Zwei sich offen liebende Männer – ein seltenes Bild in einem Gotteshaus. In der Nürnberger Egidienkirche ist es vorerst auch nicht mehr zu sehen.
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Zwei sich offen liebende Männer – ein seltenes Bild in einem Gotteshaus. In der Nürnberger Egidienkirche ist es vorerst auch nicht mehr zu sehen.

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(K)eine queere Kunst in Kirche: Spießig oder dem Ort angemessen?

Es sollte ein Zeichen zum Nürnberger CSD sein, dann aber stoppte die Egidienkirche eine Ausstellung mit freizügigen Bildern aus der queeren Welt. Einigen ging die erotische Schau in einer Kirche zu weit. Ist ein Gotteshaus der richtige Ort dafür?

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Zwei Adonisse, eng aneinandergeschmiegt mit nackten Oberköpern; der porträtierte Blick geht erschrocken in die Ferne. Wohl eine Andeutung, dass die beiden in dieser Szene auf frischer Tat ertappt werden. Was sie tun, spitzt in voller Erektion hinter einer pinken Rose über ihrem Schritt hervor. Der Betrachter mag sich an die biblische Paradieserzählung erinnert fühlen, nur, dass sich hier gewissermaßen Adam und Adam an, ja, Verbotenem (?), vergehen...

Es sind Gemälde wie diese, die bis vor Kurzem in der evangelischen Egidienkirche in Nürnberg zu sehen waren. Anlass war der Christopher Street Day: Mit den dort vorgebrachten Anliegen queerer Menschen wollte sich auch die St. Egidius-Gemeinde solidarisieren und beauftragte den queeren Künstler Rosa von Praunheim.

Kirche als "Raum blasphemischer Provokation"?

Der Ex-Katholik, der sich in jungen Jahren allzu lange von der kirchlichen Sexualmoral unterdrückt fühlte, nahm das Angebot dankbar an, die Ausstellung "Jesus liebt" mit bewusst provokativen Bildern zu bestücken. Die beiden Adonisse, ein Werk, das den Papst mit homosexueller Liebe in Verbindung bringt, oder ein Jesus, der zwei sich liebende Männer segnet – mit seinen Motiven setzte von Praunheim einen Kontrapunkt zur Kirchendoktrin.

Die Kontroverse war vorhersehbar. Beim evangelischen Nachrichtendienst Idea, der sich selbst als "theologisch konservativ" bezeichnet, kritisierte die Redaktionsleiterin persönlich in einem Kommentar: "Die Kirche in Nürnberg wird zu einem Raum blasphemischer Provokation. Was für ein Umgang mit einem Ort, an dem die Gegenwart Gottes gefeiert wird."

Ausstellungs-Aus: Spießig oder dem religiösen Ort angemessen?

Nur eines von vielen Beispielen deutlicher Kritik, woraufhin der Kirchenvorstand beschloss, die Ausstellung erst unter Vorbehalt, dann dauerhaft zu schließen. "Die einen sagen: Mein Gott, sind die spießig, die müssen endlich in der Gegenwart ankommen. Und die anderen sagen: Hier wird alles ausverkauft, da würde die gesamte Gesellschaftsordnung und die göttliche Ordnung auf den Kopf gestellt", sagt Ulrich Schäfert von der Kunstpastoral im Erzbistum München und Freising. "Und die Kirche hat sicher dazu beigetragen mit der rigiden Sexuallehre, dass Menschen zuallererst Scham empfinden, wo eben dann in vielfältigen Formen sexuelle Akte gezeigt werden."

Nun, da sich beide Kirchen in ihrer Sexualmoral öffnen beziehungsweise schon geöffnet haben, mag die Kunst ein Mittel der Wahl sein, den Weg der Öffnung weiterzuführen. Doch soll erotische, gar homoerotische Kunst à la von Praunheim dann auch direkt in einem Gotteshaus gezeigt werden? Schäfert gibt zu bedenken: "Der Kirchenraum als Raum des Gebetes will und soll für ein riesiges Spektrum von Menschen in ihrer ganz persönlichen Gläubigkeit zur Verfügung stehen. Und jetzt, wenn da von kirchlicher Seite eine Öffnung passiert, dann muss die Kirche immer wieder die Menschen, die das rezipieren, mit im Blick haben, also dass man niemanden verletzen will."

Gläubige "in ihrem religiösen Empfinden verletzt"

Eben dazu ist es nun aber in Nürnberg gekommen. "Zahlreiche Menschen fühlten sich in ihrem religiösen Empfinden verletzt. Das bedauert der Kirchenvorstand sehr", teilte das Gremium mit.

Rotes Licht also für erotische Kunst im Kirchenraum? So einfach ist es aus Ulrich Schäferts Sicht wiederum nicht. Für ihn gibt es da nur eben gewisse Leitplanken: "In Zeiten, da einem Sexualität von allen Litfaßsäulen entgegenschreit, kann es Aufgabe gerade von Kirche sein, Sexualität als etwas Schützenswertes, als etwas Intimes, Wertvolles zu zeigen, indem man vielleicht etwas nur andeutet."

Fest stehe aber: "Die vollkommene sexuelle Liberalität und sexuelle Promiskuität ist sicherlich nicht das, was in einer Kirche hängen sollte und was hilfreich ist. Aber wenn ein Kunstwerk diese Tiefe der menschlichen Begegnung auch im erotischen Zusammensein so darstellt, dass es offen bleibt, dass es vielschichtig ist, dass es Menschen in ihrem Blick erweitert, dann könnte es denkbar sein."

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