt. "Man sieht inzwischen, dass das ein Fehler war", sagt Bauz. Doch die Rolle rückwärts ist aufwändig.

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Renaturierung eines Dorfbachs kostet Geld und Nerven

Büchenbach hat nicht nur den Bachlauf neu gestaltet, sondern gleich eine Art Park angelegt. Dafür musste die Gemeinde die Grundstücke von 20 Landwirten übernehmen. "Wir haben in den letzten 15 Jahren 20 Verträge über Grundstückskauf oder -tausch geschlossen", so Bürgermeister Bauz. "Das bedeutet Arbeit für die Verwaltung."

Heute sind alle glücklich über das Ergebnis, bei einer Ortsbegehung erntet der Bürgermeister Lob von allen, die den Weg nutzen. Der Spazierweg wird am Abend mit insektenfreundlichen Laternen beleuchtet. Es wurden Bäume gepflanzt, ein früheres Hochspannungshäuschen zum Insektenhotel umgebaut. Insgesamt hat die Gemeinde 1,9 Millionen Euro investiert, und davon 800.000 Euro an Fördergeldern bekommen. Doch auch dies war mühsam: alle diese Fördertöpfe zu finden und seitenlange Anträge zu schreiben.

LBV: Daten liegen vor – jetzt muss gehandelt werden

Gewässerökologin Malvina Hoppe verweist auf umfangreiches Kartenmaterial. Das Bayerische Landesamt für Umwelt hat den Zustand von rund einem Drittel der bayerischen Bäche dokumentiert. Es wird aufgeführt, ob kommunales Abwasser, frühere Industriegebiete oder andere Schadstoffe den Bach belasten. Es ist auch ersichtlich, wer für welchen Bach zuständig ist. "Das Fachwissen ist ja da", sagt Hoppe. "Es müsste nur dringend gehandelt werden." Die sogenannte Europäische Wasserrahmenrichtlinie der EU hat Umweltziele bis zum Jahr 2027 vorgegeben. "Stand heute wird der Freistaat Bayern diese deutlich verfehlen", so der LBV-Vorsitzende Norbert Schäffer.

LBV fordert: Bäche müssen Chefsache werden

Sollte der Freistaat Bayern diese Ziele verfehlen, droht ein Vertragsverletzungsverfahren. Bayern müsse daher ohnehin die Anstrengungen für die Qualität seiner Gewässer vervielfachen, so der LBV. "Die Staatsregierung sollte aber auch aus eigenem Interesse das Thema zur Chefsache machen." Wer Bäche renaturiert, tut etwas gegen Trockenheit, gegen Hochwasser und gleichzeitig gegen das Artensterben.

Der Jordangraben
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Seit den 1960ern floss der Jordangraben kerzengerade durch Büchenbach. Nun wurde der Bach dort weitgehend renaturiert.

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