"Heiz-Hammer", "Heiz-Stasi", "Heizungswahn": Die Debatte um das neue Gebäudeenergiegesetz hat sich in einen Kulturkampf verwandelt. Wir haben Politikberater Johannes Hillje gefragt, wie es so weit kommen konnte – und wie wir da wieder rauskommen.
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Johannes Hillje im Jahr 2018 auf der Digitalmesse re:publica

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Kulturkampf ums Heizen: Warum keine "Volkswärmepumpe"?

"Heiz-Hammer", "Heiz-Stasi", "Heizungswahn": Die Debatte um das neue Gebäudeenergiegesetz hat sich in einen Kulturkampf verwandelt. Wir haben Politikberater Johannes Hillje gefragt, wie es so weit kommen konnte – und wie wir da wieder rauskommen.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Auf den ersten Blick könnte man sich wundern: Kaum etwas bewegt die Deutschen derzeit so sehr wie das Heizen. Die 13.000 Menschen, die letzten Samstag in Erding demonstriert haben, sind das jüngste und wohl lauteste Beispiel dafür. Hubert Aiwanger rief dort zur Rückeroberung der Demokratie auf, als wäre die Bunderepublik ein Unrechtsstaat (wofür er parteiübergreifend scharf kritisiert wurde). Und in der Menge wurden Plakate hochgehalten, die die Grünen wahlweise "an die Ostfront" wünschten oder gleich zum Mord an ihnen aufriefen ("Hängt die Grünen solange es noch Bäume gibt"). Und das alles bei einem so technischen Thema wie dem neuen Gebäudeenergiegesetz?

Ihn wundere es gar nicht, dass das Heizen die Menschen so stark emotionalisiere, sagt Politikberater Johannes Hillje gegenüber dem BR: "Lebensnahe Themen sind per se emotional". Das Heizen habe eben – ähnlich wie Ernährung – viel mit dem Alltag und dem Lebensstil der Bürgerinnen und Bürgern zu tun. Nur mit "kühler Ratio" sei da keine Politik zu machen. Zumal dann nicht, wenn von Seiten der Opposition ein derartiges "Bedrohungsszenario" aufgebaut werde.

Die Opposition spielt mit Verbots- und Enteignungsnarrativen

"Verheizt nicht mein Zuhause", "Verheizt nicht mein Erspartes", "Verheizt nicht mein Lebenswerk" – liest man etwa auf der Website der CDU-Kampagne "Fair heizen statt verheizen". Hier werde mit Verbots- und Enteignungsfantasien gespielt, die weit über das hinausgingen, was mit dem Heizungswechsel tatsächlich verbunden sei, meint Hillje. Noch problematischer ist für ihn allerdings der Vorwurf der "Energie-Stasi", der ebenfalls aus CDU-Kreisen gegen die Grünen erhoben wird.

"Damit sind wir leider auch schon bei Narrativen des Rechtspopulismus", erklärt Hillje, "gerade auch der AfD, die ja seit jeher der Bundesregierung vorwirft, so etwas wie eine Diktatur im Land einführen zu wollen. Die nutzen auch Slogans wie 'DDR 2.0' für die Bundesrepublik. Und wenn dann auch die CDU begriffe wie 'Heiz-Stasi' verwendet, dann werden im Grunde genommen solche populistischen Narrative von einer demokratischen Partei legitimiert."

Gewaltfantasien gegen die Regierung

Gefährlich sei das auch deshalb, weil dadurch auch Gegengewalt gerechtfertigt würde, sagt Hillje und verweist auf die Anfeindungen, denen Gesundheitsminister Karl Lauterbach während der Pandemie ausgesetzt war. Wo keine Demokratie herrscht, wie Hubert Aiwanger in Erding insinuiert hat, da scheint es erlaubt, sie sich mit Gewalt zurückzuerobern. Zumindest eröffne man dadurch "die Möglichkeit, so weit zu gehen", wie Hillje sagt. Die Folgen konnte man am Samstag beobachten. Wobei der Bürgerzorn nicht nur die Grünen traf. "Der gehört gesteinigt", meinte eine Demonstrantin am Rande der Veranstaltung. Gemeint war der Bayerische Ministerpräsident Söder. So zu sehen in der aktuellen Ausgabe von quer im BR Fernsehen.

Der BR hat bei der Kabarettistin Monika Gruber angefragt, wie sie als Organisatorin der Veranstaltung zu solchen Parolen steht – und ob es mit Blick auf die geplante Demo auf der Münchner Theresienwiese schärfere Kontrollen der Demonstrierenden geben wird. Gruber ließ über ihre Agentur mitteilen, eine Beantwortung dieser Fragen sei ihr "aus Zeitmangel" nicht möglich.

Dramatisierung statt Information: Die Rolle der Medien

Die aufgeheizte Stimmung rund um das neue Gebäudeenergiegesetz sei allerdings nicht nur der Opposition anzulasten, betont Hillje. Auch die Medien hätten ihren Anteil daran. Insbesondere die BILD-Zeitung, deren Rede von einem "Heiz-Hammer" eine immense politische Wirkkraft entfaltet habe. Das habe jedoch auch damit zu tun, dass seriöse Medien diese Begrifflichkeit übernommen hätten. "Ich beobachte mit Sorge, dass es im Journalismus die Tendenz gibt, dass das, was im Internet gut klickt, zum leitenden Stilmittel wird."

Statt auf Information setze man zu oft auf Dramatisierung, meint der Kommunikationsexperte. Derweil gebe es gerade mit Blick auf das neue Gesetz eklatante Wissenslücken in der öffentlichen Debatte. "Es bestand lange Zeit der Eindruck in der Debatte, dass tatsächlich Heizungen, die jetzt im Betrieb sind, verboten werden – aber es geht ja um den Neueinbau von Heizungen", so Hillje.

Und die Regierung hat ein Kommunikationsproblem

Schuld am Kulturkampf ums Heizen haben also Opposition und Medien. Und die Regierung? Auch die entlässt Hillje nicht aus der Verantwortung. Es sei ein "Initialfehler" gewesen, dass man das Gesetz nicht richtig erklärt habe. "Das hätte ein Robert Habeck machen können." Derzeit fehle es vor allem an der Vermittlung der eigenen Politik. Man habe zu wenig darüber nachgedacht, wie man bei den Bürgerinnen und Bürgern Akzeptanz für das Gesetz erzeugen könne.

Hier knüpft Hillje an seinen Anfangsgedanken an: Reine "Ratio" führt bei einem emotionalen Thema wie dem Heizen nicht weiter. Die Regierung – so seine Überzeugung – hätte vielmehr nach Gegennarrativen suchen müssen, die in der Lage gewesen wären, solche Emotionen aufzugreifen. Beispielsweise hätte man mit der Wärmepumpe den "Stolz auf deutsche Ingenieurskunst" verbinden können, meint Hillje. Immerhin sei die Wärmepumpe in den 50ern von deutschen Ingenieuren maßgeblich mitentwickelt worden. "Man könnte aus konservativer Sicht sogar so etwas wie eine 'Volkswärmepumpe' fordern. Aber all das ist nicht passiert. Und so haben sich eben die Gegner diese Emotionen zunutze gemacht."

Transparenzhinweis: Johannes Hillje arbeitete 2014 als Wahlkampfmanager für die Europäischen Grünen.

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