Plastikbeutel mit FFP2-Masken und OP-Masken auf einem Tisch
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Über den Nutzen von Masken wurde während der Pandemie heftig gestritten.

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Cochrane entschuldigt sich für missverständliche Masken-Studie

Eine Review des Forschungsnetzwerks Cochrane sorgte im Februar für Aufregung: Angeblich beweise sie, Masken hätten in der Corona-Pandemie wenig oder nichts genutzt. Nun hat die Cochrane-Chefredakteurin diese Deutung als falsch zurückgewiesen.

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Kurz bevor in Deutschland fast überall die Maskenpflicht wegfiel, schlug eine Übersichtsarbeit (Review) des renommierten Forschungsnetzwerks Cochrane noch einmal hohe Wellen. Sie liefere den Beweis, Masken hätten keine Wirkung gegen die Ausbreitung des Coronavirus, wurde in sozialen Medien behauptet. Diese Schlussfolgerung war und ist jedoch falsch. Darauf wiesen Experten schon unmittelbar nach Erscheinen der Arbeit hin und auch Cochrane Deutschland warnte vor "allzu weitreichenden Deutungen" der Ergebnisse.

Chefredakteurin bezieht Stellung

Nun hat die Chefredakteurin der Cochrane Library, Karla Soares-Weiser, im Namen des weltweiten Cochrane-Netzwerks eine Stellungnahme veröffentlicht: "Viele Kommentatoren haben behauptet, ein kürzlich aktualisierter Cochrane-Review zeige, dass 'Masken nicht funktionieren', was eine ungenaue und irreführende Interpretation ist. Korrekt wäre es zu sagen, dass in dem Bericht untersucht wurde, ob Maßnahmen zur Förderung des Tragens von Masken dazu beitragen, die Ausbreitung von Atemwegsviren zu verlangsamen, und dass die Ergebnisse nicht eindeutig waren." Ob das Tragen von Masken an sich das Ansteckungsrisiko oder die Verbreitung von Atemwegsviren verringert, war hingegen nicht das Thema der Studien.

Entschuldigung für missverständliche Wortwahl

In der Zusammenfassung hatten die Autoren der umstrittenen Cochrane-Auswertung geschrieben "Wir sind uns nicht sicher, ob das Tragen von Masken oder N95/P2-Atemschutzmasken (entspricht FFP2-Masken) dazu beiträgt, die Verbreitung von Atemwegsviren auf der Grundlage der von uns ausgewerteten Studien zu verlangsamen". Soares-Weiser schreibt nun dazu: "Diese Formulierung konnte falsch interpretiert werden, wofür wir uns entschuldigen."

Die kurze und längere Zusammenfassung der Studie (Abstract und Plain Language Summary) sollen nun in Zusammenarbeit mit den Autoren aktualisiert werden und klarstellen, dass es in der Überblicksarbeit um den Effekt von Maßnahmen zur Förderung des Tragens von Atemschutzmasken ging - und nicht um den Effekt des Tragens von Masken an sich.

"Goldstandard"-Studien in der Pandemie schwer durchführbar

Cochrane-Auswertungen werden in der Medizin oft als Goldstandard bezeichnet. Die Mitarbeiter des Netzwerks werten für diese die Ergebnisse von randomisiert-kontrollierten Studien aus. Das heißt, sie berücksichtigen nur Studien, in denen eine Testgruppe mit einer anderen Gruppe verglichen wird. Die Zuordnung der Teilnehmer zu den Gruppen muss außerdem zufällig sein. Randomisiert-kontrollierte Studien eignen sich sehr gut, um zum Beispiel die Wirkung von Medikamenten zu beurteilen. Die Methode ist aufwendig, dafür muss die Zahl der Teilnehmer solcher Studien nicht unbedingt sehr groß sein. Aus der Kombination der Ergebnisse mehrerer randomisiert-kontrollierter Studien lassen sich meist zuverlässige Schlussfolgerungen ziehen.

Die Cochrane-Auswertung, die für Aufregung sorgte, ist nicht neu, sondern läuft schon seit 2006. Im Februar erschien zum vierten Mal eine neue, aktualisierte Ausgabe der Ergebnisse. Insgesamt enthält der Review nun 78 Studien, fast alle aus der Zeit vor der Corona-Pandemie. In den meisten geht es um Maßnahmen wie Händewaschen und Desinfektion. Zwölf Studien vergleichen das Tragen einer Gesichtsmaske und keiner Maske. Zwei behandeln den Einsatz von Masken gegen die Übertragung von SARS-CoV-2. Die eine Studie wurde in Dänemark, die andere in Bangladesch durchgeführt. Beide zeigten einen positiven Effekt, wenn Masken in der Bevölkerung verteilt wurden, beziehungsweise dazu geraten wurde, sie zu tragen.

Die Zahl der Masken-Studien, die den strengen Anforderungen von Cochrane genügen, ist gering. Das liegt an deren Methodik: Für eine randomisiert-kontrollierte Studien mussten während der Pandemie die Teilnehmer oder ganze Orte nach dem Zufallsprinzip in Gruppen eingeteilt und entschieden werden, wer eine Maske tragen sollte und wer nicht. Zu praktischen Schwierigkeiten bei der Umsetzung kamen ethische Probleme: Wer würde schon einem Studienteilnehmer in einer Pandemie verbieten, eine Maske zu tragen, wenn diese höchstwahrscheinlich vor Ansteckung schützt?

Ergebnisse aus Vor-Pandemiezeit kaum übertragbar

Die meisten Studien im Cochrane-Review stammen aus der Zeit vor Corona. Diese lassen sich aber nur sehr begrenzt auf die Pandemiezeit übertragen. Zum einen werteten die Review-Autoren Studien aus, die die Wirkung von Masken gegen andere Atemwegserreger wie Influenza-Viren untersuchten. Diese können aber andere Eigenschaften haben als das Coronavirus SARS-CoV-2. Zum anderen hielten sich Studienteilnehmer oft nicht an die Vorgaben.

In einer Studie über Hadsch-Pilger in Mekka gaben beispielsweise nur 24,7 Prozent derjenigen, die eine Maske tragen sollten, an, dies täglich zu tun. Dafür trugen 14,3 Prozent in der Gruppe, die keine Maske tragen sollten, trotzdem eine. Die Pilger schliefen außerdem meistens gemeinsam in Zelten zusammen mit 50 bis 150 anderen Menschen. Wenig überraschend gab es bei den Infektionszahlen in den beiden Gruppen kaum Unterschiede. Die Forscher konnten daher keinen Effekt beim Tragen von Masken feststellen und bezeichneten ihre Ergebnisse daher als "nicht eindeutig".

In einer anderen Studie, die von den Review-Autoren berücksichtigt wurde, hatte sich jedoch ein großer Teil der Teilnehmer an das Maskengebot gehalten. Sie wurde 2009 bis 2011 in Berlin durchgeführt, als das Schweinegrippe-Virus H1N1 kursierte. Ergebnis war: Das Tragen einer Maske kann die Übertragung des Virus in Haushalten reduzieren, falls Infizierte damit rasch nach der Diagnose beginnen und es danach weiterhin konsequent tun.

Fehlinterpretationen sind immer möglich

Während der Pandemie belegten viele Studien, dass Masken das Risiko senken, sich mit dem Coronavirus anzustecken. Physikalische Experimente zeigten, wie Masken die Verbreitung von Aerosolen der Atemluft reduzieren, über die das Coronavirus vorwiegend weitergegeben wird. Ein Beispiel dafür sind die Forschungen am Max-Planck-Institut (MPI) für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen.

Außerdem zeigen Beobachtungsstudien auf der ganzen Welt, dass die Zahl der Infektionen dort geringer war, wo das Tragen von Masken Pflicht war oder dazu geraten wurde, zum Beispiel schon zu Beginn der Pandemie in Jena. Diese Studien sind zwar nicht randomisiert-kontrolliert, aber trotzdem aussagekräftig.

Masken schützen also vor Corona-Infektionen, wenn sie korrekt getragen werden. Das ist Konsens in der Wissenschaft. Unklar ist aber, ob, beziehungsweise welche Wirkung Maskenpflichten in der Schule oder in öffentlichen Verkehrsmitteln hatten. Um das herauszufinden, wären mehr Studien notwendig, die diesen Fragen nachgehen.

Das hatten sich auch die Autoren des Cochrane-Review in ihrer Zusammenfassung gewünscht. Ihre Wortwahl bei den Ergebnissen war dagegen missverständlich. Chefredakteurin Soares-Weiser schreibt deshalb in der Cochrane-Stellungnahme: "Wissenschaftliche Beweisführungen sind zwar nie vor Fehlinterpretationen gefeit, aber wir übernehmen die Verantwortung dafür, dass die Formulierung nicht von Anfang klarer war."

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