Stempel mit Aufschrift "Digital Services Act"
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Mit dem Digital Services Act will die EU die großen Internet-Konzerne stärker regulieren und die Rechte der Nutzer stärken.

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Digital Services Act - So reguliert die EU künftig Facebook & Co

"Historisches Gesetz" - dem Digital Services Act, auf den sich die EU jetzt geeinigt hat, wird große Bedeutung beigemessen. Für Netznutzer bringt es viele Fortschritte, doch die Wirtschaft hat einige verbraucherfreundliche Regelungen verhindert.

Über dieses Thema berichtet: BR24 Infoblock am .

Erst das Gesetz für Digitale-Märkte, nun das Digitale Dienste Gesetz. Die EU macht Ernst mit ihrem Vorhaben, große Online-Plattformen wie Google, Amazon, Facebook und Co. stärker zu regulieren. In der Nacht auf Samstag haben sich das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten auf eine gemeinsame Fassung des Digital Services Act (DSA) geeinigt.

Der DSA soll sehr große Unternehmen in die Verantwortung nehmen, illegale und schädliche Inhalte zu entfernen. Außerdem sollen grundlegende Rechte von Netznutzenden besser geschützt werden.

Als sehr groß werden Unternehmen mit mehr als 45 Millionen aktiven Nutzerinnen und Nutzern in der EU definiert. Das sind potenziell rund 20 Firmen, darunter Google mit dem Tochterkonzern Youtube, Meta mit Facebook und Instagram, Microsoft mit seinem sozialen Netzwerk LinkedIn, Amazon, Apple und Twitter. "Je größer eine Plattform ist, desto mehr Verantwortlichkeiten bekommt sie", sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach der Einigung. Allerdings gelten einige Regelungen außer für Kleinunternehmen für alle Internetplattformen.

Von der Leyen spricht von “historischem” Gesetz

Die CDU-Politikerin bezeichnete den Gesetzestext sogar als "historisch", sowohl was die Geschwindigkeit der Verhandlungen betreffe als auch seinen Inhalt. Der DSA setze das Prinzip, dass alles, was offline illegal ist, auch online illegal ist.

Nutzer können sich über gelöschte Posts beschweren

Um das Recht auf freie Meinungsäußerung zu stärken, können Nutzer Einspruch einlegen, wenn Plattformen ihre Inhalte gelöscht oder gesperrt haben - und wenn nötig auch rechtlich dagegen vorgehen. Das gilt auch im Hinblick auf automatische Content-Moderation, die auch diskriminierend sein kann, wenn es um Geschlecht, Rasse, ethnische Herkunft, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexuelle Orientierung geht.

Zwar können Nutzerinnen nicht selbst Einblick in die Funktionsweise von Algorithmen beantragen, zumindest aber Wissenschaftler und NGOs. Damit kommt die DSA einer oft geäußerten Forderung aus der Zivilgesellschaft nach, auch Facebook-Whistleblowerin Frances Haugen hatte einen solchen Schritt gefordert.

Personalisierte Werbung nur bei Minderjährigen verboten

Außerdem sollen Nutzerinnen sehen können, mit welchen Einstellungen Werbung auf sie angepasst wird - und auch, wer die Anzeige finanziert. Besonders sensible Daten wie sexuelle Orientierung, politische Einstellung und Religionszugehörigkeit dürfen nicht für gezielte Werbung genutzt werden. Bei Minderjährigen wird personalisierte Werbung sogar komplett verboten.

Schließlich bekommen Nutzende das Recht, illegale Inhalte, Dienste oder Güter zu melden. Behörden können NGOs, die illegale Inhalte systematisch aufspüren, sogar zu sogenannten "vertrauenswürdigen Hinweisgebern" ernennen; Plattformen müssen mit ihnen zusammenarbeiten.

Plattformen müssen Hassrede schnell löschen

Während Nutzer also vor allem neue Rechte bekommen, sieht der Digital Services Act für Unternehmen, die im Netz aktiv sind, eine ganze Reihe an Pflichten vor.

So verpflichtet das Digitale-Dienste-Gesetz Internetkonzerne dazu, stärker gegen Hassnachrichten vorzugehen. Onlineplattformen sollen etwa Nutzerinnen und Nutzer sperren, die häufig illegale Inhalte wie Hassreden oder betrügerische Anzeigen verbreiten. Das soll nicht nur für die allergrößten Plattformen wie Instagram, Facebook und Youtube gelten, sondern auch für kleinere.

Zudem sollen die Plattformen "unverzüglich" illegale Inhalte löschen oder unzugänglich machen, sobald diese ihnen gemeldet wurden. Richtwert sind 24 Stunden. In Deutschland kennen wir das schon vom Netzwerkdurchsetzungsgesetz NetzDG.

Große Plattformen müssen auch gegen sogenannte Rache-Pornos ("revenge porn") vorgehen, also etwa wenn Ex-Partner im Internet Nacktbilder verbreiten. Das EU-Parlament hätte gerne auch kleinere Pornowebseiten, auf denen Nutzer selbst Videos hochladen können, dazu verpflichtet.

Nutzer bekommen mehr Infos, wie Empfehlungsalgorithmen arbeiten

In ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) sollen Onlineplattformen die wichtigsten Parameter ihrer Empfehlungsalgorithmen veröffentlichen. Nutzer sollen in den AGB erfahren, wie sie diese Parameter ändern können.

An den meisten geheimen Empfehlungsalgorithmen gibt es immer wieder Kritik. Facebook-Whistleblowerin Haugen etwa kritisierte, dass Facebook aus Profitinteresse bewusst Algorithmen einsetze, die polarisierende Inhalte fördern.

Bei Verstößen sind sehr hohe, umsatzabhängige Strafen möglich

Damit die EU-Kommission die Einhaltung dieser neuen Regeln beaufsichtigen kann, sollen die sehr großen Digitalkonzerne der Kommission Zugang zu ihren Daten gewähren. Bei den kleineren Internetfirmen soll eine zuständige Behörde in dem EU-Land, in dem die Firma ihren Hauptsitz hat, die Einhaltung der Regeln kontrollieren. Für Deutschland könnten das die Bundesnetzagentur oder die Landesmedienanstalten sein.

Wenn die sehr großen Unternehmen gegen den DSA verstoßen, kann die Kommission Strafen von bis zu sechs Prozent des Jahresumsatzes des betroffenen Unternehmens verhängen. Außerdem soll ein Zwangsgeld von fünf Prozent des Tagesumsatzes verhängt werden können, um einen Verstoß gegen den DSA zu beenden.

Fortschritt für den Verbraucherschutz

Im Vergleich zu den derzeit geltenden Regeln der E-Commerce-Richtlinie aus dem Jahr 2000 ist das Digitale-Dienste-Gesetz ein enormer Fortschritt für den Verbraucherschutz. Und in Sachen Meinungsfreiheit und Hassrede im Netz gibt es sogar erstmals überhaupt eine gesetzliche Regelung made in Europa.

Dark Patterns bleiben erlaubt

Aber natürlich gibt es auch Stimmen, die sich noch weitergehende Regeln gewünscht hätten. So setzte sich eine Reihe von EU-Parlamentariern für ein komplettes Verbot von personalisierter Werbung ein. Das hat ebenso wenig geklappt wie ein generelles Verbot von sogenannten “Dark Patterns”, also Designelementen, die zu einer bestimmten vom Unternehmen gewünschten Entscheidung führen sollen: So sind zum Beispiel die Buttons "Alle Cookies akzeptieren" auf vielen Seiten groß und farbig gestaltet, während man sich zu den Buttons, mit denen man bestimmte Cookies deaktivieren kann, erst mühsam durchklicken muss. Dark Patterns bleiben aber wohl zumindest teilweise erlaubt. Digitalwirtschafts-Verbände dürften hier ihren Einfluss bei den Regierungen der EU-Ländern geltend gemacht haben.

Rechte auf anonyme Internetnutzung und Verschlüsselung fehlen

Für Privatsphäre-Aktivisten wie den Piraten-Europaabgeordneten Patrick Breyer ist das Digitale-Dienste-Gesetz viel zu kurz gesprungen. Breyer bemängelt eine ganze Reihe fehlender Rechte etwa auf anonyme Internetnutzung oder auf Verschlüsselung. Verboten gehört hätte seiner Meinung nach die Vorratsdatenspeicherung. Industrie- und Regierungsinteressen hätten sich gegen digitale Bürgerrechte durchgesetzt. Breyers Fazit:

"Die Bezeichnung ‚Digitales Grundgesetz‘ verdient das neue Regelwerk insgesamt nicht, denn der enttäuschende Deal versagt vielfach beim Schutz unserer Grundrechte im Netz." Patrick Breyer, EU-Abgeordneter der Piratenpartei

DSA tritt spätestens am 1. Januar 2024 in Kraft

Final bewerten kann man den Gesetzentwurf erst, wenn der konsolidierte Text der Einigung vorliegt, was in einigen Wochen der Fall sein dürfte. Dieser Endfassung müssen dann noch das EU-Parlament und der Rat der EU-Mitgliedsstaaten zustimmen. Spätestens zum 1. Januar 2024 soll das Digitale-Dienste-Gesetz in Kraft treten. Sein Zwillingsbruder, das Digitale-Märkte-Gesetz, wird nach Angaben von Digitalkommissarin Margrethe Vestager bereits im Oktober 2022 in Kraft treten.

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