Sonnenstrahlen scheinen durch den Wald.
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Sonnenstrahlen scheinen durch den Wald.

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Wald in Not: Wie Jäger und Förster um den richtigen Weg ringen

Trockenheit und Schädlinge haben in Bayern nicht nur hunderte Hektar Wald zerstört, er muss auch dringend fit gemacht werden für den Klimawandel. Waldumbau ist das Zauberwort - nur wie das gelingt, darüber gehen die Meinungen auseinander.

Über dieses Thema berichtet: Dossier Politik am .

Auf den ersten Blick wirkt dieser Wald ein wenig kahl: Einige Kiefern ragen in den Himmel, hier und da eine Eiche, auf halber Höhe bringen Buchen etwas Struktur. Früher standen hier auch Fichten, Erich Daum musste sie schon vor Jahren fällen lassen.

Der Förster geht über die Fläche, den Blick zu Boden gerichtet: Was in diesem Wald fehlt, ist die "Generation 1 Meter-plus". "Wir müssten normalerweise hier hüfthoch in einer Eichenverjüngung stehen", sagt Daum. "Jedes Jahr wirft uns Mutter Natur tonnenweise Eicheln ab". Doch sobald die ihren Kopf aus den Schwarzbeeren strecken, machen sich Wildtiere daran zu schaffen.

Konflikt zwischen Forst und Jagd

Tatsächlich ist der Waldboden übersät mit kleinen Eichen: Die Eiche gilt als klimastabile Baumart, weil sie tief wurzelt. Und während überall in Bayern Millionen Eicheln gepflanzt werden, kommen sie hier von allein auf. Eigentlich. "Vom Durchmesser des Stämmchens könnte die schon locker einen Meter hoch sein", sagt Förster Erich Daum. Doch die Eichen sind hier überall abgebissen "Was übrigbleibt, sind Kiefern, Fichten, ab und zu eine Buche – die Eiche wird uns raus gebissen. Unser Wald wird hier selektiv entmischt durch die Rehe."

Hier beginnt er, der Konflikt zwischen Forst und Jagd: Laut aktuellem Vegetationsgutachten ist jede vierte junge Eiche so massiv vom Rehwild verbissen, dass sie nicht gesund wachsen kann - und oft sogar abstirbt. Bei der Vorstellung des Berichts wurde Forstministerin Michaela Kaniber ungewöhnlich deutlich: Sie sieht die Jägerschaft klar in der Mitverantwortung.

Millionen für den Waldumbau

"Der Wildverbiss verhindert, dass zukunftsfähige Mischwälder wachsen können", sagt Kaniber. Zu hohe Wildbestände würden ausgerechnet die Baumarten verschwinden lassen, die man für stabile Zukunftswälder dringend brauche. "Deshalb ist die Jagd in Zeiten der Klimakrise mehr denn je von existenzieller Bedeutung für unsere Wälder."

Der Freistaat investiert viel Geld in den Waldumbau: 40 Millionen Euro allein im letzten Jahr. 200.000 Hektar Privatwald sollen bis 2030 in klimafeste Mischwälder umgebaut werden, die Pflanzungen laufen bayernweit auf Hochtouren. Und all diese Flächen müssen aufwendig umzäunt werden, weil das Wild die gedüngten Baumschulpflanzen noch lieber verbeißt als die natürliche Vegetation.

Es ändert sich nichts am Wildverbiss

Jahrzehntelang haben Förster und Waldbesitzer das geräuschlos hingenommen, aber nun, im Klimawandel läuft ihnen die Zeit davon. Matthias Jessen leitet das Revier Hallerndorf. Er ist einer jener Förster, die alle drei Jahre den Zustand der Naturverjüngung begutachten, nach strengen wissenschaftlichen Vorgaben und auf Wunsch, im Beisein des Jagdpächters. Auf Basis des Gutachtens erstellen die Landratsämter die Abschusspläne. Nur: Es ändert sich nichts am Wildverbiss.

"Den Jägern fehlt oft die Einsicht, dass die Verjüngung im Wald unter einem zu geringen Rehwildabschuss leidet", sagt Matthias Jessen. Das sei das eigentliche Problem eigentlich. "Und jetzt, im Klimawandel, ist es so wichtig, dass wir die natürliche Verjüngung unserer Waldbäume durchbringen können, denn jeder gepflanzte Baum gerät ins Hintertreffen hinter jeder Pflanze, die aus einem Samen aufgeht, in der Erde."

Landesjagdverband stellt Gutachten infrage

Dabei ist es laut Bayerischem Jagdgesetz die Pflicht der Jägerschaft, dafür zu sorgen, dass "die natürliche Verjüngung im Wesentlichen ohne Schutz" aufwachsen kann. Was fehlt, sind Jagdbehörden, die dieses Gesetz auch durchsetzen: Fast ein Viertel der Hegegemeinschaften hat seit fünf Vegetationsgutachten einen zu hohen Wildverbiss: ohne juristische Konsequenzen. Die Jäger füllen ihre Abschusslisten selbst aus, kaum ein Landratsamt verlangt einen körperlichen Nachweis über das erlegte Wild.

Nun gibt es rund 70.000 Jäger im Freistaat, der Großteil ist im Landesjagdverband organisiert. Und der stellt nicht nur die Aussagekraft des Gutachtens infrage – es sei die subjektive Einschätzung des jeweiligen Försters, heißt es – es wird auch darauf verwiesen, dass die Abschusszahlen seit Jahren steigen.

Jäger fühlen sich zu Unrecht an den Pranger gestellt

Man werde zum Sündenbock gemacht für das, was der Forst in jahrzehntelanger Fehlplanung angerichtet habe, so Hans-Jürgen Dittmann vom Kreisverband Forchheim. "Es gibt sehr viele Jäger, die meinen, der Forst hätte schon früher reagieren sollen und klimafeste Baumbestände schaffen sollen, sodass die die Zukunft garantieren." Jetzt müssten die Jäger hinterherlaufen und eine Art Aktionismus begleiten, kritisiert Dittmann.

Dabei ist es durchaus möglich, durch gemeinsame Jagden den Rehwildbestand auf ein gesundes Maß zu reduzieren. Beispiel Forstbetrieb Ebrach: Försterin Petra Diener wurde kürzlich dafür ausgezeichnet, dass bei ihr auch Zukunftsbaumarten wie Eichen, Ahorne und Ulmen ohne Schutz heranwachsen.

Försterin: "Es gibt bessere Möglichkeiten"

"Die Jagd ist die Grundlage für die Waldverjüngung, weil ich nur allein damit effizient einen Waldumbau betreiben kann", erklärt Petra Diener. Man könne auch viel zäunen im Wald, aber das koste alles sehr viel Geld. "Und es gibt bessere Möglichkeiten, diesen Waldumbau durch eine waldangepasste ökologische Jagd zu erreichen."

Niemand weiß, wie viel Rehwild es tatsächlich gibt: Die Abschusszahlen deuten darauf hin, dass die Populationen steigen, eben weil es den Rehen so gut geht, in einem nahrungsreichen Mischwald. Niemand möchte einen Wald ohne Wild. Aber der Waldumbau kann tatsächlich nur gelingen, wenn beide Seiten an einem Strang ziehen: Forst und Jägerschaft.

Mehr zu diesem Thema gibt es Dossier Politik am Mittwochabend um 21 Uhr auf Bayern 2: "Klimapolitik: Ist der Wald noch zu retten?"

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