ARCHIV - 11.09.2018, Nordrhein-Westfalen, Essen: Eine ambulante Pflegerin hilft einem alten Mann bei der Tabletteneinnahme. Die Nachbarschaftshilfe für Pflegebedürftige wird zum neuen Jahr vereinfacht. Wer betroffene Nachbarn regelmäßig etwa bei Einkäufen, Behördengängen oder Arztbesuchen unterstützt, muss nicht mehr zwingend an einem Qualifizierungskurs teilnehmen. (zu dpa «Nachbarschaftshilfe für Pflegebedürftige wird entbürokratisiert») Foto: Jana Bauch/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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80 Prozent der Pflegebedürftigen werden daheim von ihren Angehörigen versorgt.

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Landesamt für Pflege: Lob zum Geburtstag für junge Behörde

Es ist einzigartig in Deutschland: Das Landesamt für Pflege in Amberg besteht seit fünf Jahren. Pflegende Angehörige loben das Landespflegeamt für die unbürokratische Hilfe - und eine Expertin attestiert ihm Vorbildcharakter für ganz Deutschland.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus der Oberpfalz am .

Wenn Bayern seinen Bürgerinnen und Bürgern eine Unterstützungsleistung auszahlen will, braucht es eine Behörde, die sich darum kümmert. So geschehen im Jahr 2018: Damals hatte der Landtag die Auszahlung des Landespflegegelds für pflegebedürftige Menschen beschlossen - und in Amberg entstand das Landesamt für Pflege, um dieses Geld zu verwalten. Fünf Jahre später sind die Aufgaben der Behörde gewachsen: Beschäftigte kümmern sich um sämtliche Themen rund um die Pflege und ernten damit Lob von pflegenden Angehörigen.

Ministerpräsident Söder: "Amt für Herz und Würde“

220 Mitarbeiter hat das neue Landesamt inzwischen, 350 sollen es einmal werden. Darunter sind Pflege- und Gesundheitswissenschaftler, Sozialpädagogen, Psychologen, aber auch Betriebswirte, Juristen, Informatiker, Bauingenieure, Architekten und Verwaltungsbeamte. Innerhalb weniger Monate nach der Ankündigung nahmen die ersten Mitarbeiter 2018 in Amberg ihre Arbeit auf. Bayernweite Aufgaben seien effektiv gebündelt worden, fasst Gesundheits- und Pflegeministerin Judith Gerlach (CSU) zusammen.

Zur Jubiläumsfeier am Donnerstag in Amberg kam auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der die Festrede hielt. Das Landesamt sei ein „voller Erfolg“, so Söder. Es diene der Wertschätzung der Pflege, hier werde Würde gelebt und Herzenswärme gezeigt, bedankte sich der Ministerpräsident bei den 220 Mitarbeitern.

Gesundheits- und Pflegeministerin Judith Gerlach (CSU)
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Gesundheits- und Pflegeministerin Judith Gerlach (CSU)

Ansprechpartner für Pflegepersonal und Angehörige

Das Landesamt für Pflege ist ein wichtiger Ansprechpartner für Fachpersonal, aber auch für pflegende Angehörige. Es fördert den Aufbau von Fachstellen für pflegende Angehörige fachlich und finanziell. Und es unterstützt zum Beispiel mit dem "Pflege-SOS", einer Rufnummer, unter der Angehörige anonym Missstände in Pflegeheimen melden können.

Die Amberger Behörde verwaltet und überweist das Landespflegegeld, das pflegebedürftige Menschen in Bayern erhalten. Sie vergibt Pflegestipendien und prüft ausländische Abschlüsse von Pflegekräften. Zudem haben die Mitarbeitenden den bayerischen Demenzfonds aufgebaut und unterstützen Kommunen, die Strukturen für Pflege und Demenz aufbauen oder ausbauen wollen.

In den ersten fünf Jahren seien bereits 2,3 Milliarden Euro an Landespflegegeld ausbezahlt worden, so Söder. Die Investitionen ins Herz seien "genau das Richtige, was wir weiterhin tun sollten“, versprach der Ministerpräsident.

Angehörige loben unbürokratische Hilfe

Das Landespflegegeld gibt es nur in Bayern: 1.000 Euro zahlt der Freistaat jährlich auf das Konto von pflegebedürftigen Menschen, die einen Pflegegrad 2 oder höher haben. Die Unterstützung kommt bei pflegenden Angehörigen gut an: Kornelia Schmid vom Verein "Pflegende Angehörige e.V." in Amberg spricht von einer "ganz tollen Sache, um die uns ganz Deutschland beneidet". Ihr Verein ist in mehreren Bundesländern aktiv, in denen man oftmals neidisch auf das bayerische Landespflegegeld schaue. Und auch Kilian Heinl von der "Fachstelle für pflegende Angehörige im Vierstädtedreieck" der Caritas in Grafenwöhr sagt: Das Landespflegegeld komme gut an, sei ein "goodie" und eine "Anerkennung" für die "größte Berufsgruppe Deutschlands", nämlich die pflegenden Angehörigen.

Wertschätzung für pflegende Angehörige fehlt oft

Etwa 80 Prozent aller Pflegebedürftigen in Bayern werden zuhause von ihren Angehörigen gepflegt - oft mit Unterstützung von ambulanten Pflegediensten oder einem Netzwerk aus Familie, Freunden, Bekannten und Nachbarn. Doch die pflegenden Angehörigen hätten keine Lobby, sagt Kilian Heinl. Politisch müsse mehr sichtbar gemacht werden, wie wichtig sie für das System seien. "Es fehlt an der Wertschätzung", bekommt Heinl immer wieder in seinen Beratungen zu hören.

In Seniorenheimen ist die Pflege von Fachpersonal gewährleistet. Stationäre Pflegeplätze in Heimen seien inzwischen vorhanden, doch oftmals können Heimleiter freie Betten nicht belegen, weil das Personal fehlt, das die Senioren versorgen könnte.

Auf Landespflegeamt kommt noch mehr Arbeit zu

Laut Kornelia Schmid sind die Mitarbeiter Ansprechpartner für sämtliche Beteiligten der Pflege, stellen Netzwerke her und begleiten die Entwicklungen auch wissenschaftlich. Das Bild der pflegenden Angehörigen in der Gesellschaft wandele sich gerade, sagt Schmid.

Gesundheits- und Pflegeministerin Judith Gerlach (CSU) nannte die Pflege ein zentrales Thema in der Gesellschaft. Seit Juli werden im Landesamt für Pflege in Amberg auch zentral ausländische Berufsabschlüsse von Fachkräften geprüft. Die Antragszahlen dafür würden ansteigen, die Bearbeitungszeiten in der Verwaltung sinken, so Gerlach.

Auch Kilian Heinl sagt, es tue sich etwas. Pflege aber ist eine große Zukunftsaufgabe. Denn laut Zahlen des Landesamtes für Pflege werden bis zum Jahr 2050 etwa 1,1 Millionen Menschen im Freistaat pflegebedürftig sein im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes. Im Jahr 2021 waren es knapp 580.000 Menschen.

Vorschlag: Pflegegeld sollte auf Konten der Angehörigen landen

Das Landespflegegeld könnte allerdings weiterentwickelt werden, hat der Verein "Pflegende Angehörige e.V." in Amberg kürzlich vorgeschlagen. Angesichts klammer Haushaltskassen sollte es gestaffelt berechnet werden, je nach Bedarf und Einkommen. Außerdem wäre es besser, wenn die 1.000 Euro jährlich nicht auf dem Konto des Pflegebedürftigen landen würden, sondern auf dem Konto der pflegenden Angehörigen, schlägt Vorsitzende Kornelia Schmid vor. Denn nur wenige Angehörige würden ihre Eltern oder Partner um das Geld bitten, das die Staatsregierung eigentlich für die pflegenden Angehörigen vorsieht, weiß sie aus Erfahrung.

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