Betrachterin vor Martin Kippenbergers "Paris Bar 1"
Bildrechte: picture-alliance/ dpa | epa Andy Rain

Betrachterin vor Martin Kippenbergers "Paris Bar 1"

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Streit um "Paris Bar": Münchner Gericht gibt Plakatmaler recht

Miturheber oder nicht? Das ist die Frage, die am Montag das Landgericht München verhandelte. Geklagt hatte der Plakatmaler Götz Valien, der für Martin Kippenberger dessen "Paris Bar"-Bilder gemalt hatte. Das Gericht gab ihm nun größtenteils recht.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Götz Valien muss in Zukunft als Miturheber genannt werden. Auch wenn er im Auftrag des Künstlers Martin Kippenberger handelte, als er den Innenraum der "Paris Bar" malte. In seinem Urteil vom Montagnachmittag anerkennt das Landgericht München, dass bei Valien eine künstlerische Eigenleistung vorliegt. Zur Begründung wird etwa darauf verwiesen, dass die Lichtatmosphäre auf dem Gemälde und auf der Fotovorlage unterschiedlich sei. Valien habe bei der Ausführung also Gestaltungsspielraum gehabt.

Damit folgt das Gericht der Argumentation von Valiens Anwälten. Valien sagte 2022 am Rande einer Ausstellung seiner Bilder in Berlin zu seinem kreativen Anteil, er könne als Maler Dinge hervorheben oder weglassen, ein Foto bilde nur ab. Kippenbergers Nachlassverwalter sehen in "Paris Bar" indes ein eigenständiges Werk Kippenbergers, Valien habe lediglich einen handwerklichen Beitrag geleistet. Das Münchner Urteil verkenne den "Wesenskern künstlerischer Kreativität", teilte Kippenbergers Galerie dem BR mit. Man werde deshalb in Berufung gehen.

Komplexe Entstehungsgeschichte der Gemälde

1992 hatte Kippenberger eine erste Version des Gemäldes "Paris Bar" bei einem Berliner Unternehmen für Kinoplakatmalerei in Auftrag gegeben, für das Valien als freier Maler tätig war.

Hintergrund war, dass Kippenberger 1991 nicht zu einer großen Berliner Kunstschau eingeladen worden war. Als trotzige Gegenveranstaltung organisierte er eine eigene Ausstellung in der von ihm als "Wohnzimmer" genutzten Berliner "Paris Bar".

Ein Foto seiner Ausstellungshängung an der Barwand diente dem beauftragten Plakatmaler Valien als Vorlage für das großformatige, realistische Gemälde "Paris Bar 1", das bis 2004 in der Bar selbst hing, bevor es 2009 für knapp 2,7 Millionen Euro in London versteigert wurde. 1993 malte Valien wiederum als Auftragsarbeit Kippenbergers noch eine zweite Version ("Paris Bar 2"), die das erste Gemälde - in der "Paris Bar" hängend - abbildet. Für 636.000 Pfund kaufte es 2007 der französische Milliardär François Pinault.

2010 malte Valien ein drittes Bild, das der ersten von ihm gemalten Version gleicht. Bei der Kölner Galerie Capitaine, Nachlassverwalter Kippenbergers, der 1997 starb, hält man es für ein unzulässiges Plagiat. Man verklagte seinerseits Valien wegen einer unzulässigen Kopie. Das Landgericht München entschied nun am Montag, dass sich Valien zumindest nicht als Alleinurheber dieses Bildes bezeichnen darf. Die Urteile sind allerdings noch nicht rechtskräftig.

Urteil mit Tragweite für Kunstwelt?

Prozesse, in denen künstlerische Gehilfen versuchten, Urheberrechte einzuklagen, gibt es viele in der deutschen Rechtsprechung. Das sagte Friederike Gräfin von Brühl, Anwältin des Kippenberger-Nachlasses, im Jahr 2022 am Rande einer Podiumsdiskussion zum Streitfall. Bei ähnlich gelagerten Fällen sei festgestellt worden, dass das bloße Abmalen eines Fotos kein urheberrechtlich schützenswerter Akt sei. Das Münchner Landgericht sieht das in diesem Fall offenbar anders.

Auftragsarbeiten sind seit Langem selbstverständlicher Teil der Kunstwelt. Groß-Künstler wie Jeff Koons delegieren die praktischen Ausführungen ihrer Ideen an Gießereien, oberbayerische Bildschnitzer oder hessischen Metallbaufirmen. Dass so arbeitende Konzept-Künstlerinnen und -Künstler trotzdem alleinige Urheber der Arbeiten sind, wird dabei auch vertraglich geregelt und ist kunstwissenschaftlicher Konsens.

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