Ein 77-jähriger Rentner steht wegen Mordes an seiner Ehefrau vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth
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77-jähriger Angeklagter legt Geständnis ab

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Ehefrau getötet: 77-Jähriger legt Geständnis ab

Er soll seine pflegebedürftige Ehefrau mit einem Kissen erstickt haben – seit heute muss sich ein 77-jähriger Mann wegen Mordes vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth verantworten. Am meisten bedauere er, überlebt zu haben, sagt der Angeklagte.

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Als der Angeklagte in den Gerichtssaal kommt, wirkt er jünger als 77. Groß, stattlich, eine grüne Lesebrille auf dem Kopf, eine tiefe, sonore Stimme. Doch die versagt ihm immer wieder, als er beginnt, sein umfassendes Geständnis vorzutragen, das er auf mehreren Blättern notiert hat. "Ich weiß, dass ich Unrecht begangen habe", liest er vor. Er wisse, dass ihn eine harte Strafe erwarte und sei bereit, sie anzunehmen.

Seit 1972 verheiratet

In seinem Geständnis holt der Angeklagte weit aus, beginnt mit der Zeit, als er und seine Frau sich in den 1960-er Jahren in der Schule kennengelernt haben. Für einige Jahre hätten sich ihre Wege getrennt, bevor sie sich wieder getroffen und verliebt hätten, berichtet er. Für ihn ließ sich seine Frau von ihrem ersten Mann scheiden, 1972 heiraten sie. Ihre Ehe beschreibt der 77-Jährige insgesamt als "liebevoll und harmonisch". Drei Söhne ziehen sie gemeinsam auf, der älteste stammt aus der ersten Ehe seiner Frau. Seit 1989 leben sie in einer Doppelhaushälfte im Nürnberger Stadtteil Fischbach zur Miete.

Ehefrau hatte schweren Schlaganfall

Im Jahr 2013 dann hat die Frau einen schweren Schlaganfall. Sie sei einfach umgefallen, berichtet der Angeklagte. Seitdem ist sie pflegebedürftig, linksseitig gelähmt, kann höchstens 50 bis 100 Meter am Stück laufen. Vom ersten Tag habe er sie gepflegt, den Haushalt übernommen, seine Frau zwei bis drei Mal pro Woche zum Arzt oder in die Reha gebracht. Selbst zur Arbeit habe er sie mitgenommen. Sie habe dann im Nebenzimmer gelesen oder ferngesehen, während er in der Firma seines Bruders gearbeitet habe, erklärt der Rentner. Hilfe von anderen habe sie nicht gewollt. Nachbarn berichteten der Polizei nach der Tat, der Mann habe sich rührend um seine Frau gekümmert.

Ehepaar redete über Suizid

Doch mit Beginn der Corona-Pandemie verschlechtert sich der Gesundheitszustand der Ehefrau. Die Reha-Termine werden weniger, auch die sozialen Kontakte, die Schmerzen nehmen zu. Schließlich habe seine Frau ihm gesagt, dass sie nicht mehr leben wolle, berichtet der Angeklagte. Da habe er zu ihr gesagt, dass er sie nicht allein gehen lassen werde. Mehrere Male hätten sie über Suizid gesprochen. Ob sie sich denn darüber unterhalten hätten, wie sie sterben wollten, will der Staatsanwalt wissen. Nein, so konkret sei es nicht worden, erwidert der Angeklagte. Sie habe zwar einmal über Tabletten gesprochen. Aber wie er an eine tödliche Dosis kommen könnte, darüber habe er sich nicht informiert. Auch mit den Söhnen hätten sie nicht darüber gesprochen.

Sohn rief Polizei

In der Nacht vom 22. auf den 23. Juni, liest der Angeklagte weiter aus seinem Geständnis vor, habe er seine Frau auf die Toilette begleitet. Anschließend habe er lange wachgelegen und gegrübelt. Da waren etwa 40.000 Euro Schulden, da war der bevorstehende Umzug in eine neue Wohnung, die einer der Söhne besorgt hatte, da waren die schlimmen Schmerzen seiner Frau. "Ich habe mich spontan dazu entschlossen, meine Frau mit einem Kissen zu ersticken", so der Angeklagte. Wie lange es dauerte, ob sie um Hilfe rief – der 77-Jährige weiß es nicht mehr. Anschließend habe er versucht, sich mit einem Rasiermesser die Pulsadern aufzuschneiden, mit einer Plastiktüte zu ersticken und sich zu strangulieren. "Aber ich hab's nicht fertiggebracht."

Einem seiner Söhne habe er währenddessen eine SMS geschickt. Als dieser anrief, habe er ihm gesagt, was er getan habe und ihn gebeten, nichts zu unternehmen. Doch der Sohn habe sich nicht daran gehalten und die Polizei gerufen.

"Am meisten bedauere ich, dass ich überlebt habe"

Am Ende seines Geständnisses ist der Angeklagte erschöpft, wirkt wie ein gebrochener Mann. "Am meisten bedauere ich, dass ich überlebt habe und meinen Kindern und der Familie großes Leid zugefügt habe", sagt er zum Schluss. "Meine Frau fehlt mir jeden Tag, ich habe sie sehr geliebt." Ob er denn nicht auf die Idee gekommen sei, seine Kinder um Geld oder Unterstützung zu bitten, wird er gefragt. Nein, erwidert der Rentner. Seine Frau und er hätten ihren Söhnen nicht zur Last fallen wollen, "die haben ihre eigenen Familien und Probleme".

Ehepaar hatte finanzielle Probleme

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten Mord aus Heimtücke vor, weil er die Arg- und Wehrlosigkeit seiner Ehefrau ausgenutzt habe. Sollte ihn das Gericht wegen Mordes verurteilen, dann würde dies bedeuten, dass er eine lebenslange Freiheitsstrafe bekommt – der 77-Jährige würde im Gefängnis sterben. Aus Sicht seines Verteidigers Sven-Thorsten Oberhof ist das aber nicht angebracht. "Eine lebenslange Freiheitsstrafe würde der Tragik der Situation nicht entsprechen", sagte Oberhof dem BR.

Für den Prozess sind vorerst acht Verhandlungstage vorgesehen. Mit einem Urteil wird im April gerechnet.

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