Ein Mensch geht neben einer brennenden Barrikade an einer Mauer vorbei, auf der "Die Polizei tötet" steht.
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Auch in der vierten Nacht nach dem Tod eines 17-Jährigen durch einen Polizisten ist es in Frankreich zu Ausschreitungen gekommen.

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Proteste und Plünderungen: Weitere Krawall-Nacht in Frankreich

Nach dem Tod eines Jugendlichen bei einer Polizeikontrolle ist es in Frankreich die vierte Nacht in Folge zu schweren Krawallen gekommen - trotz massiver Polizeipräsenz und staatlicher Einschränkungen. Ein Mann kam am Rande der Proteste ums Leben.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Frankreich hat nach dem Tod eines 17-Jährigen durch den Schuss eines Polizisten eine weitere Nacht der Gewalt erlebt. Daran konnten auch Appelle zur Ruhe und Ordnung sowie eine massive Polizeipräsenz nur wenig ändern.

Allerdings hatte die Gewalt nach Angaben von Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin eine "deutlich geringere Intensität" als in den Vornächten. Nach Angaben seines Ministeriums wurden landesweit mehr als 1.300 Menschen festgenommen. Fast 80 Polizisten und Gendarmen wurden verletzt. Das Innenministerium registrierte insgesamt 1.350 angezündete Fahrzeuge und mehr 2.500 weitere Brände.

Plünderer brechen in Waffengeschäft ein

Schon am Tag hatte es Szenen der Gewalt gegeben: In Straßburg plünderten Unbekannte laut den Behörden ein Apple-Geschäft; die Polizei setzte dort Tränengas ein. In einem Einkaufszentrum im Großraum Paris wurden die Schaufenster eines Fast-Food-Restaurants zertrümmert. In Colombes, einem Vorort der Hauptstadt, kippten Unbekannte Mülleimer um und errichteten daraus Straßenbarrikaden.

In der Nacht weiteten sich die Krawalle dann aus: In Grenoble, Lyon und Marseille plünderten herumziehende Gruppen Geschäfte. Demonstranten setzten auch erneut Autos und Mülltonnen in Brand. Zu den heftigsten Ausschreitungen kam es nach Angaben der Behörden im südfranzösischen Marseille: Hier hätten Jugendliche Wurfgeschosse geschleudert, Brände gelegt und Geschäfte geplündert, teilte die Polizei mit. Plünderer seien außerdem in einen Waffenladen in Frankreichs zweitgrößter Stadt eingebrochen.

Proteste auch in den französischen Karibik-Gebieten - ein Toter

Die Unruhen haben inzwischen auch die französischen Überseegebiete in der Karibik erfasst, wo seit langem ethnische Spannungen schwelen und etliche Bewohner sich von Frankreich unterdrückt oder vernachlässigt fühlen. In Französisch-Guyana kam ein Mann durch einen Querschläger ums Leben. Mindestens sechs Personen wurden verhaftet, darunter fünf Minderjährige, teilten die Behörden mit.

Kleinere Proteste wurden auch aus Martinique und Guadeloupe gemeldet sowie der Insel Réunion im Indischen Ozean. Hier seien seit Mittwoch Mülleimer in Brand gesetzt und Polizisten mit Gegenständen beworfen worden, teilten die Behörden mit.

Im Audio:

Protestierend blockieren eine Straße mit Mülleimern in Colombes, außerhalb von Paris.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Lewis Joly
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Mülleimer-Blockaden, zerstörte Geschäfte, in Brand gesetzte Autos: Auf Frankreichs Straßen kehrt die vierte Nacht in Folge keine Ruhe ein.

Regierung setzt auf Polizeipräsenz und Appelle

Bislang setzt die Regierung von Präsident Emmanuel Macron auf eine massive Polizeipräsenz, um der Lage Herr zu werden. Für Freitagabend wurden insgesamt 45.000 Beamte mobilisiert. Einige von ihnen waren extra aus dem Urlaub zurückgerufen worden. Innenminister Darmanin ordnete zudem an, in ganz Frankreich ab 21 Uhr den Bus- und Straßenbahnverkehr einzustellen. Auch mehrere Großveranstaltungen wurden abgesagt. Mindestens drei Gemeinden in der Nähe von Paris sowie mehrere andere Orte verhängten nächtliche Ausgangssperren.

Präsident Macron hat bisher darauf verzichtet, den Notstand auszurufen. Diese Option war 2005 bei ähnlichen Unruhen von der französischen Regierung genutzt worden.

Fußballer rufen zu Ende der Gewalt auf

Macron hatte am Freitag nach einer Krisensitzung der Regierung eine "inakzeptable Instrumentalisierung des Todes eines Jugendlichen" angeprangert. Rund ein Drittel der Festgenommenen sei "jung, manchmal sehr jung". Der Präsident appellierte an die Eltern, dafür zu sorgen, dass sich ihre Kinder nicht an den gewaltsamen Protesten beteiligten.

Am späten Abend rief auch die französische Fußball-Nationalmannschaft - die bei vielen Jugendlichen beliebt ist - dazu auf, die Gewalt zu beenden und stattdessen Raum für "Trauer, Dialog und Wiederaufbau" zu geben. Es müssten sich "friedlichere und konstruktivere Wege" finden lassen, "sich zu äußern", hieß es in der von Kapitän Kylian Mbappé in den Onlinenetzwerken veröffentlichten Erklärung.

Erschossener Jugendlicher wird am Samstag beigesetzt

Auslöser für die Proteste und Ausschreitungen war der Tod eines 17-Jährigen bei einer Polizeikontrolle in der Pariser Vorstadt Nanterre. Gegen den Beamten, der den Jugendlichen erschossen haben soll, wird inzwischen wegen "vorsätzliche Tötung" ermittelt. Nach Angaben seines Anwalts bat der in Untersuchungshaft sitzende Beamte die Familie des Opfers um Verzeihung.

Die Beisetzung des 17-Jährigen ist für Samstag geplant. Das teilte Nanterres Bürgermeister Patrick Jarry mit. Er warb für einen Wandel in sozial abgehängten Gegenden in Frankreichs Städten.

Mit Informationen von AFP und dpa.

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