Ein Plakat mit Werbung für die Ausstellung "Jesus liebt" von Rosa von Praunheim
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Plakat der Ausstellung "Jesus liebt", die von der Egidienkirche in die Kreisgalerie verlegt wurde.

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"Schaden für die Kirche" - Kritik an Absage queerer Ausstellung

Die Diskussionen um die Ausstellung "Jesus liebt" des queeren Künstlers Rosa von Praunheim gehen weiter. Bei einem Kommentargottesdienst kritisierte der ehemalige Vorsitzende des Ethikrates, die Schließung habe der Kirche nachhaltig geschadet.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten Franken am .

Der ehemalige Vorsitzende des Ethikrates der Bundesrepublik Deutschland, Peter Dabrock, hat die Schließung der Ausstellung "Jesus liebt" des queeren Künstlers Rosa von Praunheim in Nürnberg stark kritisiert.

Für die Kirche sei ein "nachhaltiger Schaden entstanden", sagte Dabrock dem BR. Der Erlanger Ethikprofessor äußerte sich am Sonntag in der Lorenzkirche in einem sogenannten Kommentargottesdienst, ein spezieller Themengottesdienst, der stets Bezug auf ein aktuelles politisches oder gesellschaftlich relevantes Gesprächsthema nimmt, zu der Schließung. Die Ausstellung von Bildern in der Nürnberger Egidienkirche, die Homosexualität und Kritik an der Kirche thematisieren, war kurz nach der Eröffnung wieder geschlossen worden.

Dabrock: "Kirche hätte Haltung bewahren müssen"

Die Verantwortlichen hätten, nachdem ein "Shitstorm von rechts" über sie hereingebrochen war, Haltung bewahren, sich klar positionieren und sich konstruktiv mit der Kritik auseinandersetzen sollen. Stattdessen sei man eingeknickt, so Dabrock. Nicht jedem müssten die Werke der Ausstellung gefallen, jedoch sei die Kunstfreiheit in Deutschland ein hohes Gut. Auch habe Kunst die Aufgabe, zu provozieren, aufzurütteln und sogar zu stören. Dieser Provokation hätte die St. Egidienkirche, die die Ausstellung nach Nürnberg geholt hatte, Raum geben sollen. "Denn eine Kunstkirche, die nur schön sein will, ist eine Kitschkirche, und die braucht keiner", so der Erlanger Ethikprofessor.

Diskussionsrunden und Führungen statt Schließung

Man hätte im Vorhinein wissen müssen, dass in einer Praunheim-Ausstellung mit der expliziten Darstellung von Sexualität zu rechnen sei. In welchem Maß das für Empörung sorgen könne, habe man im Vorfeld wohl unterschätzt. Dennoch hätte die Kirche Dabrock zufolge die Möglichkeit gehabt, die Ausstellung mit Führungen, Diskussionsrunden und ähnlichen Maßnahmen fortzuführen. "Stattdessen den Künstler beziehungsweise seine Ausstellung nach der Einladung wieder auszuladen, das war wohl einer der gravierendsten Fehler."

Verantwortliche standen unter Druck

"Jesus liebt" wurde nach dem Rauswurf aus St. Egidien zwar noch in der Nürnberger Kreisgalerie gezeigt, die Kirche habe aber verpasst, ein Zeichen zu setzen. "Man muss sich fragen, ob man feige war", sagte Dabrock. Gleichzeitig betonte er, die Verantwortlichen der St. Egidienkirche hätten unter enormem Druck gestanden. "Ich hätte mit keinem von ihnen tauschen wollen. Und im Nachhinein redet es sich immer leicht." Ein besseres Krisenmanagement hätte dem Kirchenvorstand dennoch gut zu Gesicht gestanden. Deshalb sei es von nun an wichtig, aus den gemachten Fehlern zu lernen und sich für die Zukunft besser zu wappnen.

Ausstellung unter anderen Bedingungen doch noch zeigen?

Dabrock kritisierte die Nürnberger Regionalbischöfin Elisabeth Hann von Weyhern für ihre Aussage Ende Juli, die Entscheidung, die queere Ausstellung zu schließen, sei "echt evangelisch" gewesen. Das Gegenteil sei der Fall. Dafür erntete Dabrock beim eher bescheiden besuchten Kommentargottesdienst in der Lorenzkirche vereinzelt Applaus.

Zum Ende seines Kommentars äußerte der ehemalige Ethikratsvorsitzende noch einen Wunsch: Dass sich die Gremien, welche die Schließung veranlasst haben, eingestehen: "Das war nicht richtig." Und dass die Ausstellung vielleicht nochmal nach Nürnberg geholt und in der Kirche gezeigt werde, dann aber unter anderen Bedingungen. Es könnte laut Dabrock ein neuer Anfang für die Kirche sein.

Kunst-Pfarrer der Egidienkirche wollte Debatte anstoßen

Mitinitiator der Ausstellung in der Egidienkirche war der Nürnberger Pfarrer Thomas Zeitler, der regelmäßig zu aktuellen politischen und gesellschaftlichen Debatten Stellung bezieht und damit auch schon einmal aneckt. Zeitler, der in seiner Gemeinde schwerpunktmäßig für Kunst und Kultur zuständig ist, betonte, dass es nicht das Ziel der Kirchengemeinde gewesen sei, mit der Ausstellung schlicht zu provozieren. Vielmehr habe man eine Debatte anstoßen wollen.

So wollte Zeitler etwa selbst regelmäßig Führungen durch die Ausstellung anbieten, um mit Menschen über das Verhältnis von Kirche und Homosexualität und auch über das Thema Homophobie ins Gespräch zu kommen. "Rosa von Praunheim nimmt diese religiösen Kitschbilder, die früher in vielen Häusern hingen, und sagt aber mit nur zwei Worten, dass die Kirche eben kein sicherer Ort ist für Kinder, aber natürlich auch nicht für queere Menschen", so der Kunst-Pfarrer zum Auftakt der Ausstellung im Juli, damals noch in der Egidienkirche.

Kirchenvorstand: zu viele in "religiösem Empfinden verletzt"

Zu der ersehnten thematischen Debatte kam es am Ende nicht mehr. Ab der Eröffnung der Ausstellung in der Kirche seien die Veranstalter mit einem "erheblichen Maß an Hass, Hetze, Unterstellungen und unbelegten Vorwürfen" konfrontiert worden und sahen deswegen keinen Weg mehr für einen "zielführenden und versöhnenden Diskurs".

So begründeten in einer Mitteilung Ende Juli die Mitglieder des Kirchenvorstandes ihre Entscheidung, die Ausstellung in der Kirche vorzeitig zu schließen. Zahlreiche Menschen hätten sich "in ihrem religiösen Empfinden verletzt" gefühlt, das bedauere der Kirchenvorstand sehr, so das Leitungsgremium. "Die Aufgabe der Kirche ist es, in der Kraft des Evangeliums zu einen, zu heilen und zu versöhnen", so damals Martin Brons, der geschäftsführende Pfarrer von St. Sebald und St. Egidien. "Wir bedauern sehr, dass die Ausstellung das Gegenteil bewirkt hat."

"Arbeitskreis Bekennender Christen" schrieb offenen Brief

Offiziell beschwert über die Ausstellung hatte sich zum Beispiel der theologisch konservative Arbeitskreis Bekennender Christen in Bayern (ABC), der einen offenen Brief an die Ausstellungsmacher, den Landesbischof und die Regionalbischöfin Elisabeth Hann von Weyhern und Synodalpräsidentin Annekathrin Preidel schrieb.

Unter anderem störten sich die Unterzeichner daran, dass die Ausstellung den Eindruck vermittle, alle selbstbestimmten Formen von Sexualität seien Ausdruck der Liebe Gottes. "Diese Botschaft widerspricht dem christlichen Verständnis", hieß es in dem Schreiben.

Ausstellung wird wieder aufgebaut.
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Wiedereröffnung der Ausstellung "Jesus liebt" von Rosa von Praunheim Anfang August - diesmal allerdings in einer Galerie.

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