27.09.21: CDU-Kanzlerkandidat Laschet kommt vorgefahren zu den Gremiensitzungen der Partei in Berlin nach der Bundestagswahl 2021.
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27.09.21: CDU-Kanzlerkandidat Laschet kommt vorgefahren zu den Gremiensitzungen der Partei in Berlin nach der Bundestagswahl 2021.

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Kritik an Laschet wächst: "Wir haben die Wahl verloren. Punkt."

"Anstand und Haltung", "Portion Demut": In der Union wächst das Unverständnis über das Vorgehen von Kanzlerkandidat Laschet nach dem Absturz bei der Bundestagswahl. Dem CDU-Chef selbst steht eine heikle erste Fraktionssitzung bevor.

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In der Union wächst der Widerstand gegen das Vorgehen von Kanzlerkandidat Armin Laschet, trotz der historischen Niederlage bei der Bundestagswahl auf Sondierungen mit Grünen und FDP zu setzen. Niedersachsens CDU-Chef Bernd Althusmann forderte: "Wir sollten jetzt demütig und respektvoll den Wählerwillen annehmen, mit Anstand und Haltung. Es war Veränderung gewollt."

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier betonte: "Wir haben keinen Anspruch auf Regierungsverantwortung." Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) empfahl seiner Partei in der "Rheinischen Post" eine "Portion Demut". Und Junge-Union-Chef Tilman Kuban sagte: "Wir haben die Wahl verloren. Punkt." Der klare Auftrag liege bei SPD, Grünen und FDP.

Jamaika-Koalition mit Wahlverlierer Laschet?

Spätestens mit diesen Wortmeldungen ist klar: In der Union brodelt es. Vereinzelt gab es bereits Rufe nach Laschets Rücktritt. Obwohl die Union auf 24,1 Prozent abstürzte und die SPD mit Olaf Scholz stärkste Partei wurde, hatte der Kanzlerkandidat der Union noch am Wahlabend bekräftigt, dass er eine Jamaika-Koalition mit FDP und Grünen anstrebt - mit denen auch die SPD regieren möchte. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil kritisierte Laschet ebenfalls: "Niemand will Armin Laschet als Kanzler, und ich hoffe, dass er das in den nächsten Tagen auch realisiert", sagte Klingbeil bei RTL.

Die Sozialdemokraten leiten aus dem Ergebnis von 25,7 Prozent einen klaren Wählerauftrag für sich ab. Der derzeitige Bundesfinanzminister und Vizekanzler Scholz will rasch eine Regierung bilden und sieht dafür genügend Gemeinsamkeiten mit Grünen und FDP. "Es gibt ja Schnittmengen", betonte er am Montagabend im ZDF. Er verwies bei den Grünen auf den Klimaschutz und bei der FDP auf Bürgerrechte und die Modernisierung des Landes.

Grüne und FDP drängen auf Veränderungen

Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock sagte, das Land sehne sich nach den Jahren der Großen Koalition nach einem neuen Aufbruch. Dreierbündnisse seien "nicht nur einfach, aber es kann eben auch das Momentum dafür geben, Dinge wirklich anders zu machen". Der andere Grünen-Chef Robert Habeck betonte, es gebe in seiner Partei "eine gewisse Tendenz" zu einem "Ampel"-Bündnis. Aber auch die SPD habe "ihre Eigenarten, und so ein Bündnis ist kompliziert zu bauen". FDP-Generalsekretär Volker Wissing erklärte: "Am Ende muss man sich auf ein Konzept verständigen, das für das Land einen Mehrwert bringt."

Nach "Spiegel"-Informationen haben sich Grüne und FDP auf ein erstes Treffen am Mittwoch verständigt. FDP-Chef Christian Lindner hatte noch am Wahlabend vorgeschlagen, dass sich beide Parteien vorab zusammensetzen, um Schnittmengen auszuloten.

Unionsfraktion tagt: Weitere Kritik an Laschet?

An diesem Dienstag kommen die neuen Fraktionen von SPD, Union, Grünen und Linken zu ersten Beratungen zusammen. Bei der konstituierenden Sitzung der stark geschrumpften Unionsfraktion könnten schon erste Weichen gestellt werden. Auf der Tagesordnung steht auch die Neuwahl des Fraktionschefs, die mit Spannung erwartet wird. Laschet hatte am Montag angekündigt, er wolle gemeinsam mit CSU-Chef Markus Söder vorschlagen, dass der bisherige Vorsitzende Ralph Brinkhaus (CDU) "in der Phase dieser Koalitionsverhandlung" Fraktionschef sein solle. Das wiederum sorgte für Unmut bei Brinkhaus, der sich wie üblich für ein Jahr wählen lassen wollte.

Söder erklärte am Montagabend in der ARD, mit Brinkhaus als Fraktionschef der Union habe die CSU "sehr gute Erfahrungen" gemacht. "Es gebe auch andere, aber das wäre eine Option", sagte er. Möglicherweise werde es einen gemeinsamen Vorschlag beider Parteivorsitzenden geben. Der CSU-Chef ist nach ZDF-Informationen ebenfalls bei der ersten Sitzung der Unionsfraktion dabei. CDU-Präsidiumsmitglied Norbert Röttgen plädierte dafür, die Fraktionsführung erst später zu bestimmen. Über das Wahlergebnis müsse erst einmal diskutiert werden, bevor sofort personal- und machtpolitisch Pflöcke eingeschlagen würden, sagte er in der ARD.

Laschet: Wechsel nach Berlin "ohne Rückfahrkarte"

Vor der Wahl hatte Laschet klargemacht, dass er in jedem Fall nach Berlin gehe - "ohne Rückfahrtkarte" und auch wenn er nicht Kanzler werde. Es wird erwartet, dass er bis zur konstituierenden Sitzung des Bundestags am 26. Oktober Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen bleibt. Die dortige Landes-CDU will bis Ende der nächsten Woche die Weichen für Laschets Nachfolge stellen.

Derweil plädiert Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) dafür, eine mögliche Personaldebatte in der Union erst dann zu führen, "wenn wir wissen, dass ein Jamaika-Bündnis keine Chance hat." Das sagte er der Funke Mediengruppe. Allerdings räumte Günther auch ein, das man nach einem solchen Ergebnis nicht "Weiter so" sagen könne.

Rheinland-Pfalz: Klöckner kündigt Rückzug an

Eine personelle Erneuerung zeichnet sich bei der CDU in Rheinland-Pfalz ab. Die CDU-Landesvorsitzende Julia Klöckner will bei der Vorstandswahl am 20. November nicht mehr kandidieren, wie sie am Montagabend mitteilte. Klöckner hatte die Landes-CDU als Spitzenkandidatin in die Bundestagswahl geführt und unterlag im Kampf um das Direktmandat. Sie zieht aber über die Landesliste erneut in den Bundestag ein.

mit Informationen von dpa und afp

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