Elon Musk neben Twitter-Logo
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Elon Musk will auf Twitter mehr Meinungsfreiheit zulassen.

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Twitter unter Musk: Mehr Meinungsfreiheit, aber weniger Hass?

Elon Musk hat also tatsächlich Twitter gekauft. Klar ist: Die Plattform wird sich wohl ziemlich verändern. Vor allem, was die dort erlaubten Inhalte betrifft. Was bislang über Musks Pläne bekannt ist. Eine Analyse.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Die Übernahme Twitters durch Milliardär Elon Musk hat sich monatelang hingezogen. Musk hat dabei gleich mehrere Kehrtwendungen hingelegt - und seinem Ruf als exzentrischer Persönlichkeit alle Ehre gemacht.

Musk bezeichnet sich bereits als "Chef-Twitterer", auch wenn nicht klar ist, ob er tatsächlich selbst Twitter-CEO werden will. US-Medien berichten, dass Musk den bisherigen Twitter-Chef Parag Agrawal und zwei weitere Top-Manager entlassen haben soll.

Mehr Meinungsfreiheit, Twitter für Anzeigen attraktiv machen

Am Donnerstagmorgen hatte Musk auf der Plattform einen Brief an Twitters Anzeigenkunden veröffentlicht, der erste Hinweise darauf gibt, wohin die Reise gehen könnte.

Die zwei Kernbotschaften:

  1. Twitter soll ein digitaler Marktplatz werden, auf dem alle Meinungen geäußert werden dürfen: zivilisiert und ohne Gewalt.
  2. Musk will Twitter für Anzeigenkunden attraktiv machen.

Das eine bedingt dabei das andere: Nur wenn es auf Twitter zivilisierter als zuletzt zugeht, werden sich mehr Anzeigenkunden für Twitter gewinnen lassen. "Twitter darf nicht zu einem Ort des Grauens werden, an dem man alles sagen kann, ohne dass es Konsequenzen hat!", schrieb Musk in seinem auf Twitter veröffentlichten Brief. Die Plattform müsse nicht nur die Gesetze einhalten, sondern auch "warmherzig und einladend" für alle sein.

Das klingt nicht danach, dass künftig wieder alles auf Twitter gesagt werden darf, wie es auch einige BR-Nutzende in ihren Kommentaren befürchten. Sondern eher danach, dass ein Twitter unter Musk stärker gegen Hass und Hetze vorgehen könnte.

Musk wünscht sich ein breites Spektrum an Meinungen

Zuletzt hatten einige bekannte Persönlichkeiten aus Unmut über Beleidigungen, Hetze und Drohungen auf Twitter die Plattform verlassen, darunter SPD-Co-Chefin Saskia Esken und der bekannte Würzburger Anwalt Chan Jo Jun. Jun ist im September wieder zurückgekehrt.

Auf der anderen Seite soll eben ein "breites Spektrum an Meinungen" geäußert werden dürfen. Schon früher hatte sich Musk, der als Anhänger von fast uneingeschränkter Meinungsfreiheit gilt, ähnlich geäußert.

Gesperrte Prominente könnten zurückkehren

Viele Twitter-Beobachter rechnen damit, dass Musk Prominenten, die von der Plattform verbannt wurden, die Rückkehr ermöglicht: Etwa Ex-US-Präsident Donald Trump, die republikanische Kongressabgeordnete Marjorie Taylor Greene oder der Verschwörungstheoretiker Alex Jones.

Welche Moderationsregeln wird es künftig geben?

Doch wie sich dieses grundsätzliche Plädoyer für mehr - zivilisierte - Meinungsfreiheit in der Praxis auf die Moderationsregeln auf Twitter auswirken wird, lässt sich noch nicht eindeutig beantworten. Es kann sein, dass einerseits Hass und Hetze stärker eingeschränkt werden, andererseits aber auch extreme politische Meinungen und Falschbehauptungen (etwa zu gesundheitlichen Fragen) wieder erlaubt sind.

Aber auch ein Twitter unter Elon Musk wird Entscheidungen treffen müssen, wo Meinungsfreiheit aufhört und Hassrede anfängt. Egal, ob manuell oder automatisch moderiert wird. Es wird besonders spannend zu beobachten sein, nach welchen Kriterien Inhalte künftig moderiert werden.

EU-Kommissar: "In Europa fliegt der Vogel nach unseren Regeln"

EU-Industriekommissar Thierry Breton verwies am Freitag auf den soeben verabschiedeten Digital Services Act für Online-Plattformen, mit denen unter anderem gegen Hassbotschaften und Falschinformationen vorgegangen werden soll. "In Europa fliegt der Vogel nach unseren europäischen Regeln", erklärte Breton in Anspielung auf Musks Tweet mit dem Text "Der Vogel ist befreit", mit dem der reichste Mann der Welt seinen Twitter-Kauf kommentiert hatte.

Außerdem stellt sich die Frage, welche Ressourcen für die Content-Moderation zur Verfügung stehen. Denn jede Form der Moderation kostet Zeit und Geld. Erst vergangene Woche hatte Musk aber angekündigt, bis zu drei Viertel der Mitarbeiter entlassen zu wollen. Auch das Fachblog Netzpolitik.org ist da skeptisch: "Weniger Personal bedeutet noch mehr Automatisierung bei der Content-Moderation mit noch mehr Problemen. Das kann so nicht funktionieren."

Musk: Habe Twitter nicht gekauft, um Geld zu verdienen

Unklar ist, welche finanziellen Motive Musk mit der Übernahme verfolgt. In seinem Brief an die Anzeigenkunden schreibt Musk: "Ich habe Twitter nicht gekauft, um Geld zu verdienen." Im Frühjahr hatte er bei einem Treffen mit Investoren gesagt, er wolle Twitters Umsatz bis 2028 auf 26 Milliarden US-Dollar verfünffachen.

Auch wenn Musk offenbar weiter auf das Anzeigengeschäft setzt: Alleine mit einem Ausbau des Anzeigengeschäfts wird sich so ein ambitioniertes Ziel nicht erfüllen lassen. Im Frühjahr sprach Musk davon, dass Unternehmen und Regierungen künftig für die Twitter-Nutzung zahlen müssen, normale Nutzer hingegen nicht.

  • Zum Artikel: "Elons Musks Pläne für Twitter: Was ist eigentlich eine Super-App?"

Die vergangenen Monate haben allerdings gezeigt, wie schnell Elon Musk seine Meinung ändert. Deswegen sind seine Ankündigungen mit Vorsicht zu genießen. Wie sich die Debattenkultur und das Geschäftsmodell von Twitter tatsächlich entwickeln, werden die nächsten Wochen und Monate zeigen.

Hinweis der Redaktion: In einer früheren Fassung dieses Artikels hieß es, dass der Würzburger Anwalt Chan-jo Jun Twitter verlassen hat. Am 1. August deaktivierte Jun seinen Twitter-Account, kehrte jedoch Mitte September auf Twitter zurück. Wir haben diese Information ergänzt.

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