Nanterre
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Krawalle in Nanterre

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Nach Trauermarsch gibt es bei Paris wieder Krawalle

Erneute Krawalle in Frankreich: Im Anschluss an einen Trauermarsch für den bei einer Polizeikontrolle erschossenen Jugendlichen gab es Auseinandersetzungen zwischen Protestierenden und der Polizei. Im Pariser Vorort Nanterre flogen Brandsätze.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

In Nanterre, wo sich rund 6.000 Menschen an dem Marsch für Gerechtigkeit für den getöteten 17-Jährigen beteiligt hatten, haben sich Demonstranten und Polizei erneut Auseinandersetzungen geliefert. Das berichtete unter anderem die Zeitung "Le Parisien". Die Beamten wurden demnach mit Molotow-Cocktails beworfen, die Polizei überwachte die Lage mit Hubschraubern und zog Spezialkräfte in Nanterre zusammen.

Krisenstab und Sondereinsatzkräfte

Um eine dritte Nacht mit Krawallen zu verhindern, hatte Innenminister Gérald Darmanin den Einsatz von landesweit 40.000 Polizisten angekündigt. Der Straßenbahn- und Busverkehr im Großraum Paris sollte aus Sicherheitsgründen ab 21 Uhr eingestellt werden. Im Pariser Viertel La Defence wurde die Eröffnung eines Festivals aus Sicherheitsgründen abgesagt.

Damit werde die Zahl der eingesetzten Kräfte im Vergleich zur Nacht von Mittwoch auf Donnerstag vervierfacht, erklärte der Minister. Präsident Emmanuel Macron richtete einen Krisenstab ein.

Randalierer rufen "Tod den Bullen!"

In der Nacht zum Donnerstag hatten sich die Ausschreitungen verstärkt und von der Hauptstadtregion auf weitere Städte in Frankreich ausgeweitet. Der Schwerpunkt der Krawalle lag aber erneut in Nanterre, wo sich Randalierer wieder Straßenschlachten mit der Polizei lieferten.

Schwarz gekleidete vermummte Jugendliche gingen mit Rufen wie "Gerechtigkeit für Nahel!", und "Tod den Bullen!" auf die Straße. Im Viertel Vieux-Pont gab es Schlägereien, erneut wurden Autos in Brand gesetzt. Am längsten dauerten die Unruhen in den verwinkelten Gassen des Hochhausviertels Pablo Picasso. Zwischen den "Tours Nuage", den "Wolkentürmen" aus den 1970er Jahren, stecken die Vermummten Mülltonnen und Bänke in Brand. Dichter schwarzer Rauch stieg auf.

Polizisten mit Böllern beworfen

Die Jugendlichen waren offenbar gut organisiert und bewachten die Eingänge des Viertels. Auf Motorrollern mit unkenntlich gemachten Nummernschildern durchkreuzten sie die Straßen, um herauszufinden, wo sich die Polizei positionierte.

Hunderte Randalierer bewarfen die Polizisten mit Böllern und Feuerwerkskörpern. Die Beamten reagierten zurückhaltend, setzten Tränengasgranaten ein, mit denen sie die Jugendlichen immer wieder kurzzeitig zurücktreiben konnten.

Innenminister: "Nacht der unerträglichen Gewalt"

Am Morgen danach zog Innenminister Gérald Darmanin auf Twitter Bilanz und sprach von einer "Nacht der unerträglichen Gewalt". 150 Menschen seien festgenommen worden. Die Bilanz zu den neuen Krawallen steht noch aus.

Macron: "Gewalt nicht zu rechtfertigen"

Präsident Emmanuel Macron verurteilte die Welle der Gewalt nach dem Tod des Jugendlichen Nahel M. bei einer Polizeikontrolle und forderte eine Beruhigung der Lage. "Die letzten Stunden waren geprägt von Szenen der Gewalt gegen Polizeiwachen, aber auch gegen Schulen, Rathäuser und also im Grunde gegen Institutionen und die Republik", sagte Macron. Diese Gewalt sei "absolut nicht zu rechtfertigen". Er dankte den Einsatzkräften, die die Institutionen geschützt und für Ruhe gesorgt hätten.

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Polizisten wegen Totschlags

Die Staatsanwaltschaft hat gegen den Polizisten, der auf Nahel M. geschossen haben soll, ein förmliches Ermittlungsverfahren wegen Totschlags eingeleitet. Der Beamte soll in Untersuchungshaft kommen, wie die Staatsanwaltschaft in Nanterre mitteilte. Er wird heute dem Haftrichter vorgeführt. Die rechtlichen Voraussetzungen für den Gebrauch der Waffe seien nach dem aktuellen Stand der Ermittlungen nicht gegeben gewesen, hieß es. Mit den Bildern der Videoüberwachung, Amateurvideos und Zeugenaussagen hätten sich die Umstände der Kontrolle weitgehend rekonstruieren lassen.

Tödlicher Schuss bei Verkehrskontrolle

Der 17-jährige Nahel M. sei demnach am Dienstagmorgen mit zwei Beifahrern mit hohem Tempo in Nanterre unterwegs gewesen und dabei über eine Busspur gefahren. Ein erster Versuch von zwei Polizisten auf Motorrädern, ihn an einer Ampel zu stoppen, sei gescheitert. Der junge Mann sei bei Rot davongefahren und habe seine Flucht auch über Gehwege fortgesetzt, erklärte die Staatsanwaltschaft.

Als die Beamten ihn etwas später einholen und stoppen konnten, richteten demnach beide auf Höhe der Fahrertüre ihre Waffen auf den 17-Jährigen und forderten ihn zum Abschalten des Motors auf. Als der Verdächtige plötzlich losfuhr, gab ein Beamter einen Schuss ab, wie es weiter hieß. Der Ausruf "Du kriegst eine Kugel in den Kopf!" ist in einer Videoaufnahme zu hören.

Mit Informationen von dpa und AFP

Ausschreitungen in Nanterre
Bildrechte: BR
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In Nanterre sind Hunderte Menschen auf die Straße gegangen, um an den 17-Jährigen zu erinnern, der von einem Polizisten erschossen wurde.

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