Zöschingens Bürgermeister Tobias Steinwinter (CSU) vor dem Material, das die Telekom schon zur Baustelle geliefert hatte.
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Zöschingens Bürgermeister hat die Telekom "Saftladen" genannt, weil der Konzern vereinbarte Bauarbeiten kurzfristig abgesagt hat.

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Baustelle bereit – Telekom verlegt Glasfaserausbau-Rohre nicht

Die Schächte sind ausgehoben, die Telekom hat das Material schon zur Baustelle geliefert. Doch dann sagt der Konzern den Einbau von Glasfaser-Leerrohren in Zöschingen kurzfristig wieder ab. Für die Gemeinde im Landkreis Dillingen wird es jetzt teuer.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Durch Zöschingen führt gerade nur eine Schotterpiste: Die Ortsdurchfahrt wird saniert. Da die Straße deswegen gerade aufgerissen ist, nutzt die Gemeinde die Gelegenheit, um auch gleich neue Abwasserrohre zu verlegen. Auch der Stromnetzbetreiber erneuert Leitungen. Nur die Telekom lässt sich die Chance entgehen. Obwohl schon alles ausgemacht wurde, hat der Konzern den Einbau von Glasfaser-Leerrohren kurzfristig wieder abgesagt. Auf den Ausbau-Kosten in Höhe von 160.000 Euro bleibt die Gemeinde nun vorerst selbst sitzen.

Bürgermeister nennt Telekom "Saftladen"

Zöschingens Bürgermeister Tobias Steinwinter (CSU) jedenfalls ärgert sich und nennt die Telekom im Gespräch mit BR24 einen "Saftladen". Er sei "erschüttert und irritiert". Der Einbau der Leerrohre sei fest vereinbart gewesen. Die Telekom habe das Material schon angeliefert und die Schächte entlang der Straße seien schon ausgehoben. Doch dann meldete die Telekom laut Bürgermeister Budgetschwierigkeiten.

Gemeinde bietet Telekom 40.000 Euro Zuschuss

Die Gemeinde wollte jedoch unbedingt verhindern, dass sie die neue Ortsdurchfahrt für das spätere Glasfasernetz ein weiteres Mal aufreißen muss. Deshalb habe man der Telekom einen Zuschuss von mehr als 40.000 Euro angeboten, berichtet Bürgermeister Tobias Steinwinter. Und das, obwohl die Telekom den Einbau eigentlich komplett selbst hätte bezahlen müssen. "Schließlich macht sie damit später auch Geschäfte", sagt Steinwinter. Die Telekom reagierte zunächst nicht. "Wir hatten sozusagen einen Deal", sagt Steinwinter. Nach einer Woche Funkstille habe die Telekom den Deal dann aber doch noch platzen lassen.

Telekom: Straßenbaufirma war zu teuer

Die Telekom erklärt, man habe sich mit der Straßenbaufirma vor Ort nicht einigen können. Die Firma saniert die Ortsdurchfahrt und hätte auch die Leerrohre für die Telekom einbauen sollen. Aber die Firma sei einfach zu teuer gewesen – trotz des Zuschusses der Gemeinde. Man bedauere das, denn man hätte gerne die Gelegenheit genutzt, dort Leerrohre mitzuverlegen. Durch die Leerrohre werden später die Glasfaserkabel gezogen.

Telekom-Sprecher: "Wir sind nicht schuldfrei"

Den Frust des Bürgermeisters könne man in gewisser Weise verstehen, sagt Telekom-Sprecher Markus Jodl zu BR24: "Wir haben sicherlich zu lange an diesem Projekt festgehalten. Wir hätten es eher stoppen sollen und können. Von daher sind wir da nicht schuldfrei."

In 500 bayerischen Kommunen gleichzeitig Glasfaserausbau

Laut Telekom handelt es sich aber nicht um ein grundsätzliches Problem. Man baue zurzeit in Bayern in 500 Kommunen gleichzeitig das Glasfasernetz aus. Jedes Bauvorhaben werde einzeln durchgerechnet. "Hier in Zöschingen sind wir nun zu dem Ergebnis gekommen, dass das Projekt nicht durchgeführt werden kann", sagt Sprecher Markus Jodl.

Vorwurf: Telekom vernachlässigt ländliche Gebiete

Für Zöschingens Bürgermeister Tobias Steinwinter ist seine Gemeinde ein typisches Beispiel dafür, wie die Telekom ländliche Regionen vernachlässige. Die Telekom versuche, dorthin zu gehen, wo sie maximal Gewinn herausschöpfen könne. In ländlichen Gebieten ist es dem Eindruck des Bürgermeisters nach wohl so, dass die Telekom dort nicht so gerne hingehe, "weil sich da der Euro nicht so schnell verdienen lässt", sagt Steinwinter.

Bundesregierung und Freistaat wollen Glasfaserausbau vorantreiben

Wenn es nach der Bundesregierung geht, soll es bis 2030 ein flächendeckendes Glasfasernetz geben - so steht es in der sogenannten Gigabitstrategie. Allein in diesem Jahr wird der Glasfaserausbau mit drei Milliarden Euro deutschlandweit gefördert. Auf Bayern entfallen davon 450 Millionen. Der Bund fördert 50 bis 70 Prozent der Ausbaukosten, Bayern stockt diesen Wert auf 90 Prozent auf. Doch Bayerns Finanzminister Füracker hat selbst zugegeben, dass das Antragsverfahren kompliziert sei.

Bevor Kommunen nämlich einen Förderantrag stellen können, müssen sie unter anderem klären, ob sich nicht ein Telekommunikationsunternehmen findet, das in Erwägung zieht, ein Glasfasernetz auf eigene Kosten zu verlegen und zu betreiben - also wie im Fall von Zöschingen die Telekom.

In vielen Fällen ist es für die Unternehmen auch ein lohnendes Geschäft. Die Telekom bietet oftmals an, den Ausbau zu übernehmen - um sich damit für später die Kunden zu sichern.

Erst, wenn sich kein Unternehmen findet, das den Ausbau übernimmt, kann die staatliche Förderung beantragt werden. Ob die Gemeinde Zöschingen allerdings nun nachträglich - nachdem der Deal mit der Telekom geplatzt ist - ein anderes Unternehmen findet oder alternativ die staatliche Förderung bewilligt bekommt, ist unklar. Zöschingens Bürgermeister will es versuchen. Doch in Vorkasse muss er auf alle Fälle gehen.

Einbau der Leerrohre kostet Zöschingen 160.000 Euro

Denn: Die Gemeinde steht unter Zeitdruck. Ein zweites Mal will man die Hauptstraße nicht wieder aufreißen.

Kurzfristig hat sich der Netzbetreiber NetCom BW, der in Zöschingen gerade auch das Stromnetz ausbaut, bereit erklärt, die Leerrohre zu verlegen - allerdings auf Rechnung der Gemeinde. Für die geplanten zwei Bauabschnitte seien das rund 160.000 Euro. Geld, das der kleinen Gemeinde nun zum Beispiel für die Instandhaltung des Kindergartens fehlt.

Dieser Artikel ist erstmals am 02. August 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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