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Frauen im Vorstand: Wie wird Frau erfolgreich und bleibt es? (Symbolbild)

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Wie wird Frau im Vorstand erfolgreich und bleibt es?

In Bayern gibt es deutschlandweit die meisten börsennotierten Unternehmen. Zwar werden immer mehr Frauen in Vorstände berufen, doch insgesamt sind sie immer noch eine Minderheit. Dabei gäbe es etliche Stellschrauben, um das zu ändern.

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Allianz, Adidas, BMW - das sind nur drei der insgesamt 36 börsennotierten Unternehmen, die nach Angaben des Statistischen Bundesamts im November 2022 ihren Sitz in Bayern hatten. In keinem anderen Bundesland gibt es mehr Firmen, die im Dax, MDax oder SDax notiert sind.

Seit der Einführung des zweiten Führungspositionen-Gesetzes, umgangssprachlich der Frauenquote, müssen börsennotierte Firmen ab 20.000 Beschäftigten und ab drei Personen im Vorstand seit August 2022 mindestens eine Frau in der Führungsetage engagieren. Die zehn bayerischen DAX-Konzerne haben das Soll alle erfüllt.

  • Zum Artikel: Wie mehr Frauen in Führungspositionen kommen können

"Rollenbilder in Deutschland stärker als im Ausland"

Bei der Eon SE, dem Mutterkonzern der Münchner E.ON Energie Deutschland GmbH, arbeitet Victoria Ossadnik in der Unternehmensführung. Die promovierte Physikerin verantwortet dort die IT-Strategie und Digitalisierung. In den Vorstandsetagen von Unternehmen sollten ihrer Meinung nach sowohl Männer als auch Frauen sitzen, um alle Kundenperspektiven vertreten zu können.

Nachdem sie in internationalen Unternehmen in Frankreich, den USA und Skandinavien gearbeitet hat, sagt sie, dass Deutschland "eine Herausforderung im internationalen Vergleich" habe, weil hier häufiger "Rollen auf Frauen oder Männer bezogen werden". Das heißt, dass viele Menschen in Deutschland noch davon ausgehen, dass Männer arbeiten und Frauen sich um die Kinder kümmern.

Schulsystem sollte mehr Diversität vermitteln

Um das zu ändern, wünscht sie sich unter anderem ein anderes Schulsystem, das bereits mehr Diversität vorlebt. Das könnte passieren, indem zum Beispiel mehr Männer als Erzieher und Grundschullehrer gewonnen werden. Außerdem sollte sich das Schulsystem ihrer Meinung nach "stärker auf Berufe beziehen und weniger auf Weltanschauung".

Damit könnten mehr Frauen für technische Berufe gewonnen und die traditionellen Geschlechterrollen überwunden werden, findet Victoria Ossadnik. Beides kann helfen, mehr Frauen bis an die Spitze von Unternehmen zu bekommen. Davon ist die Managerin überzeugt.

"Frauen und Männer werden unterschiedlich beurteilt"

In vielen Unternehmen gebe es ausreichend Kandidatinnen für eine Führungsrolle, doch sie kämen häufig nicht bis an die Spitze der Karriereleiter, erklärt Wiebke Ankersen von der Berliner Allbright Stiftung. Sie setzt sich dafür ein, dass mehr Frauen in Vorstände deutscher Unternehmen kommen und führt mit ihrer Stiftung entsprechende Studien durch.

Weibliche Führungskräfte werden häufig anders bewertet als ihre männlichen Kollegen und "Frauen auf den unteren und mittleren Hierarchieebenen wurden nicht konsequent genug gefördert, um einen ausreichend großen Pool an weiblichen Führungskräften zu haben", erklärt Ankersen. Von Unternehmen fordert sie deswegen, dass Talente unabhängig von Geschlecht gefördert werden.

Das "Thomas-Prinzip" in deutschen Vorständen

Der "typisch deutsche Vorstand" sei Mitte 50, aus Westdeutschland, Ingenieur oder Wirtschaftswissenschaftler, manche seien Juristen. Lange waren die Führungsetagen der deutschen Firmen damit recht homogen. Vor einigen Jahren hat die Allbright Stiftung eine Studie zu diesem Phänomen veröffentlicht und es das "Thomas-Prinzip" genannt. Bis vor einiger Zeit haben die Zahlen bestätigt, dass mehr Männer mit den Vornamen Thomas und Michael in einem deutschen Vorstand saßen als Frauen insgesamt.

"Dieser Thomas an der Spitze traut einfach anderen Personen, die einen sehr ähnlichen Hintergrund haben, wie er, am ehesten das zu, was er selbst kann", erklärt Wiebke Ankersen. Deshalb stelle ein Thomas gerne einen Thomas ein, der wiederum einen Thomas einstelle. Damit seien sowohl Frauen als auch Ostdeutsche und Menschen mit Migrationshintergrund in den Führungsetagen deutscher Unternehmen unterrepräsentiert. Gerne mit Personen zusammenzuarbeiten, die einem ähneln, sei dabei kein männliches psychologisches Prinzip, sondern ein menschliches, betont Ankersen.

Studie: Immer mehr Frauen im Vorstand

Inzwischen hat sich die Situation etwas geändert. Es werden immer mehr Frauen in die Führungsetagen deutscher Unternehmen berufen, das zeigt der neueste Bericht der Allbright Stiftung. Im September hatten sie rund 17,4 Prozent der Vorstandposten der 160 untersuchten Unternehmen, die im in DAX, MDAX und SDAX notiert sind, inne.

Frauenanteil an der Spitze europäischer Unternehmen steigt

Ein Trend, der auch europaweit zu sehen ist. Das hat die Professorin für Innovationsökonomik an der TU München, Hanna Hottenrott, herausgefunden. Sie hat in den Jahren 2002 bis 2019 den Frauenanteil in Vorständen von 3.000 europäischen Unternehmen untersucht und festgestellt, dass auch hier die Zahl der Frauen in Führungspositionen über die Jahre zugenommen hat.

Hottenrott ist der Meinung, dass öffentliche Diskussionen, wie die um die Frauenquote in Deutschland, Unternehmen dazu bringen, vermehrt Frauen in Vorstände zu berufen. Allerdings hat sie in ihrer Forschung einen Sättigungseffekt festgestellt. "Wenn erst mal ein oder zwei Frauen berufen sind, dann ist es auch gut." Darüber hinaus konnte sie einen Ersetzungseffekt feststellen: Verlässt eine Frau einen Vorstand, wird sie sehr wahrscheinlich durch eine andere Frau ersetzt.

Diskussion um Frauenquote hat positive Effekte

Frauen in den Führungsetagen von Unternehmen sind ihrer Meinung nach wichtig, weil "es Auswirkungen darauf hat, wie Unternehmen sich entwickeln, welche Produkte sie anbieten, wie innovativ sie sind, wie die Arbeitsbedingungen für Mitarbeiter sind und damit auch, wie wettbewerbsfähig sie sind", erklärt die Innovationsökonomin. Das heißt, dass Unternehmen anders funktionierten, wenn auch Frauen im Vorstand sitzen.

"Das Image von Arbeit sollte sich ändern"

Um mehr Frauen in die Führungsetagen zu bekommen, fordert Nicole Gerhardt eine weitere, gesellschaftliche Veränderung, und zwar die Sicht auf die Arbeit. Die studierte Juristin sitzt seit 2017 im Vorstand von Telefónica Deutschland, einem MDax-Unternehmen aus München, zu dem auch das Telekommunikationsunternehmen O2 gehört.

Sie hat oft festgestellt, "dass viele Frauen das gar nicht für sich auf dem Radar haben, dass Führung immens viel Spaß machen kann", sagt Gerhardt. Dabei habe sie festgestellt, dass Arbeit nichts sein muss, dass man gegen andere Dinge, die Spaß machen, abwägen muss. Familie, Freunde, Beruf, man könne alles zusammen haben. Das ist ihre Erfahrung. Nur vielleicht nicht zur selben Zeit. In ihrem Unternehmen versucht sie, das zu vermitteln.

Mit dem Vorstandsposten im Tandem gegen Fachkräftemangel

Spaß an ihrer Arbeit hat auch Fränzi Kühne. Sie war die jüngste Frau in einem Aufsichtsrat in Deutschland und hat den ersten Vorstandsposten in Teilzeit im Tandem mit einem Kollegen und Freund. Im Alter von 38 Jahren hat ihn Fränzi Kühne angetreten. Seit März 2022 teilt sie sich den "Chief Digital Officer" im Vorstand der Edding GmbH mit Boontham Temaismithi.

Jobsharing in der Vorstandsetage war für sie die richtige Entscheidung, weil sie neben diesem Job auch noch andere Projekte verfolgen und Zeit für ihre Familie haben wollte. Ein Tandem könne bis zu einem gewissen Grad auch dazu beitragen, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Davon ist Kühne überzeugt.

"Da wächst eine Generation heran, die auch nicht mehr 40, 60, 80 Stunden arbeiten, sondern die nebenher noch leben möchte", sagt Kühne. Diese Generation sei nicht faul, "sondern die wollen einfach andere Sachen". Tandem sei "nicht die Antwort auf alles. Aber es ist eine Möglichkeit für viele Menschen, anders zu arbeiten." Außerdem bringe es Diversität in einer Rolle mit sich.

"Diversität gehört in die Unternehmensstrategie"

Damit Diversität in Unternehmen funktionieren kann, sei es mit Frauen im Vorstand oder in Form einer geteilten Vorstandsrolle, müsse das "von oben kommen". Der Vorstand müsse das Thema wollen. "Neben Nachhaltigkeit und Digitalisierung, was auch alle Unternehmen in ihrer Strategie verankert haben, ist es der Dreiklang, Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Diversität."

Darüber hinaus müssten alle offen sein für Andersartigkeit und für andere Standpunkte, meint Fränzi Kühne. "Du brauchst diesen Skill, zuzuhören, dich zurückzunehmen und nicht mehr als wichtigste Person in dieser Runde anzusehen, die alles besser weiß und eh schon die Lösung vorgegeben hat." Das Zusammenbringen von unterschiedlichen Standpunkten und in der gesamten Gruppe Verständnis dafür zu schaffen, das sei etwas, "was man sich auch erst einmal erarbeiten muss". Das sei es wert. Denn nur durch Diversität könnten Unternehmen erfolgreich sein.

Forderung an die Politik: Mehr Betreuungsmöglichkeiten schaffen

Um Diversität zu fördern und mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen, können Unternehmen etwas tun. Darin sind sich die Top-Managerinnen, Innovationsökonomin Hanna Hottenrott und Wiebke Ankersen von der Allbright Stiftung, einig.

Wenn das Thema Familie aufkommt, sollten Firmen zum Beispiel andere Arbeitszeiten zulassen, wie Teilzeit oder Gleitzeit. Außerdem können Unternehmen helfen, Betreuungsmöglichkeiten zu finden. Von der Politik fordern die Frauen, dass sie mehr Betreuungsmöglichkeiten schafft, um es Frauen und Männern gleichermaßen zu ermöglichen, Karriere zu machen.

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