Hummel zwischen Apfelblüten
Bildrechte: picture alliance/Nicolas Armer/dpa

Weltweit gehen die Insekten zurück, nur bei Süßwasserinsekten sieht es etwas besser aus.

Per Mail sharen
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Neue Studie bestätigt: Weltweit gibt es immer weniger Insekten

Viele Untersuchungen zum Insektensterben sind regional begrenzt. Eine neue Studie hat weltweite Daten ausgewertet und sie zeigt: Die regionalen Unterschiede sind zwar erheblich, doch der Rückgang ist deutlich. Aber es gibt auch Grund zur Hoffnung.

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

Die neue Metastudie aus Halle-Leipzig bestätigt den Trend: Es gibt ein weltweites Insektensterben. Die Studie beziffert: Knapp neun Prozent weniger Insekten pro zehn Jahre, die auf dem Boden, in Bodennähe oder in der Luft leben, das ist weiter ein deutlicher Verlust. Nur bei den Süßwasserinsekten sieht es demnach anders aus. Da findet die Studie des Niederländers Roel van Klink vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung eine Zunahme um fast elf Prozent pro Jahrzehnt. Doch auch das ist eigentlich kein Grund zur Freude, so der Wissenschaftler.

Über 160 Studien weltweit ausgewertet

Die meisten Studien zum Insektensterben sind regional, lassen sich nur schlecht verallgemeinern. So auch die berühmte Krefelder-Insektenstudie, die einen Rückgang der Insekten sogar in Naturschutzgebieten zeigen konnte. Roel van Klink hat mit seinen Kollegen 166 Langzeitstudien ausgewertet, die insgesamt 1.700 Standorte in 41 Ländern untersucht haben. Dabei haben sie auch Studien eingeschlossen, die keinen Rückgang der Insektenzahlen zeigen konnten. Dennoch:

"Es ist eigentlich eine Bestätigung, dass es ziemlich schlimm ist. Es hat uns eigentlich überrascht, dass wenn wir auch die anderen Daten, die von den Nicht-Zunahmen oder überhaupt keinen Änderungen in der Anzahl der Insekten, wenn wir alles zusammen schmeißen, dass wir noch immer eine Abnahme finden." Dr. Roel van Klink, Ökologe, Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung

Unterschiede zwischen Insektenarten

Doch die Studie zeigt auch: Einzelne Insektenarten können nicht gleich betrachtet werden. So seien Insekten, die auf Bäumen leben, nahezu stabil geblieben, Insekten, die am Boden leben oder in Bodennähe oder fliegen, wie zum Beispiel Honigbienen oder Wildbienen, seien seltener geworden. Die Süßwasserinsekten sind im letzten Jahrzehnt häufiger geworden. Doch auch das ist nur ein genereller Trend.

"Auch in beide Gruppen gibt es riesige Unterschiede. Zum Beispiel im hohen Norden zählen wir sowohl für die, die auf dem Land leben, als auch für die Wasserinsekten Zunahmen. Und das kann mit Klimawandel zu tun haben, wir sind nicht sicher. Und Abnahmen gibt es auch für beide Gruppen zum Beispiel auch die Süßwasserinsekten haben abgenommen im nordamerikanischen Mittleren Westen." Dr. Roel van Klink, Ökologe, Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung

Kein Grund zur Entwarnung

Auch wenn die neue Studie nicht ganz so katastrophal ausfällt. Einen Grund zur Entwarnung besteht nicht. Das sagen auch Forscherinnen und Forscher, die nicht an der Studie beteiligt waren.

"Erstens sind auch neun Prozent Abnahme pro Jahrzehnt bei landlebenden Insekten langfristig eine Katastrophe. Und zweitens ergeben sich die niedrigeren Gesamtzahlen vor allem dadurch, dass die Daten für Weltregionen außerhalb von Nordamerika und Europa deutlich geringere oder gar keine Abnahmen zeigen, wobei es aus diesen Regionen aber auch viel weniger Studien gibt. Ich denke, die Verwendung der Begriffe 'Insect Armageddon' oder 'Insect Apocalypse' ist nach wie vor berechtigt." Prof. Johannes Steidle, Leiter Chemische Ökologie, Universität Hohenheim

Es müsse weiter alles getan werden, um den Rückgang der Insekten zu beenden, vor allem und gerade in Nordamerika und Europa.

Landwirtschaft, Verstädterung und Klimawandel als mögliche Ursachen

Viele Faktoren können Schuld daran sein, dass die Insektenzahl weltweit zurückgeht. Roel van Klink nennt als Beispiel die Verstädterung. Wenn freie Flächen bebaut werden, ist kaum noch Platz für Insekten. Die zunehmende Lichtverschmutzung mache den Insekten auch sehr zu schaffen.

Die Landwirtschaft spiele auch eine Rolle. Pestizide seien für viele Insekten schädlich, darüber hinaus trage sie möglicherweise zu viele Nährstoffe in die Natur. In Südamerika zerstöre die Landwirtschaft sogar noch unberührte Lebensräume.

"Das zeigt, wie auch durch andere Studien bekannt, dass Lebensraumverlust der Hauptverursacher für den Rückgang ist. Eine Aussage, wie weit die Landwirtschaft am Insektenrückgang beteiligt ist, kann diese Studie nicht geben." Prof. Alexandra-Maria Klein, Landschaftsökologin, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (an der Studie nicht beteiligt)

Süßwasserinsekten profitieren womöglich von besserer Wasserqualität

Dass es den Süßwasserinsekten anscheinend besser geht, ist nur auf den ersten Blick eine gute Nachricht. Sie profitieren vielleicht davon, dass durch konsequente Wasserschutzgesetze die Qualität ihres Lebensraums viel besser ist als noch vor einigen Jahren. Aber:

"Eine Zunahme der Anzahl oder Biomasse von Süßwasserinsekten ist nicht automatisch ein Indikator für eine bessere Wasserqualität oder ökologische Verbesserung der Lebensräume. Je schlechter der Ausgangszustand eines Lebensraumes zu Beginn der einzelnen Langzeitstudie war – zum Beispiel durch Belastung mit Schwermetallen oder starke Verunreinigungen –, desto wahrscheinlicher steht eine Zunahme der Insekten tatsächlich für eine Verbesserung des Lebensraumes." Dr. Nadja Simons, Arbeitsgruppe Ökologische Netzwerke, TU Darmstadt (an der Studie nicht beteiligt)

Aussagekräftiger wäre dabei vor allem die Artenvielfalt als nur die bloße Anzahl an Süßwasserinsekten. Ein höheres Nährstoffangebot könnte dazu führen, so die Forscherin Nadja Simons, die an der Studie nicht beteiligt war, dass sich nur einzelne Arten vermehren. Sehr spezialisierte Insektenarten, die an nährstoffarmes Wasser angepasst sind, hätten davon keinen Vorteil.

Mehr Forschung ist nötig

Die Forscher selbst sehen auch deutliche Beschränkungen für ihre Studie. Die Daten seien regional sehr unterschiedlich und darum schwer zu verallgemeinern. Darüber hinaus kämen die meisten Studien aus Nordamerika und Europa, außerdem seien geschützte Regionen überdurchschnittlich häufig untersucht worden. Der Insektenrückgang sei aber wohl gerade in stark von Menschen genutzten Gebieten stärker und tauche so in der Meta-Analyse nicht deutlich genug auf.

Insekten sind auch für uns Menschen wichtig

Weil die Studie eine Metastudie ist, tut sie sich schwer damit, die Ursachen für die Veränderungen bei den Insekten genau zu analysieren. Deutlich aber wird: Insektenschutz geht nur, indem man ihren Lebensraum bewahrt. Wenn der Wald, die Wiese, die Landwirtschaft wieder naturnäher werden, wenn die Flüsse und Seen sauberer werden, profitieren die Insekten. Das werde auch durch Studien in Naturschutzgebieten bestätigt, in denen der Rückgang der Insekten weniger schnell voranschreitet.

Insektenschutz ist auch Menschenschutz: Insekten bestäuben zum Beispiel kostenlos unsere Obstbäume. Käfer sind die natürliche "Müllabfuhr" in der Natur und darüber hinaus sind Insekten auch Nahrungsquelle für Vögel und Fledermäuse.

"Darüber spricht Bayern": Der neue BR24-Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!