Der "Buchdrucker" ist eine Borkenkäfer-Art
Bildrechte: Nationalparkverwaltung Bayerischer Wald/Lukas Haselberger

Der "Buchdrucker" ist eine Borkenkäfer-Art

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Borkenkäfer-Befall: Hoffnungsschimmer aus der Forschung

Jetzt schläft der Borkenkäfer unter der Rinde von Bäumen oder im Boden. Bei Kälte oder Feuchtigkeit kann er erfrieren oder verpilzen und sterben. Doch die meisten überleben und befallen im Frühjahr wieder Fichten. Hoffnung macht jetzt die Forschung.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Niederbayern und Oberpfalz am .

Der "Buchdrucker", eine Borkenkäferart, tötet jedes Jahr Tausende von Fichten. Ein Hoffnungsschimmer kommt jetzt von der Uni Freiburg. Sie forscht zu den natürlichen Feinden des Käfers. Informationen dazu gab es in einem wissenschaftlichen Vortrag auf Einladung der Nationalparkverwaltung Bayerischer Wald.

Pilze, die Borkenkäfer töten

Eine Borkenkäferwelle in einem Wald, in dem die befallenen Bäume nicht sofort herausgenommen werden, um die Käfervermehrung zu stoppen, bricht erst dann zusammen, wenn keine einzige Fichte mehr übrig ist. Davon ging man lange Zeit aus. Doch es gibt immer wieder Fälle, bei denen große Käferpopulationen, also Tausende von Käfern, plötzlich von selbst wieder verschwinden. Grund sind oft Wetterlagen, die für Borkenkäfer ungünstig sind. Aber es kann auch daran liegen, dass Krankheitserreger Borkenkäfer töten, wenn die Käfer zu viel werden und zu eng aufeinander leben.

Diese Zusammenhänge erforscht Dr. Peter Biedermann, Professor für Forstentomologie und Waldschutz an der Uni Freiburg. Er gilt als einer der wichtigsten Borkenkäfer-Spezialisten in Deutschland:

"Wenn die Käferpopulationen sehr hoch sind, werden wahrscheinlich auch Krankheitserreger übertragen, vielleicht auch Viren. Das führt dann zu Zusammenbrüchen." Prof. Dr. Peter Biedermann, Uni Freiburg

Mögliche Ursachen können zum Beispiel auch entomophage, also insektenfressende, Pilze sein, oder Milben, Nematoden oder andere Mikroorganismen. Borkenkäfer leben sowieso mit bestimmten Pilzen und Bakterienarten zusammen, die für sie nützlich sind. Auch hier wird erforscht, ob sie in bestimmten Fällen plötzlich schädlich für den Borkenkäfer und seine Brut werden können.

Räuberische Insekten fressen Borkenkäfer

Borkenkäfer haben auch andere natürliche Feinde, zum Beispiel den Ameisenbuntkäfer, der sie gerne frisst. Auch der Dreizehenspecht, ein Vogel, der zum Beispiel im Nationalpark Bayerischer Wald vorkommt, hackt Borkenkäfer aus der Baumrinde heraus und verspeist sie. Diese natürlichen Feinde können aber gegen eine große Käferwelle nicht allzu viel ausrichten.

Vielversprechender sind parasitoide Wespen und Fliegen, die ihre eigenen Eier in Borkenkäfer oder deren Larven und Puppen hineinlegen. Anschließend werden diese quasi von innen aufgefressen. Solche Insekten kommen in Wäldern mit viel Borkenkäferbefall oft auch verstärkt vor. Eventuell könnte man sie eines Tages gezielt für die Borkenkäferbekämpfung nutzen:

"Es wäre durchaus denkbar, dass man diese Insekten künstlich züchtet und zumindest einzelne kleine Waldbereiche damit schützt." Prof. Dr. Peter Biedermann, Uni Freiburg

Problem: Künstliche Züchtung

Das Problem ist, dass man momentan noch keine funktionierende Methode hat, um Borkenkäfer künstlich zu züchten. Das wäre aber die Voraussetzung, um anschließend parasitoide Insekten auf den Käfern züchten zu können, so der Uni-Professor. Aber selbst wenn man eine Methode findet, wäre eine Borkenkäfer-Bekämpfung durch künstlich gezüchtete Fressfeinde nur im Kleinen, aber nicht auf großen Waldflächen umsetzbar.

Bildrechte: Nationalparkverwaltung Bayerischer Wald/Gregor Wolf
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Ein Buchdrucker hat sich in die Rinde eines Baumes gefressen.

Eine gesunde Fichte kann sich selbst gegen Borkenkäfer wehren

Gesunde Fichten können sich gut gegen Borkenkäferbefall wehren. Eine effektive Methode ist das Harz, das der Baum ausschüttet, wenn ein Käfer sich durch die Rinde einbohrt. Das Harz verklebt ihn und spült ihn dann quasi raus. Gesunde Bäume können auch "Steinzellen" bilden, also an Fraßstellen Gewebe absterben lassen, um den Käfer zu stoppen. Sie können sogar eigene Gift- und Abwehrstoffe gegen die Käfer produzieren.

Borkenkäfer stürzten sich deshalb früher meistens nur auf geschwächtes Holz aus Windwürfen oder Schneebrüchen. Meistens gab es gar nicht genug Käfer, um gesunde Fichten tatsächlich zum Absterben zu bringen. Denn für eine einzige Fichte braucht es normalerweise Hunderte oder Tausende Käfer. Jetzt reichen deutlich weniger. Denn viele Fichten kränkeln.

Klimawandel und Trockenheit stressen Bäume

Das Hauptproblem, warum Borkenkäfer ein immer größeres Problem für die Fichtenwälder werden, ist ganz eindeutig der Klimawandel, betont Prof. Dr. Peter Biedermann. Durch die heißen, trockenen Sommer und den zunehmenden Wassermangel kommen die Bäume in Trockenstress. Sie können sich dann nicht mehr so gut gegen den Käferbefall wehren. Borkenkäfer riechen es regelrecht, wenn Bäume Stress-Signale aussenden, und fliegen sie dann gezielt an:

"Die Bäume produzieren dann Alkohole, die ein Hinweis dafür sind, dass die Bäume statt Atmung, also Photosynthese, Gärung machen. Dann riecht es nach Alkohol und die Käfer nehmen es so wahr, dass der Baum geschwächt ist." Prof. Dr. Peter Biedermann, Uni Freiburg

Für geschwächte Fichten reicht eine viel kleinere Zahl an Borkenkäfern, um sie umzubringen. Das ist ein weiterer Vorteil für den Käfer: Unter der Baumrinde hat er genug Platz für seine Brut, gerät nicht in Konkurrenz zu Artgenossen, und kann sich erfolgreich vermehren.

Klimawandel bekämpfen bleibt das wichtigste Rezept

Das wichtigste Rezept gegen den Borkenkäfer bleibt die Bekämpfung des Klimawandels auf internationaler Ebene. Denn er ist die Ursache des Problems, so Biedermann. Lösungsansätze sind auch Mischwälder aus unterschiedlichen Baumarten, also der Waldumbau. Eine Fichte, die von Laubbäumen umgeben ist, sei gut geschützt, auch durch die Duftstoffe der Laubbäume, da die Fichten-Borkenkäfer diese nicht mögen.

Wichtig sind auch Bäume in verschiedenen Altersstufen und dazu genug liegengelassenes Totholz im Wald, das ebenfalls die natürlichen Fressfeinde begünstigt. Befallene Bäume, also Käferholz, rasch zu entfernen, sei auch eines der Rezepte der mitteleuropäischen Forstwirtschaft, so Biedermann, das werde aber nicht weltweit so gemacht.

Harmlose Käferarten werden aggressiver

Eine neue Herausforderung ist eine Entwicklung, die man bei anderen Borkenkäferarten beobachtet. Im Schwarzwald zum Beispiel gibt es erste Probleme mit dem Tannen-Borkenkäfer. Auch Buchen fallen öfter als früher dem Buchen-Borkenkäfer zum Opfer.

"Harmlose Käferarten werden aggressiver", so Biedermann. Betroffen sind auch da vor allem Bäume, die durch den Klimawandel gestresst sind. Es gibt in Deutschland insgesamt rund 100 verschiedene Borkenkäferarten. Die meisten davon gelten als harmlos, weil sie bevorzugt Totholz besiedeln.

Was macht der Borkenkäfer eigentlich im Winter?

Fichten-Borkenkäfer überwintern unter der Rinde von Bäumen oder im Boden. Dort sind sie also gut geschützt. Ganz gefahrlos für sie ist aber beides nicht, sagt Biedermann. Bei extremer Kälte, also zweistelligen Minusgraden, können die Käfer erfrieren, vor allem wenn sie sich nur unter der Rinde aufhalten. Im Boden sind vor dem Kältetod etwas besser geschützt, vor allem wenn eine isolierende Schneedecke darauf liegt. In der Regel macht eine Käferpopulation beides und verteilt so die Risiken: ein Teil überwintert im Boden, ein Teil unter der Rinde. Das erhöht die Überlebenschancen für die Gesamtpopulation.

Zu schaffen machen kann dem Käfer auch ein milder, feuchtkalter Winter. Denn ein solches Wetter fördert bestimmte Pilzarten. Sie vermehren sich und können die Käfer, die steif und bewegungslos in ihren Gängen verharren, befallen und töten.

Trotzdem überleben meistens genug Käfer, um im Frühjahr erneut auszufliegen und neue Bäume anzubohren, sobald es warm genug dafür sind. Das hat der letzte milde Winter im Bayerischen Wald gezeigt. Obwohl dann sogar noch das Frühjahr verregnet und kühl war, den Käfer also am Ausfliegen hinderte, kam es später zu einer erneuten Massenvermehrung des Schadinsekts mit großen Waldschäden.

Dieser Artikel ist erstmals am 20. Januar 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel aktualisiert und erneut publiziert.

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