Kerzen vor dem Foto der jungen Frau, die auf dem Parkplatz eines Möbelhauses bei einem Raserunfall starb
Bildrechte: Thomas Pösl / BR

Vor dem Parkplatz eines Möbelhauses erinnert ein Foto an die junge Frau, die bei einem Raser-Unfall im August 2022 ums Leben kam.

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Augsburger Raser-Prozess: Mehrjährige Haftstrafe gefordert

Nach der tödlichen Raserfahrt quer über einen Möbelhaus-Parkplatz in Augsburg muss sich der Unfallverursacher vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft fordert fünf Jahre und neun Monate Haft. Den Anwälten der Nebenkläger ist das zu wenig.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Schwaben am .

Im sogenannten Raser-Prozess vor dem Augsburger Landgericht hat die Staatsanwaltschaft eine Gesamtstrafe von fünf Jahren und neun Monaten für den Angeklagten gefordert, wegen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge. Außerdem soll er nie wieder den Führerschein zurückbekommen, so die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer.

Junge Frau stirbt noch am Unfallort

Dem 54-Jährigen wird der Unfalltod einer jungen Frau zur Last gelegt. Er soll, um vor der 21-Jährigen und ihren Freunden anzugeben, im August 2022 auf kurzer Strecke im Augsburger Industriegebiet auf knapp 150 km/h beschleunigt haben. Doch in einer Kurve verlor er die Kontrolle und raste schließlich mit dem über 500 PS motorisierten Mercedes-Geländewagen auf den Parkplatz eines Möbelhauses. Dort kollidierte er mit einem Ständer für Einkaufswagen. Die 21-jährige Frau erlitt schwerste Kopfverletzungen und verstarb noch an der Unfallstelle.

Staatsanwaltschaft: "Unglaublicher Egoismus"

Dem Angeklagten habe klar sein müssen, wie fahrlässig er gehandelt habe, aus "reiner Profilierungssucht". Es sei, so der Staatsanwalt, ein "unglaublicher Egoismus, zu dieser Zeit auf dieser Strecke so zu fahren". Das Fahrzeug sei eine Art "Panzer-SUV" gewesen, mit knapp drei Tonnen Leergewicht, deshalb sei eine "immense kinetische Energie" bei dem Unfall freigesetzt worden. Der Parkplatz des Möbelhauses sei ein einziges Trümmerfeld gewesen.

Unfallbeteiligte bis heute traumatisiert

Es sei ein Wunder, dass nicht mehr Menschen durch den Unfall zu Schaden gekommen oder gestorben seien, so die Staatsanwaltschaft, "ein enormes Glück". Die beiden weiteren Fahrzeuginsassen, der Freund und ein Bekannter der Getöteten, seien aber verletzt und nachhaltig traumatisiert worden. Eine Mutter und ihre Tochter, die nahe dem Möbelhaus bei ihrem Wagen standen, hätten wohl nur deshalb überlebt, weil sie auf dem Parkplatz geistesgegenwärtig reagiert und rechtzeitig vor dem herannahenden Mercedes geflohen seien.

Der Staatsanwalt schilderte ausführlich, unter welchen gravierenden Folgen sowohl die Familienangehörigen als auch die weiteren Unfallbeteiligten immer noch stehen würden. Sie seien zum Teil monatelang nicht arbeitsfähig gewesen und litten immer noch unter dem Erlebten.

Raserfahrt war "Ritt auf der Rasierklinge"

Der 54-Jährige habe "grob verkehrswidrig" gehandelt, er habe wissen müssen, wie gefährlich ein solches Tempo innerorts im Industriegebiet sei. Andere Verkehrsteilnehmer seien ihm egal gewesen. Ihm sei es darum gegangen, die Mitfahrer zu beeindrucken. Das habe er bereits mindestens einmal zuvor schon einmal getan und dabei noch verächtlich auf die von seinem Beifahrer geäußerte Angst reagiert. Bereits bei dieser Fahrt habe er den Wagen derart beschleunigt, dass der Geländewagen sich regelrecht nach hinten gesenkt habe. "Eine solche Fahrt ist immer ein unbeherrschbarer Ritt auf der Rasierklinge", so der Ankläger. Ein minderschwerer Fall könne daher nicht angenommen werden.

Man hätte zudem mit dem Mercedes am Tattag nicht fahren dürfen, das steht für die Anklage fest. Die Betriebserlaubnis sei erloschen gewesen, nachdem das Fahrzeug im Auftrag des Eigentümers, einer Immobilienfirma, PS-mäßig aufgetuned worden war. Der dafür notwendige Eintrag beim TÜV sei erst am Tattag erfolgt, unter "dubiosen Umständen", so der Staatsanwalt. Der Eigentümer des Mercedes habe zudem, wie im Verfahren bekannt wurde, dem Angeklagten nach der Unfallfahrt am Telefon noch geraten, einen Herzinfarkt oder eine Kreislaufschwäche vorzutäuschen.

Angeklagter gestand und kooperierte

Dem Angeklagten sei anzurechnen, dass er die Vorwürfe am ersten Prozesstag über eine Erklärung seines Anwalts weitgehend eingeräumt habe. Am zweiten Tag habe er sich dann auch persönlich bei den Angehörigen entschuldigt, das sei zumindest teilweise von echter Reue getragen gewesen. Er sei nicht vorbestraft, habe noch nie seinen Führerschein verloren und er habe kooperiert und alle Zugangsdaten zu Handy und Computer gegeben und sich bereitwillig vom psychiatrischen Sachverständigen begutachten lassen.

Nebenkläger fordern härtere Strafe

Die Nebenkläger, die den Freund und die Familie der getöteten 21-jährigen Beifahrerin vertreten, fordern dagegen ein deutlich höheres Strafmaß: bis zu sechs Jahre und neun Monate Haft.

Der Bruder und der Vater der jungen Frau waren fast jeden Verhandlungstag dabei, sie hätten schon am ersten Verhandlungstag ein Wort des Bedauerns erwartet, "Demut dafür, was Sie dieser Familie angetan haben, das wäre das gewesen, was sich mein Mandant erhofft hatte", so einer der Rechtsanwälte. Auch wäre es an der Zeit, "ein Exempel zu statuieren", was die Raser- und Tunerszene angehe, appellierte der Anwalt an die Adresse des Gerichts. "Mein Mandant hat das absolute Grauen erlebt", sagte Nebenklagevertretung Isabel Kratzer-Ceylan, im Namen des Freundes des Getöteten, der bei der Unfallfahrt auf dem Rücksitz saß. "Wir haben die Bilder vom Unfallort gesehen, von der Getöteten", und man habe erlebt, wie stark betroffen sogar gestandene Ermittler von den Eindrücken gewesen waren.

Mitfahrer erlebten "Horrorfahrt"

Auch ihr Mandant, so Kratzer-Ceylan habe immer wieder Flashbacks und Panikattacken, wenn er nur ein Martinshorn höre. Die Trigger seien vielfältig: Einmal, als die Mutter Spaghetti mit Tomatensoße gekocht habe, sei er total ausgeflippt, weil ihn das an die schwer verletzte Freundin erinnert habe. Die jungen Menschen seien freiwillig eingestiegen, das stimme, sie wollten Spaß haben, aber "bestimmt keine Horrorfahrt erleben", betont die Anwältin. Es habe keine Anfeuerung des Fahrers durch die Beifahrer gegeben. Der Angeklagte habe das Vertrauen der Mitfahrer missbraucht – und die 21-jährige Ronja S. habe "dafür mit dem Leben bezahlt". Die Entschuldigung des Mannes, "er trage schwer an den Folgen", klinge wie Hohn in den Ohren der Angehörigen. Auch dass er keinen Opfer-Täter-Ausgleich angestrebt habe, sei ein Minuspunkt, so die Nebenklage.

Das Urteil soll am Donnerstag verkündet werden.

Mit Informationen von dpa

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