Fischmangel: Wie retten wir unsere Flüsse?
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Gewässerökologe Gerald Zauner präsentiert einen Fisch

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Fischmangel in Bayerns Flüssen: Dringender Handlungsbedarf

Der Fischbestand in vielen Flüssen Bayerns schwindet drastisch. Die Gründe: kaum flache, verzweigte Kiesstellen, die Jungfische aber dringend bräuchten. Doch es gibt eine Lösung, sind sich Experten einig. Nur: Die ist aufwendig und teuer.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Hatten Bayerns Flüsse einst ein reiche Artenvielfalt zu bieten, sieht die Lage heute deutlich schlechter aus. "Es sind die gesamten Fischbestände in ihrer Quantität deutlich zurückgegangen," sagt Gewässerökologe Gerald Zauner. Er berät mehrere Wasserwirtschaftsämter in Bayern und zeigt den Reportern von Kontrovers – Die Story heute eine Stelle, wo man früher eine Vielzahl von Fischen angetroffen hätte: Ein Isar-Abschnitt im Landkreis Dingolfing-Landau.

Schon ein Blick auf das Wasser, den Flusslauf und das Ufer reicht Zauner: Keine Flachwasser-Bereiche, keine kiesigen Zonen zu sehen. "Das sind Elemente, die ein Fisch in den ersten Lebenstagen und Lebensmonaten braucht. Und das finden wir hier nicht mehr," so der Gewässerökologe. Vereinzelte Fische gibt es zwar auch hier noch, doch für diesen Flussabschnitt ist das laut Zauner höchstens "der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein."

Isar für Fische stellenweise nicht lebensfreundlich

Ein Vergleich mit einer Karte der Isar aus dem 19. Jahrhundert zeigt die Veränderungen besonders eindrücklich. Um die Flächen für Landwirtschaft, Forstwirtschaft und auch Siedlungen zu nutzen wurden viele Flüsse in Bayern eingeengt.

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Isar im 19. Jahrhundert

Wasserkraftwerke liefern zwar emissionsfreie Energie - in deren Turbinen sterben aber auch immer wieder Fische. Außerdem behindern die regelmäßigen Stauungen das Wandern der Fische und die natürliche Kiesabtragung.

Fischökologe zu Fischmangel: "Eine Spirale, die nach unten geht"

Die für den Menschen veränderte Flusslandschaft stellt jedoch das Ökosystem Fluss vor ein massives Problem, für Gerald Zauner wäre die Entwicklung schon jetzt abzusehen: "Wenn man es lässt, wie es ist, dann wird die Situation für die Fische einfach sukzessive noch schlechter. Es ist eine Spirale, die nach unten geht." Durch die Schlauchform und die steilen Ufer des Flusses ist ein Laichen für viele Fische hier nicht mehr möglich. In der Isar eigentlich heimische Fische wie der Huchen sind deshalb bereits stark zurückgegangen. Stattdessen bieten die Flussbedingungen zugewanderten Fischarten wie Grundeln aus dem Schwarzen oder Kaspischen Meer eine Lebensgrundlage. Sie drohen, heimische Fischarten zu verdrängen. Zauner sieht dringenden Handlungsbedarf - aber auch Möglichkeiten, etwas zu machen.

Artenhilfsprogramm an der Isar: "Besatz"

Um das zu ändern, setzt das bayerische Landesamt für Umwelt unter anderem auf das Aussetzen von heimischen Fischarten, die zuvor gezüchtet worden sind. Rund 10 bis 15 Mal im Jahr setzen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besonders gefährdete Fischarten in heimischen Gewässer aus. Allein im Jahr 2022 hat das Umweltamt etwa 60.000 bedrohte Fische und Krebse ausgesetzt, um EU-Vorgaben zum Artenschutz zu erfüllen.

Der Gewässerökologe Dominik Bernrolle vom Landesamt versucht unter anderem, den Frauennerfling in der Isar wieder anzusiedeln - ein Artenhilfsprogramm.

Für diesen sogenannten Fischbesatz braucht es jedoch die richtigen Bedingungen: Bernrolle prüft den Zeitpunkt und Ort sowie die Wassertemperatur an der Isar genau, damit möglichst viele Fische eine möglichst große Chance haben zu überleben. Unterscheidet sich etwa die Wassertemperatur der Isar zu stark von der den Fischen bislang bekannten Temperatur, könne es passieren, dass die sogenannte Wiederansiedlung misslingt: "Die fallen wirklich um und sind dann auch unter Umständen tot."

Im Video: Fischmangel: Wie retten wir unsere Flüsse? Kontrovers - Die Story

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Isar-Flussverlauf heute

Wiederansiedlung nur "punktuelle Maßnahme"

Für heute plant Dominik Bernrolle mit seinem Team 3.000 Fische in die Isar einzusetzen. Zwischen einem und zwei Jahren sind sie alt, wurden in einer Zuchtanlage großgezogen. Dominik Bernrolle misst die Temperatur: Kann der Besatz wie geplant stattfinden? Bernrolle misst die Temperatur und vergleicht: Der Unterschied zwischen der Isar und dem Wasser in den Behältern der Fische beträgt lediglich ein Grad - gute Voraussetzungen, die Fische können ins Wasser gelassen werden. Zwar merkt Bernrolle ihnen den Stress der Umsiedlung an, doch nach wenigen Augenblicken ist es bereits geschafft. "Das macht Spaß und man hat auch immer das Gefühl, man tut was Gutes," zeigt er sich erleichtert. Der Gewässerökologe freut sich bereits darauf, die Frauennerflinge zu einem späteren Zeitpunkt wiederzuentdecken.

Doch Bernrolle macht auch klar, dass das Besetzen von bedrohten Fischarten nur eine "punktuelle Maßnahme" sei, denn: "Man braucht keine Fische aussetzen, wenn das Habitat nicht passt, weil wenn der Lebensraum nicht passt, kann man die Arten nicht halten. Und dann ist man schnell bei einer Situation, in der man immer wieder besetzt, ohne Erfolg, und das macht keinen Sinn." Wie viele Fische am Ende überleben, lässt sich vorab nicht einschätzen.

Fischmangel mit Renaturierung entgegenwirken

Die Stelle, die Bernrolle für heute ins Auge gefasst hat, bietet sich theoretisch gut an: Viel Sauerstoff im Wasser, nicht zu starke Strömung und gleichzeitig ruhige Kiesflächen, ideal zum Laichen. Kein Zufall: Vor einigen Jahren wurde hier bei Ismaning eine aufwendige Renaturierung durchgeführt. In Deggendorf, etwa 120 Kilometer flussabwärts, wird derzeit die Isar in einer Renaturierungsmaßnahme in den früheren Zustand zurückversetzt. In den Sommermonaten pausieren die Maßnahmen, auch wegen des Artenschutzes.

Was es bereits gebracht hat, will Gerald Zauner heute mit dem Team von Kontrovers - Die Story prüfen: Mit einem speziellen Boot werden in unterschiedlichen Abschnitten des Flusses elektrisch Fische gefangen. Dabei werden die Fische kurzzeitig betäubt. Das Monitoring-Team wiegt sie, misst sie und lässt sie anschließend wieder frei. An begradigten Stellen in der Isar zeigt sich: Blaunasen und Aitel werden gefunden, aber Jungfische gibt es so gut wie keine. Kein überraschendes Ergebnis für den Fischökologen Zauner: "Es gibt keinen Lebensraum dafür im regulierten Flussabschnitt." Findet Zauner dabei laichende Fische, Jungfische und auch gefährdete Arten, wäre das ein gutes Zeichen für die Flusslandschaft an dieser Stelle.

Maßnahmen teuer, aufwendig und langwierig

Laut Landesamt für Umwelt wurden 2010 bis 2021 allein 420 Millionen Euro für solche Renaturierungsmaßnahmen, die Gewässerstruktur-Aufbereitung, allein in Bayern investiert. Als Positiv-Beispiel nennt Professor Zauner etwa die Renaturierung bei Landau an der Isar. Er konnte dort bereits in den ersten Monaten danach "massives Laich-Geschehen" feststellen und ist überzeugt, dass "man mittel- und langfristig davon ausgehen kann, dass sich der gesamte Fischbestand erholt." Allerdings ist die Renaturierung von Flüssen extrem aufwendig, teuer und langwierig.

Alleine in Landau an der Isar dauerten die Bauarbeiten rund acht Monate und 200.000 Kubikmeter Erde und Kies wurden bewegt. Das kostete 1,5 Millionen Euro. Angestoßen wurde die "Renaturierung" dort bereits 1991, als man die benötigten Flächen dafür sicherte. Trotzdem: Für Fischökologen wie Gerald Zauner führt kein Weg daran vorbei.

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