Elon Musk (51)
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Elon Musk, CEO von Tesla und SpaceX, will jetzt doch Twitter übernehmen

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Bammel vor Prozess? Musk will jetzt doch Twitter kaufen

Elon Musk hat etwas getan, was für ihn sehr untypisch ist: Er geht einem Konflikt aus dem Weg. Endet damit das Drama um die 44 Milliarden-Dollar-Übernahme des Kurznachrichtendienstes? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Elon Musk ist nicht gerade bekannt dafür, besonders zimperlich zu sein. Einem Streit oder Wortgefecht geht der 51-Jährige so gut wie nie aus dem Weg. Zuletzt geschehen am Wochenende, als er sich öffentlich mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zoffte, wie man den Krieg in der Ukraine beenden könnte. Nun die Überraschung: Musk will doch Twitter kaufen. Mit seinem Rückzug vom Rückzug hat er etwas getan, was man von ihm bislang nicht gewohnt war. Hat der Milliardär etwa Bammel bekommen?

Fünf Fragen und fünf Antworten:

1. Was bedeutet das für den Gerichtsprozess, der eigentlich am 17. Oktober vor einem Gericht in Delaware beginnen soll?

Sollten sich beide Parteien einigen und den Deal zu einem Übernahmepreis von 54,20 Dollar je Aktie zustimmen, wäre der Prozess hinfällig. Für Twitter wäre das ein großer Sieg. Allerdings: Elon Musk ist unberechenbar. Wohl aufgrund seiner Milliarden wähnt sich Musk oft im Recht und hat selten Einsicht demonstriert.

  • Zum Artikel: Musk und Selenskyj liefern sich Twitter-Streit über Friedensplan

Der Prozess dürfte aus genau diesen Gründen im Augenblick noch nicht abgeblasen werden. Musk hätte bereits Ende dieser Woche in Vorbereitung auf die Gerichtsverhandlung befragt werden sollen. Sein Rückzug ist zugleich auch ein deutliches Statement: Es untergräbt seine Verteidigungslinie - nämlich, dass Twitter deutlich mehr Fake-Accounts habe als bislang eingeräumt. Auch die Richterin in Delaware scheint auf Nummer sicher gehen zu wollen: Kathaleen McCormick hat beide Seiten aufgefordert, einen Plan zur Einstellung des Rechtsstreits vorzulegen.

2. Wieso die plötzliche Kehrtwende?

Im Grunde gibt es nur zwei Begründungen dafür:

Juristisch dürfte Musk kaum Chancen haben, den Prozess für sich zu gewinnen. Großspurig hatte er noch im Frühjahr verkündet, dass er auf eine Wirtschaftsprüfung zur Übernahme von Twitter verzichtet habe. Die meisten Rechtsexperten glauben, dass Musk es schwer haben würde, das Gericht davon zu überzeugen, dass sich seit Abschluss der Vereinbarung etwas Wichtiges verändert habe, was einen Rücktritt davon rechtfertigen würde. Eric Talley, ein Rechtsprofessor an der Columbia-Universität, zeigt sich nach den ersten Berichten nicht überrascht.

Rechtlich habe Musk wohl nicht wirklich gute Karten, sagt er. Sollte er den Prozess verlieren, könnte das Gericht nicht nur verfügen, dass der Deal durchgezogen werde, sondern auch Zinszahlungen verhängen, die die Kosten in die Höhe treiben würden. Überrascht sei er lediglich, dass Musk offenbar nicht versuche, die Vereinbarung nachzuverhandeln. Selbst eine bescheidene Preisreduzierung hätte ihm einen "moralischen Sieg" bescheren können und er hätte sagen können, dass er von dem Streit profitiert habe, so Talley.

Der Analyst der US-Investmentfirma Wedbush Dan Ives schreibt in einer Mitteilung an Investoren: Das jüngste Angebot Musks sei ein deutliches Zeichen, dass er erkannt habe, dass seine Chancen auf einen Sieg in dem Rechtsstreit gering seien. Nach einem langen Rechtsstreit zu dem Deal gezwungen zu werden, sei kein ideales Szenario. Die Vereinbarung nun umzusetzen werde Musk größere "rechtliche Kopfschmerzen" ersparen, schreibt Ives.

Musk könnte sich mit seinem Rückzug aber noch weiteren Ärger ersparen. Die Richterin in Delaware hat Musk aufgefordert, zusätzliche Informationen über die mögliche Kommunikation mit dem Whistleblower Peiter Zatko, dem ehemaligen Sicherheitschef von Twitter, vorzulegen. Dieser hatte öffentlich behauptet, Twitter arbeite unsauber, wenn es um die Zahl gefälschter Konten bei dem Kurznachrichtendienst gehe. Musk hatte in der Vergangenheit stets geleugnet, dass er in Verbindung mit Zatko stehe. Das Gericht hat in genau diesem Punkt nun die Daumenschrauben enger gezogen, und die Musk-Anwälte zur Abgabe von eidesstattlichen Erklärungen aufgefordert.

3. Musk will Twitter privatisieren, sprich: von der Börse nehmen. Was bedeutet das für Twitter?

Dazu muss man sich erst ansehen, wie sich die Finanzierung für die Übernahme von Twitter zusammensetzt: Der Kaufpreis liegt bei 44 Milliarden US-Dollar. Gut 31 Milliarden will Musk mit Eigenkapital finanzieren. Der Rest, also 13 Milliarden, soll durch Kredite aufgebracht werden.

Es gibt aber ein Problem. Seit seinem Übernahmeangebot im Frühjahr sind die Zinsen für Kredite gestiegen. Bislang hatte Twitter eine Zinsbelastung von 51 Millionen US-Dollar (2021). Die Zinslast dürfte nun deutlich steigen. Experten rechnen mit rund 850 Millionen Dollar pro Jahr. Das entspricht mehr als der Hälfte des Jahresgewinns von Twitter in Höhe von 1,4 Milliarden Dollar bezogen auf das Jahr 2021. Man rechnet damit, dass dadurch der Verschuldungsgrad von Twitter auf fast das Neunfache statt wie bisher Dreieinhalb-Fache steigen dürfte. Ein Teil der geplanten Übernahme-Kredite ist laut Wirtschaftsdienst Bloomberg variabel verzinst. Das dürfte die Zinsbelastung sogar noch weiter in die Höhe treiben. Am Ende, so die Befürchtung, hat sich Musk durch seine vollmundigen Ankündigungen ein Grab in Millionenhöhe geschaufelt, ein Schuldenberg, von dem er nur schwer wieder herunterkommen dürfte.

4. Was wird sich bei Twitter ändern?

Darüber kann man nur spekulieren. Öffentlich hat Musk viele Ankündigungen gemacht, was er im Einzelnen bei Twitter verändern würde, so die Plattform ihm gehören würde. Aus der Vergangenheit ist vom Tesla-Chef aber bekannt, dass seinen Worten nicht automatisch Taten folgen. In der Regel handelt es sich mehr um "Ankündigungen", die ihm vorschweben und die kommen können - oder auch nicht.

Aus seinen bisherigen Verlautbarungen wissen wir aber:

  • Weniger Werbung. Twitter soll sicher weniger via Werbung finanzieren, sondern über Abos. Musk plant das Geschäftsmodell von Twitter umzustellen. 2021 hat Twitter 90 Prozent seiner Einnahmen mit Werbeanzeigen gemacht.
  • Meinungsfreiheit. Musk bezeichnet sich - neben vielen anderen Dingen - als Verfechter der Meinungsfreiheit. Unter ihm soll Twitter zum digitalen Marktplatz für freie Meinungsäußerung werden. Das schließt auch ein, dass Donald Trump sein 2021 gesperrtes Twitter-Konto wieder zurück bekommt. Twitter solle vorsichtiger beim Löschen von Tweets sein und seine Nutzerinnen und Nutzer nicht dauerhaft sperren, sondern nur zeitweise.
  • Lange Tweets. Musk plant, längere Tweets zuzulassen. Bislang sind 280 Zeichen erlaubt.
  • Twitter-Algorithmus Open Source. In einer TED-Talk hat Musk vorgeschlagen, den Algorithmus von Twitter als Open Source zu veröffentlichen. Damit würde er sozusagen das geistige Eigentum, das Gehirn, auf dem Twitter basiert, öffentlich und für jeden zugänglich zu machen. Musk erhofft sich dadurch, dass externe Unternehmen aber auch die Entwickler-Gemeinde Vorschläge macht.
  • Zurück an die Börse. Investoren soll Musk erzählt haben, er wolle Twitter erst von der Börse nehmen und privatisieren. Das würde es ihm ermöglichen, das Unternehmen komplett neu aufzustellen und von Grund auf zu sanieren. Danach könne er sich vorstellen, Twitter wieder an die Börse zu bringen.

5. Und was sagt Twitter?

In der Firmenzentrale in San Francisco gibt man sich wortkarg. Das Unternehmen bestätigte lediglich, dass man ein Schreiben von Musks Anwälten erhalten habe. Man sei weiterhin bereit, die Transaktion zum vereinbarten Kaufpreis von 54,20 Dollar je Aktie abzuwickeln. Sollte sich beide Parteien einigen, könnten sie dadurch einen milliardenschweren Prozess vermeiden. Allerdings: die Übernahme müsste innerhalb weniger Tage - also bis zu Prozessbeginn am 17. Oktober - besiegelt werden. Twitter ist an der Börse mit 22 Prozent Zuwachs auf 52 US-Dollar mittlerweile in die Höhe geschossen. Ironie der Geschichte: die Aktie ist jetzt fast soviel wert, wie Musk im April geboten hatte.

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