ARCHIV (12.06.2023): Kandidaten für den Mittleren Dienst bei der Bayerischen Polizei nehmen am Sporttest im Rahmen eines zweitägigen Auswahlverfahrens teil. Springen, Sprinten, Bankdrücken - wer zur Polizei will, muss körperlich fit sein.
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Bewerberschwund: Bayerns Polizei auf Suche nach Nachwuchs

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Bewerberschwund: Bayerns Polizei auf Suche nach Nachwuchs

Seit Jahren sinken die Zahlen von Bewerbern für den Polizeidienst in Bayern. Noch dazu steigt die Zahl der Abbrecher. Jetzt hat die Bayerische Polizei eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, um künftig mehr Nachwuchs zu gewinnen.

Bayerns Polizei steht vor einer umfassenden Reform seiner Werbung um neue Nachwuchsbeamte. Der Grund: die seit Jahren sinkende Zahl von Bewerbern für den Beruf der Polizistin bzw. des Polizisten und die steigende Zahl von Abbrechern , die bereits kurz nach Beginn des Ausbildung die Polizei wieder verlassen. Eine Entwicklung, die auch dem Präsidenten der Bayerischen Bereitschaftspolizei Udo Skrypczak zu denken gibt. In seiner Behörde wurde mittlerweile eine Arbeitsgruppe mit dem Namen Mina (Modifizierung und Novellierung der Nachwuchsgewinnung) eingerichtet.

Zunehmender Bewerbermangel zeichnet sich seit Jahren ab

Bereits im vergangenen Jahr trat der worst case ein: Erstmals konnte in Bayern ein Ausbildungsseminar nicht vollständig mit Bewerbern besetzt werden - eine Entwicklung , die sich bereits seit Jahren abgezeichnet hatte.

Während noch vor zehn Jahren auf jede freie Stelle bei den Sicherheitsbehörden elf Bewerber kamen, die ihre Unterlagen einreichten, sind es derzeit nur noch knapp acht potenzielle Anwärter. Bereits vor dem Auswahlverfahren reduziert sich die Zahl nach Schätzungen der Gewerkschaft der Polizei auf durchschnittlich vier Kandidaten. Der Rest scheide aus , weil zu klein oder zu korpulent, kurzsichtig, vorbestraft oder von Kopf bis Fuß tätowiert. Den Rückgang der Bewerberzahlen verortet der Präsident der Bereitschaftspolizei im harten Wettbewerb um Nachwuchs mit der freien Wirtschaft unter dem Vorzeichen geburtenschwacher Jahrgänge.

Sogenannte "Verzichter" treten Dienst erst gar nicht an

Weiter dezimiert wird die Zahl der Nachwuchspolizisten durch intern "Verzichter" genannte Kandidaten. Diese haben zwar alle Eignungstests bestanden, erscheinen dann aber nicht mehr zum Beginn der Ausbildung - häufig ohne abzusagen und meist ohne Angabe von Gründen. Die Zahl der "Verzichter" hat sich in den vergangenen Jahren verdoppelt: von früher zehn auf heute fast zwanzig Prozent. "Traurig und offensichtlich ein Phänomen unserer Zeit ist es , dass sich einige von ihnen nicht einmal die Mühe machen, uns abzusagen", kritisiert Udo Skrypczak dieses Verhalten. Über die Hintergründe kann der Polizeipräsident nur spekulieren: "Manche beginnen doch noch zu studieren oder machen eine Ausbildung, zum Teil in der öffentlichen Verwaltung."

Fast ein Viertel bricht Ausbildung bereits nach ersten Wochen ab

Der nächste gravierende Schwund erreicht die Bereitschaftspolizei in den ersten Wochen der Ausbildung. Bis zum Ende der Ausbildung brechen noch einmal 20 bis 25 Prozent der Nachwuchspolizisten weg - ein neuer Rekord. Die Gründe sind vielfältig: Während manchen der Dienst an den Standorten der Bepo weit weg von daheim nicht gefällt, beklagen andere die Unterbringung in Doppelzimmern oder die Anweisungen ihrer Ausbilder samt dem straffen Sportprogramm. Dazu kommen Kündigungen, die von der Polizei selbst ausgesprochen werden. Man müsse sich frühzeitig von jenen trennen, die leistungsmäßig oder charakterlich nicht in eine moderne Polizei passen, sagt Udo Skrypczak, der mindestens alle zwei Wochen eine solche Kündigung unterschreiben muss.

Junge Polizisten kritisieren fehlende Work-Life-Balance

Eine Rolle spiele bei den Abbrechern auch die vielzitierte Work-Life-Balance. "Wenn ein junger Polizist oder eine Polizistin erst im Einzeldienst auf der Inspektion merkt, dass man hier auch nachts und am Wochenende Dienst leisten muss, haben allerdings wir bei der Ausbildung etwas falsch gemacht", so Skrypczak.

Diese Ausbildung wollen die Experten der Arbeitsgruppe in Zukunft noch mehr an der Praxis orientieren - zum Teil mit noch mehr Praktika, die taugliche Kandidaten noch vor dem Beginn der eigentlichen Ausbildung absolvieren sollen. Bereits jetzt ist klar, dass in Zukunft auch Beamtinnen und Beamte eingestellt werden sollen, die kleiner als 1,60 Meter sind - vorausgesetzt, sie können mit einer Sonderprüfung nachweisen, dass sie körperlich leistungsfähig genug sind für den Polizeidienst. Außerdem will Skrypczak noch mehr als bisher Realschüler für den Polizeiberuf interessieren. Diese hätten erfahrungsgemäß bei den Eingangstests oft gegenüber Abiturienten das Nachsehen.

Arbeitsgruppe "Mina" soll es richten

Geplant ist, in Zukunft auch bereits 16-Jährige einzustellen und auszubilden. Bisher stellen Gymnasiasten mit Abitur fast 70 Prozent der jungen Polizisten - auch im Mittleren Dienst. Da geht es nach Skrypczaks Worten auch um die Erfüllung im Beruf und die Erwartungen: "Nichts ist schlimmer als ein unglücklicher Polizeihauptmeister, der mit dreißig sieht, dass seine Mitschüler inzwischen erfolgreiche Anwälte, Ärzte oder Architekten sind, während er noch immer nachts Streife fährt."

All diesen Aspekten soll nun die Arbeitsgruppe Mina Rechnung tragen und sich Gedanken machen, mit welchen neuen Ideen Nachwuchs für die Polizei gefunden werden kann. Nur wenn das gelingt, wird es in Bayern auch in Zukunft genügend Polizisten geben. "Schließlich haben wir was zu bieten: Sicherheit, Abwechslung, Teamarbeit, Anerkennung in weiten Teilen der Bevölkerung und eine sinnstiftende Aufgabe", erklärt der Präsident der Bayerischen Bereitschaftspolizei, Udo Skrypczak.

Video aus dem Archiv: "Sporttest-Challenge" der Polizei Unterfranken

Sporttest der Polizei (Symbolbild)
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Sporttest der Polizei (Symbolbild)

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