Das Sappi-Werk in Stockstadt.
Bildrechte: Kai Asmussen / BR

Die mögliche Schließung der Papierfabrik Sappi in Stockstadt bereitet den Beschäftigten große Sorgen. 550 Menschen wären davon betroffen.

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Papierfabrik in Stockstadt: Gespräche zur möglichen Schließung

Der Papierhersteller Sappi will drei von sieben Werken in Europa schließen, darunter Stockstadt in Unterfranken - mit 550 Beschäftigten einer der größten Arbeitgeber in der Region. Heute wird die Belegschaft über das weitere Vorgehen informiert.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Mainfranken am .

Noch läuft die Produktion im Papierwerk von Sappi in Stockstadt, die das Ortsbild seit 1892 mitprägt. Aber ohne neuen Investor droht in drei Monaten die Schließung. Anfang des Jahres scheiterten Verkaufsgespräche. Heute will die Geschäftsleitung die Belegschaft über das weitere Vorgehen informieren. Der Betriebsrat und die Gewerkschaft IGBCE wollen umfangreiche Fragen stellen, um Klarheit zu gewinnen.

  • Zum Artikel: Papierindustrie: Festbeträge und Inflationsausgleich vereinbart

Mit 550 Beschäftigten ist die Papierfabrik einer der größten Arbeitgeber in der Region am bayerischen Untermain. Für Stockstadt und den Landkreis Aschaffenburg geht es auch um Gewerbesteuer und viele andere Arbeitsplätze, die mit Sappi in Verbindung stehen, etwa bei Zulieferern oder in der Logistik.

Die Gewerkschaft sprach von einem ergebnisoffenen Verfahren, wobei es auch um einen Interessenausgleich geht, möglicherweise mit Abfindungen und Sozialplan, wenn das Werk tatsächlich vor der Schließung steht.

Nach gescheiterten Verkaufsgesprächen mit dem Finanzinvestor Aurelius hatte Sappi festgelegt, das Werk in Unterfranken nicht mehr weiter zu betreiben, sondern vielmehr Ende Oktober 2023 stillzulegen.

Verkauf im laufenden Betrieb nicht möglich

So hieß es Anfang Juli, der Sappi-Mutterkonzern im südafrikanischen Johannesburg habe alle Optionen für das Werk Stockstadt, einschließlich Gesprächen mit anderen potentiellen Käufern geprüft. Dabei sei deutlich geworden, dass ein Verkauf des Werks als laufendes Unternehmen nicht möglich sei.

Bei den anschließenden Beratungen ging es auch um die mögliche Schließung des Werks und einen Verkauf des Geländes. Dafür würden sowohl die Zellstofffabrik nach 125 Jahren am Standort und die Papiermaschine von 1967 geschlossen werden. Die Kunden sollten dann aus der Produktion von anderen Sappi-Werken weiter bedient werden.

Hohe Kosten, schwindende Nachfrage

Ursprünglich sollte der Finanzinvestor Aurelius von der Dachgesellschaft Sappi Limited in Europa drei von sieben Papierfabriken übernehmen. Der eigentliche Eigentümer ist eine Finanzholding in Südafrika. Neben den größeren Werken in Maastricht (Niederlande) und Kirkniemi (Finnland) ging es um Stockstadt, wo ebenfalls grafische Papiere für die Druckindustrie hergestellt werden. Doch der Deal platzte, so dass die Zukunft für die 550 Mitarbeiter in Unterfranken seit Anfang des Jahres unsicher ist. Die Produktion lief bislang weiter, wobei hohe Rohstoffkosten für Holz und vor allem auch für Altpapier und die hohen Gaspreise seit dem Ukraine-Krieg das Geschäft erschwert haben.

Bereits 2020 hatte der Konzern entschieden, in Stockstadt eine von zwei Papiermaschinen am Standort zu schließen. Wegen der Digitalisierung und schwindenden Printauflagen ist die Nachfrage nach grafischen Papieren in den letzten Jahren zurückgegangen.

Gewinner und Verlierer in der Papierindustrie

Einige Fabriken haben ihre Produktion erfolgreich auf den boomenden Verpackungsmarkt mit Kartonagen umgestellt, der vom wachsenden E-Commerce und Onlinehandel profitiert. Außerdem gibt es noch erfolgreiche Nischen für Spezialpapiere wie etwa Zigarettenpapier und nicht zuletzt den großen Markt für Hygienepapiere, wie Küchentücher oder Toilettenpapier. Bei solchen Hygiene-Artikeln war es in der Corona-Krise sogar zu Hamsterkäufen der Verbraucher gekommen.

Investoren müssten Produktion umstellen und modernisieren

Für einen Investor stellt sich in Stockstadt vermutlich auch die Frage, ob es sich lohnt, an dem Standort umfangreiche Investitionen vorzunehmen, etwa um die bisherige Produktion umzustellen und zu modernisieren. Der Verkauf von grafischen Papieren, selbst für hochwertige Fotobücher oder Kunstbände wie sie hier hergestellt werden, leidet unter der Digitalisierung. In der Papierindustrie kommt es zurzeit zu einer Konsolidierung, wobei finanzstarke und große Gesellschaften, die sich hohe Investitionen leisten können, durchaus Perspektiven haben. Sie versuchen in attraktiven Zukunftsbereichen (wie Verpackungen, Spezialpapiere oder Hygiene) zu wachsen.

Mit Papier für Druckerzeugnisse ist kaum noch Geld zu verdienen

Wer dagegen nicht die nötigen Investitionen aufbringt, droht unterzugehen angesichts von aktuell schwierigen Rahmenbedingungen. Dazu gehören die hohen Energiepreise, das knappe Altpapier sowie eine allgemein eher schwache und wechselhafte Konjunktur. Es ist aber nicht so, dass die gesamte Papierbranche keine Zukunft hätte. Einige ausgewählte Unternehmen könnten aus der Krise später gestärkt hervorgehen. Viele ältere Fabriken auch von Traditionsunternehmen sind allerdings gefährdet, vor allem, wenn sie nur grafische Papiere herstellen.

So hat im niederbayerischen Plattling der UPM-Konzern als einer der führenden Hersteller grafischer Papiere etwa für Magazin- und Zeitungsdruck sowie von Feinpapieren ein Werk geschlossen. Das moderne Werk in Plattling war 1982 gegründet worden und beschäftigte zuletzt rund 400 Mitarbeiter. Zum Ende des Jahres wird es nun aufgrund der geringen Nachfrage seinen Betrieb einstellen.

Ukraine-Krieg lässt Produktionskosten steigen

Lange Zeit war Deutschland nicht nur im Maschinen- und Fahrzeugbau, sondern auch beim Papier "Exportweltmeister" und nahm auf dem Recycling-Markt für Altpapier international ebenfalls eine führende Stellung ein. Ein Grund dafür waren die günstigen Rahmenbedingungen, zu denen die Lieferung von billigem Erdgas aus Russland gehörte. Diesen Zugang zu günstiger Prozesswärme gibt es seit dem Ukraine-Krieg nicht mehr.

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