Hinter einem Schneezaun liegen bei Hohenrad (Bayern) Schneereste auf einer grünen Wiese.
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Schnee wird auch in höheren Lagen seltener.

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Interaktiv: Schneemengen-Entwicklung in Bayern

Fast überall in Bayern gibt es im Winter weniger Schnee. Das bringt Probleme mit sich - nicht nur für den Wintersport. Schlagen Sie in unserem interaktiven Tool nach, wie sich die Schneemenge in Ihrer Region entwickelt hat.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Auf der Zugspitze wird seit dem Jahr 1900 nahezu täglich gemessen, wie hoch der Schnee liegt. Meistens erreichen die Schneehöhen dort Spitzenwerte für Deutschland. In den Wintern zwischen 1935 und 1965 lagen dort im Durchschnitt pro Tag 229 Zentimeter Schnee. Betrachtet man den neuesten Zeitraum der vergangenen 30 Jahre - von 1993 bis 2023 -, beträgt die durchschnittliche Schneehöhe nur noch 207 Zentimeter. Ein Trend, der vielerorts in Bayern zu beobachten ist.

Mit dem interaktiven Tool können Sie an einer Messstation in Ihrer Gegend nachvollziehen: Wie hoch lag der Schnee im Durchschnitt jeden Winter? Und wie haben sich die Temperaturen entwickelt? (Bitte beachten: Nicht jede Messstelle hat durchgehend seit 1960 Daten geliefert).

In dem Widget werden Daten des Deutschen Wetterdienstes verwendet. Pro Winter mussten an einer Station mindestens 80 Prozent der Tageswerte vorliegen, um berücksichtigt zu werden. Für die Berechnung wird die Tagesmitteltemperatur bzw. die Höhe der Schneedecke pro Tag der Monate Dezember, Januar und Februar genutzt. Die Jahreszahl bezieht sich auf den Beginn des Winters: 1982 beschreibt also den Winter ‘82/’83. Einige Messstellen wurden erst später eingerichtet oder haben Messlücken. Bei der Analyse von Klimadaten greift man üblicherweise auf Zeiträume von 30 Jahren zurück, um Durchschnittswerte auszurechnen. Das macht die Ergebnisse robust gegenüber Ausreißern.

Unterschiede in Bayern

Die Auswertung von BR Data zeigt: Je nach Region sind die Effekte unterschiedlich stark. Gegenden in Franken, in denen schon immer wenig Schnee lag, erleben noch weniger Schnee. Im Süden Bayerns zeigt sich der Rückgang noch nicht so deutlich, doch auch dort sinken die Schneehöhen. Der Hauptgrund ist, dass die Temperaturen nicht nur im Sommer, sondern tendenziell auch im Winter steigen. Da sich diese Tendenz aus der Berechnung von Durchschnittswerten ergibt, sind auch extreme Schneefälle wie zuletzt im Dezember trotzdem weiterhin möglich.

Niederschlagsmuster ändern sich

Zusammen mit der Menge an Schnee verändert sich das Niederschlagsmuster in Bayern, also wann es üblicherweise regnet oder schneit. Ralf Ludwig, Professor für Geografie an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München, beschäftigt sich unter anderem mit komplexen Umweltsystemen. Er sagt: "Unsere Erwartung ist, dass über die nächsten Jahrzehnte hinweg der Niederschlag im Winter zunehmen und im Sommer deutlich abnehmen wird. Das ist der Stand des Wissens, den wir derzeit aus den gängigen Klimamodellen ableiten können."

Hochwasser-Zeiten verändern sich

Mehr Regen und weniger Schnee im Winter sowie weniger Regen im Sommer - das hat unmittelbare Auswirkungen auf die Flüsse in Bayern. Bei den Flüssen, die sich auch aus der Schneeschmelze in den Alpen speisen, verändert sich das typische Muster am stärksten, wenn sie im Jahr das meiste oder wenigste Wasser führen. Experten sprechen vom größten oder geringsten Abfluss. Dieser Abfluss hat Auswirkungen auf Tiere und Pflanzen, aber auch auf die Land- und Energiewirtschaft.

Hier wird der durchschnittliche Abfluss pro Monat über mehrere Messstellen gezeigt. Stellen mit großen Messlücken wurden ausgeschlossen. Der Main hat schon immer ein typisches "Sommerloch" bei der Wassermenge: Dafür ist nicht Schnee, sondern Regen ursächlich. Der bleibt im Sommer öfter aus, wodurch sich die Sommerdelle bildet. Forschungen zeigen, dass diese Delle ausgeprägter wird. Gleichzeitig wird im Winter mit mehr Regen gerechnet.

Nicht überall in Bayern ist der Effekt gleich. Flüsse wie der Main sind schon heute vom Schnee weitestgehend unabhängig. Wenig Wasser im Sommer ist dort normal, allerdings rechnen Forscher damit, dass das noch extremer wird. Einer von ihnen ist Benjamin Poschlod, der an der LMU zur Klimazukunft von Bayerns Flüssen promoviert hat: "Mit dem sich erwärmenden Klima erwarten wir, dass die größten Änderungen für die bayerischen Flüsse südlich der Donau eintreten werden. Einerseits haben wir da schon historisch den größten Einfluss von Schnee, andererseits ist auch der Einfluss des Klimawandels im Hinblick auf die Niederschlagsphasen am bedeutendsten."

Das Wegbleiben des Schnees betrifft also vor allem Flüsse wie Isar und Inn, die sich heute teilweise aus der Schneeschmelze speisen. Das bezieht sich nicht nur auf den Schnee direkt vor Ort in Bayern, sondern auch auf Schnee, der in Quellgebieten in Österreich fällt. In einem typischen Jahr führen diese Flüsse bisher das meiste Wasser von Mai bis August: Dann kommen Schmelzwasser aus höheren Lagen mit Regenfällen im flacheren Gelände zusammen.

Hier wird der durchschnittliche Abfluss pro Monat über mehrere Messstellen gezeigt. Stellen mit großen Messlücken wurden ausgeschlossen. Die Isar speist sich zu einem Teil aus Schnee in ihrem ganzen Wassereinzugsgebiet, das kann auch Schnee in Österreich betreffen. Setzt dort die Schneeschmelze früher ein, verschiebt sich der Höhepunkt der Wassermenge früher ins Jahr. Über den Sommer ist dann weniger Wasser zu erwarten: Weniger Schnee schmilzt schneller, Regen wird im Sommer seltener. Für den Rest des Jahres wird häufig mehr Niederschlag erwartet.

Verschiebt sich die Schneeschmelze früher ins Jahr und regnet es zugleich mehr, bedeutet das auch, dass zunehmend Hochwassergefahr früher im Jahr droht. Im trockeneren Sommer droht dagegen vermehrt Niedrigwasser. Davon ist vor allem Unterfranken betroffen, erklärt Ralf Ludwig: "In dieser Region muss leider davon ausgegangen werden, dass durch diese Konstellation weniger Regen, hohe Temperatur und hohe Verdunstung einfach sehr viel weniger Wasser für den Abfluss übrigbleibt und deswegen die Flüsse in Zukunft deutlich verstärkte Niedrigwasserphasen zu erwarten haben."

Veränderungen für Umwelt und Menschen

Wenn Flüsse sich in ihren Charakteristika verändern, bedeutet das gleichzeitig große Veränderungen für Tiere und Pflanzen, die im oder am Wasser leben. Gerade in den Alpen, aber auch im Alpenvorland, sind die Arten an kühleres Wetter angepasst. Sie müssen versuchen auszuweichen oder sich anzupassen. Beides ist schwierig, erläutert Stefan Ossyssek, Referent für Arten- und Biotopschutz beim Bund Naturschutz. "Bei den Fischen kennt man die Bachforelle, die gerade im Larvenstadium sehr anfällig ist, aber auch die Äsche."

Gerade in Bayern hängt auch die Energiewirtschaft am Flusswasser: Kühlwasser für thermische Kraftwerke kommt ohne das kalte Schmelzwasser schon wärmer an und könnte so seine Funktion nicht mehr erfüllen. Auch die Wasserkraft stellt der Klimawandel vor neue Herausforderungen. Zwar sind Turbinen darauf ausgerichtet, auch mit weniger Wasser auszukommen, allerdings schmälert jedes Niedrigwasser die Erträge und damit die Wirtschaftlichkeit einer Anlage.

Anpassung an Veränderungen notwendig

Neben Klimaschutz sei daher auch Anpassung notwendig, betont Ralf Ludwig von der LMU: "Wenn man in einer Welt klarkommen will, die regional drei, vier Grad wärmer ist, dann haben wir in den Flüssen gerade in puncto Hochwasser und Niedrigwasser eine ganz starke Veränderung zu erwarten, die auch erst mal bewältigt werden muss."

Ludwig spricht sich vor allem für naturbasierte Lösungen aus. Man könne etwa Böden entdichten, Drainagen entfernen, Fluss- und Uferstreifen begrünen. Und nicht mehr Wasser verbrauchen, als die Natur zur Verfügung stelle.

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