Euro-Scheine in einer Geldbörse (Symbolbild)
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Wenn das Bürgergeld steigt, haben einige wieder etwas mehr in der Brieftasche

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Bürgergeld steigt: Lohnt sich Arbeit jetzt noch?

Das Bürgergeld wird im nächsten Jahr deutlich steigen. Das hat das Bundeskabinett am Mittwoch beschlossen. Die Union sieht darin ein falsches Signal. Wer arbeitet, müsse mehr Geld haben als Empfänger von Sozialleistungen. Was ist dran an der Kritik?

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Die mehr als fünf Millionen Bürgergeld-Empfänger sollen zum 1. Januar 2024 im Schnitt rund zwölf Prozent mehr Geld bekommen. Das Bundeskabinett hat am Mittwoch in Berlin eine entsprechende Verordnung von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) beschlossen. Heil hatte die Anhebung bereits Ende August angekündigt. Seitdem wird kontrovers darüber diskutiert.

CDU-Chef Friedrich Merz hatte es kürzlich in der Generaldebatte im Bundestag nochmal betont: Arbeit muss sich wieder lohnen. Menschen mit Job müssen seiner Meinung nach am Ende des Jahres mehr herausbekommen als Menschen, die Sozialleistungen beziehen. Bekommen Bürgergeld-Empfänger wirklich mehr als Geringverdiener? Und warum entwickeln sich Mindestlohn und Bürgergeld unterschiedlich?

Warum steigt das Bürgergeld?

Das Bürgergeld steigt zum 1. Januar 2024 für Singles von 502 Euro auf 563 Euro im Monat. Das ist ein Aufschlag von zwölf Prozent. Dieser Regelsatz wird normalerweise jedes Jahr neu berechnet und orientiert sich an der Entwicklung der Preise und Löhne.

Beides ist in den vergangenen Monaten angestiegen. Folglich steigt auch das Bürgergeld, damit die Bezieher sich die grundlegenden Dinge des Lebens weiter leisten können. Schließlich müssen die aktuell mehr als fünf Millionen Bürgergeldempfänger zum Beispiel für Lebensmittel tiefer in die Tasche greifen.

Bundesarbeitsminister Heil stellt klar, das Bürgergeld sichere das Existenzminimum: "Nicht mehr und nicht weniger".

Steigt der Mindestlohn ähnlich stark?

Nein. Der Aufschlag des allgemeinen Mindestlohns beträgt für die nächsten beiden Jahre insgesamt 6,8 Prozent. Im nächsten Jahr steigt er von zwölf Euro in der Stunde auf 12,41 Euro. Im Jahr 2025 soll der Mindestlohn dann bei 12,82 Euro liegen.

Die Höhe des Mindestlohns wird normalerweise zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern ausgehandelt. Diese Mindestlohnkommission macht alle zwei Jahre einen Vorschlag, dem der Bundestag als Gesetzgeber in der Regel folgt. Es sind aber auch Abweichungen möglich. So vereinbarten SPD, Grüne und FDP in ihrem Koalitionsvertrag für das Jahr 2022 eine außerplanmäßige Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro.

Die neueste Empfehlung für die kommenden beiden Jahre war in der Mindestlohnkommission umstritten. Die Gewerkschaften forderten einen höheren Aufschlag. Die unabhängige Vorsitzende stimmte mit den Arbeitgebern für ein geringeres Plus. Das erklärt, warum sich Mindestlohn und Bürgergeld unterschiedlich entwickeln.

Wie entwickelt sich der Lohnabstand?

Das ist pauschal nicht zu beantworten. Berechnungen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft über den Abstand zwischen Mindestlohn und Bürgergeld hatten vor wenigen Monaten für viel Aufsehen gesorgt.

Die Wissenschaftler hatten berechnet, dass Single-Haushalte mit oder ohne Kinder durch Arbeitslohn und Wohngeld immer mehr Geld zur Verfügung haben als vergleichbare Bürgergeldbezieher.

Wer zum Mindestlohn von zwölf Euro die Stunde arbeitet, hat in dieser Modellrechnung 364 Euro mehr monatlich in der Tasche als ein Empfänger des Bürgergelds.

Eine Alleinverdiener-Familie mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern kann laut den Berechnungen unter Umständen 54 Euro im Monat weniger zur Verfügung haben als eine Familie mit zwei Bürgergeldempfängern. Der Lohnabstand wäre in diesem Fall also sogar negativ.

Wie gesagt: Es handelt sich um eine Modellrechnung für Mindestlohnverdiener, die sich nicht verallgemeinern lässt. Denn in dieser Rechnung kommt es auf viele Faktoren ab, etwa auf das Alter der Kinder oder auf die Höhe des Wohngelds.

Lohnt es sich noch zu arbeiten?

Wer zu Mindestlohnkonditionen arbeitet und kein Wohngeld oder Kinderzuschlag beantragt, kann in einer Alleinverdiener-Familie unter bestimmten Umständen weniger Geld in der Tasche haben als eine Familie mit Bürgergeld.

Wer aber die entsprechenden Sozialleistungen nutzt (zum Beispiel Aufstockerleistungen oder Kinderzuschlag) und Vollzeit für zwölf Euro in der Stunde arbeitet, hat nach Berechnungen verschiedener Forscher immer mehr in der Tasche als Bürgergeldempfänger.

Wer arbeitet, kann zudem von weiteren Entlastungen profitieren. Arbeitsminister Heil verweist darauf, die Steuern und Sozialversicherungsbeiträge für Geringverdiener gesenkt zu haben. Außerdem sei es lohnender geworden, sich noch etwas dazuzuverdienen.

Im Audio: Spahn-Kritik an Bürgergeld-Erhöhung schlägt hohe Wellen

Jens Spahn (CDU) spricht im Deutschen Bundestag
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Spahn-Kritik an Bürgergeld-Erhöhung schlägt hohe Wellen

Dieser Artikel ist erstmals am 7. September 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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