Die Geothermie-Anlage in Unterhaching. Hier wird aus Thermalwasser Wärme gewonnen.
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Die Geothermie-Anlage in Unterhaching. Hier wird aus Thermalwasser Wärme gewonnen.

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Kommunale Wärmeplanung: Das kommt auf Bayern zu

Die kommunale Wärmeplanung ist Kernstück der Wärmewende. Bis 2028 soll sie mit dem Heizungsgesetz verzahnt werden. Bayerns Städte und Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern müssen Antworten finden. Doch einige Punkte sind noch unklar.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Das Wärmeplanungsgesetz nimmt Länder und Kommunen in die Pflicht: Sie sollen in den kommenden Jahren konkrete Pläne vorlegen, wie sie ihre Heizinfrastruktur klimaneutral umbauen wollen. Für Großstädte sollen diese Wärmepläne bis Ende 2025 fertig sein, kleinere Städte sollen zwei Jahre länger Zeit haben. Die Wärmepläne der Kommunen sollen eine wichtige Orientierung für Bürgerinnen und Bürger sein, weil sie so erfahren, ob ihr Haus bald an ein Fern- oder Nahwärmenetz angeschlossen wird - oder sie ihre Heizung absehbar auf beispielsweise eine Wärmepumpe umrüsten sollten.

Durch Geothermie Wärme für alle

Die Gemeinde Unterhaching im Süden von München hat für sich schon längst eine Antwort auf den kommunalen Wärmeplan gefunden. Mit Geothermie, also der Wärmegewinnung aus dem Boden, sollen bis 2028 alle Haushalte an die Erdwärme angeschlossen sein. Denn rund um die Gemeinde gibt es viele warme Wasserquellen im Boden. Das Warmwasser wird mittels Bohrungen an die Oberfläche geholt, gesäubert und gefiltert, erklärt Wolfgang Geisinger, Geschäftsführer vom Geothermiewerk. "Dann wird das Wasser auf Wärmetauscher verteilt. Dort wird die Wärme aus dem Wasser in den Fernwärmekreislauf übertragen. Der läuft durch den Ort und geht dann bis an jedes einzelne Haus."

Fernwärme für dichtbesiedelte Gebiete

Fernwärme ist vor allem in Städten oder größeren Gemeinden sinnvoll, wo es mehrstöckige Gebäude gibt. Ein zentrales Kraft- oder Heizwerk beliefert Gebäude mit Wärme. Die Bewohner brauchen somit keine eigene Heizanlage. Bisher kommen als Brennstoffe vor allem Erdgas und Steinkohle zum Einsatz. Die Bundesregierung will das ändern. Fernwärme soll umweltfreundlicher sein und erneuerbare Energien nutzen.

Energieexperte Matthias Huber rät dazu, große und flexiblere Systeme zu nutzen. Er schlägt zum Beispiel Großwärmepumpen vor, die mit Wärmespeicher oder Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen kombiniert werden könnten. Mit einer flexibleren Fahrweise könnten solche Systeme die Netzintegration der volatilen Erzeugung aus Wind und Sonne unterstützen.

"Die großen Städte sollten ihr Potenzial nutzen", sagt Huber im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk. Bis Ende des Jahres 2025 müssen Großstädte mit mehr als 100.000 Einwohnern eine kommunale Wärmeplanung aufgestellt haben. Das Land Bayern will freiwillige Planungen finanziell unterstützen. Dafür hat beispielsweise Nürnberg bereits einen Antrag gestellt.

Kommunale Wärmeplanung als Chance

Je kleiner die Gemeinde oder der Ort, desto sinnvoller ist ein Nahwärmenetz mit einer individuellen Lösung. "Jede Gemeinde sollte schauen, welche Möglichkeiten sie hat", sagt Huber. Gibt es natürliche Wärmequellen wie Flüsse? Steht im Ort eine Biogasanlage, mit der Wärme gewonnen werden könnte? Wäre Wasserstoff eine Lösung? Kleinere Städte mit mindestens 10.000 Einwohnern haben zwei Jahre länger Zeit, bis Ende 2027, um einen kommunalen Wärmeplan zu erstellen.

Alle Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern könnten von der Pflicht zur kommunalen Wärmeplanung verschont bleiben. Bisher gibt es im Gesetzentwurf für diese Orte keine Regelung.

Bayerischer Gemeindetag fordert "flächendeckende, verpflichtende Wärmeplanung"

Das muss sich ändern, fordert der Bayerische Gemeindetag. Die Wärmepläne der Bundesregierung seien zufriedenstellend, jedoch brauche es eine Ausweitung. Das geplante Gesetz sollte auch für deutlich kleinere Gemeinden gelten. "Wenn man nach Bayern blickt, haben circa 1.800 Gemeinden weniger als 10.000 Einwohner", so der Energieexperte des Bayerischen Städtetags, Stefan Graf. "Es kann nicht sein, dass man diese Gemeinden im Free Style machen lässt und es den Zufälligkeiten vor Ort überlässt." Denn auch bei solchen Gemeinden könnten sich - je nach Ort - zum Beispiel Geothermie, Biogasanlagen oder Solarthermie für ein Wärmenetz eignen. "Letztendlich werden wir ohne eine flächendeckende, verpflichtende Wärmeplanung wohl nicht auskommen."

Eine kommunale Wärmeplanung in den kommenden drei bis fünf Jahren hält Graf für sehr ambitioniert. Eine spannende Frage werde sein, wie das Prozedere hierfür aussehen soll. Denn auch bei den Ingenieurbüros, die eine solche Planung durchführen können, könnte es schnell zu Engpässen kommen, wenn alle Kommunen eine Wärmeplanung brauchen. "Das wird wahrscheinlich der Flaschenhals", prognostiziert Graf.

Schornsteinfeger sollen Daten sammeln

Matthias Huber hofft, dass Bayern für kleine Gemeinden vereinfachte Verfahren anbietet. Verbände oder Universitäten hätten zum Teil bereits Leitfäden erstellt, mit denen eine Wärmeplanung möglicherweise einfacher zu erstellen ist. Darüber hinaus brauchen die Kommunen etliche Daten. Welchen Energieverbrauch hat Haus A? Welche Heizungsanlage steht in Haus B? Wie lange sind die Anlagen in Betrieb? Zudem Lage, Baujahr und möglicher Denkmalschutz der Gebäude. Laut Gesetzentwurf sollen unter anderem die Betreiber der Energieversorgungs- und Wärmenetze sowie Schornsteinfeger die Daten erheben. "Vertraulichkeit und Sicherheit der Daten" seien zu beachten, heißt es darin. Niemand sei jedoch verpflichtet, seine Daten mitzuteilen.

Eigentlich hätten die Daten wohl schon bis 2022 erfasst werden soll. Stefan Graf sieht darin kein Problem. Schließlich dauere es auch noch "bis wir diese verpflichtende Wärmeplanung ins bayerische Gesetz reingeschrieben haben." Diese Verzögerung sei verkraftbar.

Für den Endverbraucher gilt: "Keine Panik"

Die kommunale Wärmeplanung hat zunächst keinen Einfluss auf den Endverbraucher und seine alte Heizung. Denn die Wärmeplanung ist noch kein Konzept bzw. eine Vorgabe der Stadt oder Gemeinde, wie geheizt werden muss. "Keine Panik", empfiehlt Energieexperte Matthias Huber. Solange es noch keinen Wärmeplan gibt, können die Bürger in der Übergangszeit weiter Heizungen einbauen, wie sie es wollen - also auch Gasheizungen. Erst wenn die Wärmeplanung der Kommune da ist, muss sich daran gehalten werden. Für Gemeinden unter 10.000 Einwohnern ist es im aktuellen Entwurf aber so, dass kein Wärmeplan erstellt werden muss. Demnach, so Huber, würde dort ab dem 1. Januar 2024 die "65 Prozent Regel" gelten. Das heißt, es dürften nur Heizungen eingebaut werden, die mindestens 65 Prozent erneuerbare Energien nutzen. Eine klassische Gasheizung wäre dann nicht mehr möglich.

Huber sieht in dem Gesetz auch einen Nachteil. Durch den Planungszeitraum werde Zeit verloren und es könne passieren, dass einige noch schnell eine Gasheizung einbauen. Gasheizungen sind in der Anschaffung günstiger als Wärmepumpen. Allerdings, so Huber, sei in Zukunft mit höheren Gaspreisen zu rechnen, so dass je nach Haus Wärmepumpen insgesamt die günstigere Alternative darstellen könne.

Auch die Geothermie in Unterhaching ist teuer. Deswegen braucht Wolfgang Geisinger gute Partner und vor allem Geld aus der Politik, um die beste erneuerbare Energie für einen Ort zu finden. Das bedeute, mehr Freiheit für die Gemeinden. Ein hoher Preis, der sich aber für die Zukunft lohne.

Zum Video: Gespräch mit dem Bürgermeister von Holzkirchen, Christoph Schmid (CSU) zu den Wärmeplänen der Marktgemeinde.

Gespräch mit dem Bürgermeister der oberbayerischen Marktgemeinde Holzkirchen
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Die Kommunen sollen in den kommenden Jahren nachhaltige Wärmenetze aufbauen. In der Gemeinde Holzkirchen sieht man sich gut gerüstet.

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