Sofía Otero im Imkeranzug vor grüner Landschaft.
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Der Silberne Bär für die beste schauspielerische Leistung ging an sie: Sofía Otero

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Jetzt im Kino: Der Berlinale-Erfolg "20.000 Arten von Bienen"

Bei der Berlinale lief das Familiendrama "20.000 Arten von Bienen" im Wettbewerb und die 9-jährige Sofia Otero gewann für ihr Spiel den Silbernen Bären. Sogar der Hauptpreis schien damals möglich, so berührend fanden viele Kritiker diese Geschichte.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Zwei Kinder stehen vor einem kleinen idyllischen Fluss in den Bergen im spanischen Baskenland. Der achtjährige Aitor ist mit seiner Mutter in deren Heimat gereist. Die Haare trägt der Junge lang, er wäre lieber ein Mädchen – und die meisten in dem Dorf glauben auch, er wäre eines. Manchmal nennt er sich Coco.

Als er, bekleidet nur mit T-Shirt und Badesachen, neben seiner neuen Freundin am Fluss steht, fragt sie ihn, ob sie die Badehosen tauschen wollten, ihre würde ihr immer in die Po-Ritze rutschen. Okay, sagt Aitor, und beginnt sich auszuziehen. Das Mädchen neben ihm glaubt, er sei, wie sie, weiblich. Als die Hose unten ist, stutzt sie kurz, aber sonderlich beeindruckt oder verwirrt ist sie nicht.

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Keine feindliche Außenwelt, immerhin im Film.

Das Geschlecht wird überschätzt, und doch gestaltet es sich in der allgemein so bedeutsamen Festlegung als ungemein komplex – so kann man diese Szene auf den Punkt bringen. Die beiden Kinder machen einfach weiter, sie wollen zusammen etwas aus dem Wasser des Flusses holen.

Die junge spanische Regisseurin Estibaliz Urresola Solaguren schafft in ihrem Film über einen Trans-Jungen einen geschützten Raum für das, was sie erzählen will. Es gibt keine feindliche Außenwelt, keine Diskriminierungen, keine sexistischen Beschimpfungen.

Behutsame Inszenierung

Die Handlung kreist um Begegnungen und Gespräche in der Familie und mit ein paar Bekannten im Dorf, zwischen Geschwistern, der Mutter, der Oma, den Tanten.

Wie behutsam und sensibel Solaguren vorgeht, zeigt beispielhaft die Szene am Fluss: In dem Moment der geschlechtlichen Offenbarung sieht man keines der beiden Kinder nackt. Die Kamera blickt in ihre Gesichter, erzählt alles über die Regungen, die sich im Mienenspiel ausdrücken.

Zusammen mit ihrer Kamerafrau Gina Ferrer García hat die 39-jährige Regisseurin ein stimmiges visuelles Konzept entwickelt, das den Menschen im Film nahekommt, immer wieder ein intimes Neben- und Miteinander kreiert.

Die Kamera fängt die Dynamik von Dialogen ein, wechselt im wahrsten Sinne des Wortes immer wieder die Seite, nimmt unterschiedliche Perspektiven ein und urteilt dabei nicht. Die Männer sind in diesem Film kaum anwesend. Als Partner entweder schon tot oder gerade selbst in der Krise und in der Trennung befindlich. Nur der Vater von Aitor taucht bisweilen auf.

Credo: Bloß keine Angst!

Die Frauen in "20.000 Arten von Bienen" zeigen ihre Eigenheiten, sind sehr unterschiedlich, geben sich tolerant, traditionell gläubig oder liberal, hinterfragen ihre Haltungen und Werte, verändern sich oder versuchen zumindest, über andere Lebensansichten nachzudenken.

Der Titel bezieht sich auf die Szenen, in denen die eine Tante von Aitor, eine Imkerin, familiäre Bezüge zur Welt der Insekten herstellt, um die Besonderheiten ihrer Sippschaft zu erklären. Ihr Credo lautet vor allem: Habe keine Angst, vor niemandem! Angst, sagt sie, habe immer mehr mit einem selbst zu tun als mit den anderen.

Größte Stärke: Natürlichkeit

Die junge Hauptdarstellerin des Films, die 9-jährige Sofía Otero, ist großartig, nicht anders als das gesamte Ensemble.

Ob man sie bei der letzten Berlinale als jüngste Darstellerin der Festivalgeschichte mit dem Silbernen Bären in der Kategorie Beste Hauptrolle auszeichnen musste, darüber lässt sich streiten. Ist es nicht mehr die erstaunliche natürliche Präsenz des Kindes, die da begeistert hat, und weniger das Spiel im Vergleich zu professionellen Kolleginnen und Kollegen?

Wie auch immer – "20.000 Arten von Bienen" überzeugt als ein inspirierend vielstimmiger und nachdenklicher Film. Sehenswert!

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Mutter und Tochter: Ein Filmstill aus "20.000 Arten von Bienen"

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