Ein Hecht in einem See (Symbolbild)
Bildrechte: picture alliance / Westend61 | Christian Zappel

Ein Hecht in einem See (Symbolbild)

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Wetterextreme: So verändert das die Ökosysteme unter Wasser

Vergangenen Sommer: Hitzerekorde und neue Tiefststände bei den Gewässerpegeln. Der Winter? Auch zu trocken. Das Frühjahr? Feucht und kühl. Das hebt die Pegel zwar für den Moment - doch die Ökosysteme verändern sich, weil das Klima extremer wird.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 1 am Morgen am .

Ein leises Gurgeln und Plätschern der Wellen im Bootshaus von Katrin Kirner. Sie macht um sechs Uhr morgens ihr Boot fertig, um auf den See hinauszufahren. Hier am Obersee, so nennen die Bewohner den Starnberger See bei Seeshaupt, ist sie in der Morgenkälte ganz allein auf dem Wasser.

Die Fischerin will ihre Netze einholen. Sie fröstelt. Sie sagt, sie liebe ihren Beruf – immer auf dem See zu sein, mit der Natur zu leben. Aber manchmal sei es auch hart, besonders in letzter Zeit: "Dass wir seit gefühlt vier Wochen ununterbrochen Regen und Wind haben, das ist schon anstrengend. Sonne wäre schon einmal wieder schön!"

Klimawandel ändert nicht nur das Wetter

Der Klimawandel verändert die Natur. Das merken insbesondere die Menschen am See, wie Katrin Kirner. Die Extremwetterlagen machen nicht nur ihnen zu schaffen, sondern auch der Natur: der extrem trockene vergangene Sommer ebenso wie das jetzige nasse und kalte Frühjahr. Die Niederschlagsmenge beträgt inzwischen das Doppelte des langjährigen Durchschnitts.

Einerseits hat das dem Grundwasserspiegel in vielen Bereichen Bayerns gutgetan - und damit auch den Seen ohne Zufluss, wie dem Starnberger See. Denn der wird fast ausschließlich durch Grundwasser gespeist. Sein Pegel ist wieder normal.

Gestiegene Pegel täuschen: Nichts ist wieder normal

Dennoch sind Kirners Netze fast leer, denn die Fische mögen das aktuelle Wetter überhaupt nicht. Sie verstecken sich in der Tiefe, so lange es so kalt ist. Endlich eine einzelne Renke! Das ist zu wenig. Wovon Kirner aber mehr als genug in ihren Netzen findet, sind Klumpen verklebter, kleiner, brauner Muscheln – Dreikantmuscheln: Diese scharfkantigen Schalentiere sollten hier eigentlich nicht sein.

Sie wurden vor Jahren eingeschleppt. "Die werden immer mehr," sagt Kirner. "Einer der wenigen Fressfeinde sind Blesshühner. Diese Muscheln haben auch unsere Teichmuscheln kaputt gemacht. Sie setzen sich nämlich auf sie drauf und dann können die Teichmuscheln nicht mehr atmen. Dreikantmuscheln heften sich an alles. Die sind an jeder Bootskette, überall!"

Forscher bestätigen die Beobachtungen der Fischer

Eine alte Mühle in Weihenstephan bei Freising. Hier arbeiten Forscher der Technischen Universität München. Jürgen Geist ist Professor für Aquatische Systembiologie. Er versucht zu verstehen, wie sich die Natur unter Wasser verändert – welche Folgen der Klimawandel und menschliche Eingriffe für unsere Seen und Flüsse haben.

Studenten haben über Nacht eine Reuse im Mühlteich versenkt und gleich fünf Signalkrebse damit gefangen. Auch sie wurden eingeschleppt und haben den heimischen Flusskrebs fast völlig verdrängt. Was es den Krebsen so leicht machte sich auszubreiten: die häufigen Wetterextreme der vergangenen Jahre. "So ist das bei all den Arten, die wir als Generalisten bezeichnen," sagt Geist. "Die kommen besser mit solchen extremen Situationen zurecht und verbreiten sich dadurch stark in der Fläche. Das ist also ein globales Phänomen. Man bezeichnet das auch als McDonaldization: Dass man also immer die gleichen Arten in den verschiedensten Gewässern findet, weltweit".

Fischer wollen durchhalten

Kirner holt das letzte Netz des Tages ein, auch das ist fast leer. Aber egal wie die Situation gerade ist: Sie wird weiter rausfahren, genauso wie ihre Vorfahren seit Generationen. "Die Fischerei am Starnberger See wird bleiben", da ist sie sich sicher, egal, wie sich das Klima auch wandelt.

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