Das Ortseingangsschild von Oberprex.
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Ein Haus in Oberprex war Gegenstand einer Verhandlung am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.

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Gerichtsurteil: Neonazi-Treff bei Hof zu Unrecht beschlagnahmt

Niederlage für den Freistaat Bayern: Er hätte einen Neonazi-Treff in Oberprex bei Hof nicht beschlagnahmen dürfen. Das entschied das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Bayerns Innenminister Herrmann fordert nun eine Gesetzesänderung vom Bund.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Mehrere Jahre lang hatte die Neonazi-Vereinigung "Freies Netz Süd" (FNS) ein Haus in Oberprex nahe der bayerisch-sächsisch-tschechischen Grenze bei Regnitzlosau im Landkreis Hof genutzt. Im Jahr 2014 hat der Freistaat Bayern das rechtsextreme Netzwerk verboten und in diesem Zusammenhang auch das Haus beschlagnahmt. Die Beschlagnahme war nicht rechtsmäßig, urteilte nun das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Es bestätigte damit ein vorheriges Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) und wies eine Revision des Freistaates Bayern zurück. Mit diesem Urteil endet ein fast zehn Jahre langer Rechtsstreit.

Grundstück und Haus gehört Mutter von FNS-Mitglied

Das Haus in Oberprex hat eine Frau vor vielen Jahren gekauft, aber nie selbst genutzt, sondern ihrem Sohn Tony Gentsch und seinen Freunden überlassen. Tony Gentsch galt als einer der führenden Kräfte der rechtsextremen Vereinigung "Freies Netz Süd". Das Haus in Oberprex wurde zum Treffpunkt von Rechtsextremen aus ganz Deutschland, darunter unter anderem der mehrfach vorbestrafte Neonazi Martin Wiese. 2014 hat das bayerische Innenministerium das rechtsextreme Netzwerk verboten und gleichzeitig das Haus in Oberprex beschlagnahmt. Gegen diese Enteignung klagte die Eigentümerin.

Die Frau hatte betont, sie sei politisch nicht interessiert und habe nichts von den verfassungsfeindlichen Aktivitäten in ihrem Haus gewusst. Die Kameradschaftstreffen von Neonazis in dem Haus, in dem auch ein Versandhandel für Propagandamittel untergebracht war, hatten bundesweit in den Medien immer wieder für Schlagzeilen gesorgt. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte in einem Urteil vom Sommer 2020 die Enteignung als rechtswidrig erklärt. Man habe der Eigentümerin nicht zweifelsfrei nachweisen können, dass sie von den verfassungsfeindlichen Bestrebungen der rechtsextremen Vereinigung "Freies Netz Süd" gewusst habe. Gegen dieses Urteil hatte der Freistaat Bayern Revision beantragt, doch dies wurde nun vom Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen.

Verwaltungsgerichtshof glaubt Ausführungen der Mutter

Laut Bundesverwaltungsgericht können Besitztümer Dritter im Rahmen eines Vereinsverbotes eingezogen werden, wenn der- oder diejenige "durch die Überlassung der Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich gefördert hat". Dies setze aber voraus, dass der Betreffende "um die Existenz dieser Vereinigung und ihrer verfassungswidrigen Bestrebungen weiß und deren Förderung zumindest billigend in Kauf nimmt", so das Gericht.

Der VGH hatte der Mutter geglaubt, dass sie von dem Treiben ihres Sohnes im "Freien Netz Süd" nichts Konkretes gewusst habe. Sie gab ihrem Anwalt zufolge an, politisch wenig interessiert zu sein und ohnehin die meiste Zeit in Italien zu leben. An diese Feststellungen der Vorinstanz sah sich das Bundesverwaltungsgericht als Revisionsinstanz gebunden.

Herrmann: "Extremisten tanzen den Behörden auf der Nase herum"

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) reagierte mit deutlichen Worten auf die Entscheidung der obersten Verwaltungsrichter. Das Urteil habe eine "Hintertür im Vereinsgesetz" geöffnet, mit der Extremisten und ihre Unterstützer sich der Einziehung ihres Vermögens entziehen könnten. Herrmann forderte den Bund auf diese Lücke im Vereinsgesetz zu schließen: "Wir dürfen nicht zulassen, dass Extremisten und deren Strohmänner den Behörden und Gerichten auf der Nase herumtanzen." Das Bundesinnenministerium müsse nun zügig handeln.

Landrat und Bürgermeister wollen genau hinsehen

Regnitzlosaus Bürgermeister Jürgen Schnabel (Freie Wähler) sagte nach dem Urteil auf BR-Anfrage: "Die Entscheidung ist bitter. Bei uns ist kein Platz für rechte Vereinigungen. Wir werden genau hinschauen, damit in dem Haus keine rechte Gesinnung mehr einzieht." Schnabel sicherte den direkten Anwohnern der Immobilie in Oberprex seine volle Unterstützung zu.

Auch der Hofer Landrat Oliver Bär (CSU) äußerte sich nach dem Urteil, das es seinen Worten nach zu respektieren gelte. Mit Blick auf die bayerische Staatsregierung sagte er: "Ich bin gleichwohl dankbar, dass der Freistaat Bayern mit seinen Entscheidungen - auch dem Verbot des FNS, welches Bestand hat - im Jahr 2014 ein starkes Signal des Rechtsstaates gesetzt hat: Der Freistaat wird bei erkennbaren extremistischen und demokratiefeindlichen Umtrieben nicht tatenlos zusehen.“

Richter mit Seitenhieb gegen bayerische Justiz

In der mündlichen Urteilsbegründung konnte sich der Vorsitzende Richter einen Seitenhieb auf die Vorgehensweise des bayerischen Innenministeriums in der juristischen Auseinandersetzung nicht verkneifen. Das Ministerium habe keine sogenannte "Verfahrensrüge" vorgebracht. Deshalb sei die Beurteilung, ob und was die Eigentümerin über die Aktivitäten der Neonazis in ihrem Haus gewusst habe, nicht mehr Gegenstand des Prozesses gewesen. 

Mit Informationen von dpa

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