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Wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die DSGVO rollt eine Abmahnwelle durch Deutschland.

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Datenschutz-Verstoß: Achtung, Abmahnwelle!

Tausende Website-Inhaber erhalten zurzeit eine Abmahnung wegen eines vermeintlichen Datenschutz-Verstoßes. Wer 170 Euro zahlt, hat angeblich seine Ruhe. Was Google mit der Abmahnwelle zu tun hat und wie man sich dagegen wappnen kann.

Thomas P. (Name geändert) hat Ende September Post von einem Rechtsanwalt bekommen. Unerfreuliche Post. Der Rechtsanwalt fordert ihn im Namen seines Mandanten wegen einer Persönlichkeitsverletzung auf, 170 Euro Schadenersatz zu zahlen.

Der Vorwurf: P. habe auf seiner Website die Schriftensammlung Google Fonts so verwendet, dass beim Aufruf seiner Website die IP-Adresse an Google in die USA weitergeleitet würde. Der Mandant habe der Weitergabe seiner personenbezogenen Daten nicht nach Artikel 6 der DSGVO zugestimmt. "Die unerlaubte Weitergabe der IP-Adresse durch Sie an Google stellt eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unserer Mandantschaft in Form des informationellen Selbstbestimmungsrechts nach § 823 Absatz 1 BGB dar", heißt es in dem Schreiben, das BR24 vorliegt.

Zwei Anwälte, Tausende Abmahnungen

So wie dem Fotografen aus Oberbayern geht es derzeit Tausenden Menschen und Unternehmen in Deutschland. Es rollt mal wieder eine Abmahnwelle wegen angeblicher Datenschutzverstöße durchs Land.

Ausgelöst wurde sie von zwei Anwälten: Der eine vertritt einen Mann, der andere eine Frau. Zwei Personen, die auf mehreren Tausend Seiten Datenschutz-Verstöße entdeckt haben? Max Greger, Fachanwalt für IT-Recht aus München, vermutet, dass hier mit einem Crawler gearbeitet wird: "Vermeintliche Verstöße werden automatisch gesucht und dokumentiert, allein mit dem Zweck, Abmahnungen zu versenden", schreibt Greger auf seinem Blog.

Google Fonts am besten auf dem eigenen Server installieren

Google Fonts ist ein interaktives Verzeichnis von mehr als 1.000 Schriftarten, das jeder Website-Betreiber kostenlos verwenden kann. Es gibt zwei Arten, Google Fonts zu verwenden: die lokale Installation auf dem eigenen Server. Oder die Nutzung über die Google-Server. Dabei werden bei jedem Aufruf einer Website die Schriften über den Google-Server nachgeladen und dabei personenbezogene Daten wie die IP-Adresse an den US-Konzern übermittelt.

Genau daran machen die Anwälte ihre Abmahnungen fest - und berufen sich dabei unter anderem auf ein Urteil des Landgerichts München I vom 20. Januar 2022, in dem eine Website-Betreiberin in einem fast identischen Fall zu 100 Euro Schadenersatz und zur Abgabe einer Unterlassungserklärung verurteilt worden war.

Was also tun, wenn man wie Thomas P. so eine Abmahnung bekommt?

Datenschutzexpertin: Nicht vorschnell zahlen

Carina Streipert, auf Datenschutz-Recht spezialisierte Anwältin bei der Kanzlei Menz und Partner in Memmingen, rät Betroffenen, auf keinen Fall "vorschnell zu zahlen. Zuallererst sollte man überprüfen, ob man auf seiner Website überhaupt Google Fonts verwendet - und falls ja, in welcher Form", sagt Streipert im Gespräch mit BR24. Wer Google Fonts auf dem eigenen Server installiert, ist aus dem Schneider. Thomas P. hat das inzwischen gemacht. Wie das geht, dazu gibt es im Netz einige Anleitungen. Für das sehr verbreitete Content Management System WordPress gibt es inzwischen auch Plugins.

Alternativ ist es möglich, Nutzerinnen und Nutzer in einer Datenschutzerklärung auf der eigenen Website über die Verwendung von Google Fonts aufzuklären und durch ein Cookie-Banner die Zustimmung dazu einzuholen. Zusätzlich muss bei dieser Variante noch ein Standardvertrag mit Google für die Datenübermittlung in ein Drittland außerhalb der EU geschlossen werden.

Anhaltspunkte für "rechtsmissbräuchliches Verhalten"

Weil die Abmahnungen zehntausendfach verschickt werden, sieht Streipert ein "rechtsmissbräuchliches Verhalten" gegeben. "Dabei geht es nicht um den Schutz des Verbrauchers, sondern darum, Geld zu machen", sagt die Rechtsanwältin. Sie beobachtet, dass vor allem kleine und mittlere Unternehmen ohne Rechtsabteilung solche Abmahnungen bekommen haben.

Das Kalkül dahinter sei, dass solche Unternehmen bereit seien, den vergleichsweise kleinen Betrag von 170 Euro zu zahlen, um damit den Ärger los zu sein. "Wenn nur ein Drittel der abgemahnten Personen und Unternehmen zahlt, lohnt sich das für die Abmahnanwälte schon", sagt Streipert. Sie rechne nicht damit, dass die Anwälte massenhaft Klagen erheben würden.

Auch Thomas P. will erst einmal nicht zahlen. "Nur wenn noch was vom Anwalt kommt, werde ich was machen müssen", sagt er zu BR24.

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Heikler Fall Unterlassungserklärung

Wer ein Abmahnschreiben bekommt, in dem auch die Abgabe einer Unterlassungserklärung und/oder eine Auskunft über die Verarbeitung personenbezogener Daten verlangt werden, dem empfiehlt Carina Streipert, sich von Juristen beraten zu lassen, die auf Datenschutz- oder IT-Recht spezialisiert sind. Denn hier seien schnell größere Summen von mehreren Tausend Euro im Spiel, wenn gegen vorschnell abgegebene Unterlassungserklärungen wieder verstoßen wird. Außerdem sollten Unterlassungserklärungen nicht zu weit formuliert sein.

Schadenersatzwürdig - oder doch nur ein Bagatellfall?

In der Rechtsprechung ist umstritten, ob solche Fälle schwerwiegend genug sind, um eine Forderung nach Schadenersatz bzw. Schmerzensgeld auszulösen, oder ob es sich vielmehr um Bagatellfälle handelt. Carina Streipert rechnet damit, dass es hier bald weitere Urteile geben wird, die zeigen, in welche Richtung es geht: "Im Hinblick auf die Vielzahl der Abmahnfälle wäre es wünschenswert, dass hierzu zeitnah weitere gerichtliche Entscheidungen ergehen, damit die Rechtslage zu diesem aktuellen Problem geklärt wird."

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