Wirtschaftsminister Robert Habeck (Mitte), rechts dahinter Staatssekretär Patrick Graichen  (Bild vom 11.1.2022)
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Wirtschaftsminister Robert Habeck (Mitte), rechts dahinter Staatssekretär Patrick Graichen. (Bild vom 11.1.2022)

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Habeck und Graichen stehen Rede und Antwort zur Personalpolitik

Auf gleich zwei Ebenen stand heute im Bundestag die umstrittene Personalpolitik des Wirtschaftsministeriums zur Debatte - im Wirtschaftsausschuss und im Plenum. Es geht um fehlende Grenzen zwischen Personalpolitik und familiären Beziehungen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 Infoblock am .

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und sein in die Kritik geratener Staatssekretär Patrick Graichen sind am heutigen Mittwoch von Bundestagsabgeordneten zur Personalpolitik des Ministeriums befragt worden. Wirtschaftsstaatssekretär Patrick Graichen entschuldigte sich erneut für sein Fehlverhalten bei der Besetzung einer wichtigen Stelle. "In dem Moment, als klar war, dass mein Trauzeuge und langjähriger Freund Michael Schäfer sich auf die Stelle bewirbt, hätte ich mich aus der Findungskommission zurückziehen müssen", sagte der Grünen-Politiker.

Graichen war an der Auswahl des neuen Geschäftsführers der bundeseigenen Deutschen Energie-Agentur (Dena), Michael Schäfer, beteiligt, obwohl dieser sein Trauzeuge ist. Sowohl Graichen als auch Habeck sprechen mittlerweile von einem Fehler. Das Verfahren zur Personalauswahl soll neu aufgerollt werden.

Familiäre Verbindungen, dienstliche Verflechtungen

Kritik gibt es außerdem an personellen Verflechtungen im Wirtschaftsministerium. Graichens Schwester, verheiratet mit dessen Staatssekretärs-Kollegen Michael Kellner, arbeitet wie auch ihr Bruder beim Öko-Institut - einer Forschungseinrichtung, die Aufträge vom Bund bekommt. Das Ministerium betont, Kellner und Graichen seien nicht an Ausschreibungen beteiligt gewesen, auf die sich das Öko-Institut hätte bewerben können.

Wirtschaftsminister Habeck und Graichen waren am Mittwoch rund zweieinhalb Stunden in einer gemeinsamen Sitzung der Ausschüsse für Wirtschaft sowie Klimaschutz und Energie zur Personalpolitik ihres Hauses befragt worden. Hintergrund ist die Auswahl eines neuen Geschäftsführers für die bundeseigene Deutsche Energie-Agentur (Dena), an der Graichen beteiligt war. Die Wahl fiel am Ende auf seinen Trauzeugen Schäfer. Sowohl Graichen als auch Habeck sprechen mittlerweile von einem Fehler.

Freundschaft "kein ausschlaggebender Grund"

Als Schäfer ihn informiert habe, dass er sich bewerben wolle, habe er ihm "sehr deutlich gesagt, dass unsere Freundschaft in diesem Verfahren kein ausschlaggebender Grund für das Ergebnis sein darf - weder in die eine noch in die andere Richtung", sagte Graichen nach den Ministeriumsangaben. Als die beauftragte Personalagentur die Findungskommission, deren Teil er war, gebeten habe, mögliche Kandidatinnen und Kandidaten zu nennen, habe er weitere Kandidatinnen und Kandidaten ins Spiel gebracht, die sich zum Teil auch beworben hätten. "Von den 11 Kandidatinnen und Kandidaten, die die Personalagentur am Schluss ausgewählt und der Findungskommission vorgeschlagen hat, habe ich 9 bereits aus vorheriger beruflicher Erfahrung gekannt - eine Folge dessen, dass ich seit über 20 Jahren beruflich in der Klima- und Energieszene unterwegs bin", erklärte Graichen demnach. "Für mich war es insofern eine graduelle Abstufung, wen der Bewerberinnen und Bewerber ich wie gut kannte."

Graichen beteuerte, er habe weder Schäfer noch anderen Kandidaten Hinweise gegeben oder Vorteile verschafft. "Heute ist mir klar, dass ich mich aufgrund der Kandidatur von Michael Schäfer sofort aus der Findungskommission hätte zurückziehen müssen", so Graichen. "Ich habe gedacht, dass es genügt, wenn meine Stimme nicht den Ausschlag gibt und ich mich in der Findungskommission bei der Bewertung seiner Person zurückhalte. Das war falsch und ich bedaure diesen Fehler sehr."

Union bringt Untersuchungsausschuss ins Spiel

Unionsvertreter, darunter Fraktionschef Friedrich Merz (CDU), sprechen von Vetternwirtschaft und bringen auch einen Untersuchungsausschuss ins Spiel. Merz hatte am Dienstag gesagt, ein solcher Ausschuss wäre ein "angemessenes Mittel", sollten die offenen Fragen dazu in der Ausschusssitzung nicht ausreichend beantwortet werden.

CDU-Vize Andreas Jung sagte der "Augsburger Allgemeinen": "Robert Habeck und Patrick Graichen müssen im Ausschuss jetzt umfassend Transparenz herstellen und alle aufgekommenen Fragen beantworten". Die bisherigen Erklärungen Graichens reichten nicht aus.

Opposition rechnet mit Habeck ab

CDU-Generalsekretär Mario Czaja sprach am Mittwoch bei einer Aktuellen Stunde im Bundestag davon, dass "Habecks grüne Familienclique" die Sorgen der Menschen nicht ernst nehme. Mit Verweis auf die drohenden Kosten durch das geplante Heizungsgesetz klagte Czaja: "Das ist kein Klimaschutz, das ist soziale Kälte."

Der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla rief deshalb Habeck zum Rücktritt auf: "Auch Sie müssen ausgetauscht werden", sagte er an die Adresse des Ministers. "Es wäre günstiger, Sie auszutauschen, als Millionen Heizungen in Deutschland." Klaus Ernst von der Linken warnte, der Klimaschutz benötige einen breiten gesellschaftlichen Konsens. Deshalb dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass Posten im zuständigen Ministerium nur mit Freunden statt mit Fachleuten besetzt werden.

DENA-Stelle wird neu ausgeschrieben - Graichen soll bleiben

Habeck hatte am Dienstag volle Transparenz im Ausschuss zugesagt. "Was dann die Parlamentarier mit dieser Transparenz machen, ist dann sicherlich eine politische Frage", hatte der Minister angefügt.

Die Stelle des Dena-Geschäftsführers soll in den kommenden Tagen laut Stefan Wenzel (Grüne), dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats, neu ausgeschrieben werden: "Dann kann jede und jeder sich da neu bewerben." Wenzel zufolge wurde die Findungskommission breiter aufgestellt, "von der Personenzahl her, aber auch, was die Verankerung in den Ministerien angeht". Er hoffe, dass man "sehr zeitig" zu einer Entscheidung komme und noch vor der Sommerpause wisse, wer die Dena künftig gemeinsam mit Geschäftsführerin Kristina Haverkamp leiten werde.

An Graichen, bei dem im Ministerium alle Fäden zum Thema Energiewende zusammenlaufen, hält der Robert Habeck indes fest.

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