"Fliegen": Skulptur von Lothar Seruset am Münchner Flughafen
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"Fliegen": Skulptur von Lothar Seruset am Münchner Flughafen

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"Wirtschaftliche Lage": Flughafen München kündigt Kunstprojekte

Der Münchner Flughafen hat vier großen Kunstprojekten für seine Neubauten gekündigt – nach jahrelangen Vorbereitungen. Grund sei die wirtschaftliche Gesamtlage, erklärt die Geschäftsführung. Kritik kommt vom einschlägigen Verband.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Vom Besucherhügel am Flughafen München blickt man derzeit auf ein nagelneues Gebäude. 600 Millionen Euro kostete die Erweiterung des Terminal 1 mit – eigentlich – sechs neuen Fluggastbrücken. 2025 soll es in Betrieb gehen – allerdings nicht wie ursprünglich geplant, denn die Geschäftsführung des Flughafens hat den Künstlern, die das Gebäude gestalten sollten, gekündigt. Die Münchner Künstlerin Dorothea Reese-Heim hätte die markanten Fluggastbrücken mit bunten Objekten aus Glas und Stahl gestaltet. Sie sei traurig, denn sie habe viel Herzblut hineingelegt und sich mit den Werken lange auseinandergesetzt, sagt sie im Interview.

Kunst hatte Tradition am Airport – bislang

Seit Inbetriebnahme im Mai 1992 war Kunst am Bau für frühere Geschäftsführungen des Flughafens selbstverständlich. Michael Kerkloh, der 17 Jahre lang Geschäftsführer bis 2019 war, realisierte in seiner Amtszeit viele Kunstwettbewerbe und Kunstwerke. Wer aufmerksam durch die Terminals geht, entdeckt spannende Arbeiten, wie zum Beispiel im München Airport Center die Holzskulptur "Fliegen" von Lothar Seruset: Ein Mann steht auf einem Globus und hält ein Flugzeug in der Hand.

Auch für den Satelliten des Terminal 2 und für die Erweiterung von Terminal 1 wurden 2015 und 2019 aufwendige Kunstwettbewerbe durchgeführt. Allen vier Siegern, die ihre Werke schon lange vorbereiten, wurde in diesem Jahr gekündigt. Zur Begründung erklärt der Flughafen: "Aufgrund der wirtschaftlichen Gesamtlage, die sich mittelfristig nicht verändern wird, sehen wir uns leider generell gezwungen, von Investitionen in Kunst am Bau Abstand zu nehmen und werden entsprechend auch die geplante Kunst in und an der Erweiterung des Terminal 1 nicht umsetzen können. Sobald die wirtschaftliche Lage des Unternehmens es wieder zulässt, werden wir uns dieses Themas wieder annehmen."

Kunst wichtig für Flughafen-Rankings

Tatsächlich rechnet der Flughafen schon in diesem Jahr wieder mit schwarzen Zahlen. Alle Kunstwerke für die beiden Erweiterungen hätten knapp 2,5 Millionen Euro gekostet – bei 1,5 Milliarden Euro Baukosten. Kunstberaterin Eva Müller organisierte die Wettbewerbe und arbeitete lange Jahre vertrauensvoll mit dem Flughafen zusammen. Jetzt ist sie über das Vorgehen irritiert: "Es geht um die Aufenthaltsqualität und die wird ja in den Rankings unter den Flughäfen immer wieder ausgetragen. Da gibt es tatsächlich Bewertungen dafür. Und es ist für die Menschen ganz wichtig, manche Menschen halten sich ja unfreiwillig sehr lange am Flughafen auf. Wenn wir alle öffentlichen Orte nur noch mit Werbung bespielen, das ist für die Menschen nicht lustig", so Müller.

Absage auch für renommierte Künstlerin

Zu den Wettbewerbsgewinnerinnen gehörte auch die renommierte österreichische Künstlerin Inge Dick. Vier ihrer fotografischen Arbeiten zu den vier Jahreszeiten hätten großformatig Wände des Gebäudes geziert. Trotz der Enttäuschung will sie die Hoffnung nicht aufgeben, dass die Geschäftsführung noch einlenkt. Schließlich hätten alle Künstlerinnen und Künstler schon sehr viel Zeit in ihre Arbeiten investiert.

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Von den Absagen betroffen: Die österreichische Fotografin Inge Dick

Land, Bund und Stadt München, denen der Flughafen gehört, haben Selbstverpflichtungen für Kunst am Bau. Doch für die Flughafen GmbH gilt das nicht. Dem Freistaat Bayern gehören 51 Prozent. In der bayerischen Staatsregierung will jedoch keiner die Verantwortung übernehmen und zum Vorgehen des Flughafens Stellung beziehen. Finanzminister Albert Füracker (CSU) will sich als Vorsitzender des Aufsichtsrates nicht zu dem Thema äußern. Kunstminister Markus Blume (CSU) lässt an das Bauministerium von Christian Bernreiter (CSU) verweisen. Dieses Ministerium verweist wiederum zurück ans Finanzministerium.

Kritik vom Berufsverband

Beim Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK Oberbayern) in Bayern sieht man die Entscheidung am Münchner Flughafen mit großer Sorge. Christian Landspersky ist dort für Kunst und Bauen zuständig. Nach seiner Erfahrung werde Kunst am Bau oft miteinkalkuliert und müsse dann als Puffer herhalten, wenn man sich verkalkuliert habe oder Materialpreise steigen. Er vermutet, dass die aktuelle Geschäftsführung mehr Wert auf Werbung auf dem Flugplatz als auf Kunst lege. Er befürchtet, dass das internationale Ansehen des Münchner Flughafens durch die Absage an die Kunst leiden wird. Landspersky hofft, dass sich die bayerische Staatsregierung, die sich die Kultur auf die Fahnen geschrieben habe, klar für die Künstlerschaft und die Kunst einsetzt.

Kunstwerke aus Energiespargründen abgeschaltet

Sorgen bereiten Landspersky und anderen Kunstexperten auch zwei weitere Kunstwerke auf dem Flughafen München. So ist Stephan Hubers hängender Brunnen mit dem Titel "Die Alpen" seit Corona versiegt. Und auch der mehr als ein Kilometer lange "Lightway" von Keith Sonnier leuchtet nicht mehr. Offizielle Begründung für die Abschaltung: Energie sparen. Und das bei 285.000 Starts und Landungen im Jahr 2022 - Tendenz deutlich steigend. Früher war das Kunstwerk mit bunten Leuchtstoffröhren eines der Aushängeschilder des Flughafens München.

Im Video: Der Flughafen München muss sparen und hat geplante Kunstprojekte abgesagt

Der Flughafen München hatte lange Zeit ein Faible für Kunst. Jetzt muss er sparen.
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Eigentlich hat der Flughafen München ein Faible für Kunst. Doch nun erfährt der BR exklusiv: Der Airport hat geplante Kunstprojekte gekündigt!

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