24.11.2021, Berlin: Vorstellung des gemeinsamen Koalitionsvertrags der Ampel-Parteien.
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24.11.2021, Berlin: Vorstellung des gemeinsamen Koalitionsvertrags der Ampel-Parteien.

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Wie das Ausland auf die neue deutsche Regierung blickt

Wie das Ausland auf die neue deutsche Regierung blickt

Auch international wird die erste Ampel-Bundesregierung mit großem Interesse verfolgt. Welche Akzente wird Baerbock im Außenamt setzen? Wie geht es weiter mit Nord Stream 2? Das Thema, das am meisten diskutiert wird, ist jedoch ein brandaktuelles.

Beim US-TV-Sender Bloomberg ist man sich sicher: "Diese Regierung wird ab Tag eins im Krisenmodus sein", sagte dort Reporterin Maria Tadeo nach Vorstellung des Koalitionsvertrags. Und der Grund für sie ist klar: Olaf Scholz müsse so einige schwierige Fragen rund um die Pandemie beantworten.

Corona ist angesichts der hohen Infektionszahlen in Deutschland das größte Thema, das international mit dem Start der Ampel-Koalition verbunden wird. Die italienische Zeitung "La Repubblica" nannte die Pandemie die "Geburtszange" der neuen Regierung. Viele schauen gespannt nach Berlin, wie SPD, Grüne und FDP auf die Corona-Krise reagieren.

Corona ein "erster Testfall" für die Ampel-Koalition

"Das Ausland beobachtet insbesondere, wie stringent und kohärent die Ampel in der Corona-Krise agiert", erklärt Jana Puglierin im Gespräch mit BR24. Puglierin ist Leiterin des Berliner Büros des European Council on Foreign Relations, einem pan-europäischen Think Tank. "Die Parteien standen bislang an unterschiedlichen Enden, was das Management betrifft." Während die FDP einen sehr viel liberaleren Ansatz hatte, verfolgte die SPD als Teil der Großen Koalition im Vergleich strengere Maßnahmen.

Puglierin sieht deswegen in der Corona-Krise einen "ersten Testfall" für die Ampel-Koalition: "Wie sehr stehen die Parteien zusammen? Wie sehr können die Kompromisse finden? Wie sehr werfen die sich gegenseitig unter den Bus?" Das werde im Ausland sehr genau wahrgenommen.

Deutschland als Führungsnation in der Klimapolitik

Geht es um die Details des Koalitionsvertrags, steht international vor allem die Klimapolitik im Fokus. Die New York Times fragt sich beispielsweise, ob wirklich alle drei Partner hinter den Zielen stehen oder nur die Grünen allein. Davon hänge das Gelingen ab. Zudem hat das Blatt Zweifel, ob die Klimaziele mit der Schuldenbremse umsetzbar seien.

Jana Puglierin vom European Council on Foreign Relations sieht in der Klimapolitik mehr als nur ein nationales Vorhaben, denn Deutschland sei bei dem Thema eine Führungsnation in der Europäischen Union. "Das ist eine Rolle, in der Deutschland und insbesondere auch die Außenministerin international europäische Klimapolitik maßgeblich mitbestimmen kann", so Puglierin. Gerade in den skandinavischen Ländern seien die Klima-Pläne der neuen Regierung sehr positiv aufgenommen worden.

Wie geht es weiter mit Nord Stream 2?

In der Außenpolitik steht darüber hinaus nach wie vor ein Konfliktthema im Raum: Nord Stream 2. Im Wahlkampf hatten sich Grüne und FDP gegen die Gaspipeline ausgesprochen. Mehrere europäische Partner äußerten den Wunsch, die neue Regierung möge das Projekt neu bewerten. Auch die USA machen in der Angelegenheit Druck. Im Koalitionsvertrag der Ampel findet sich dazu allerdings nichts.

Dass das jemanden der europäischen Partner überrascht hätte, bezweifelt Jana Puglierin. "Ich befürchte, dass der Bau der Pipeline schon zu weit fortgeschritten ist und dass da in jedem Fall innerhalb der Koalition Spannungen sind." Es werde sehr auf die weitere Entwicklung zwischen Russland und der Ukraine ankommen. "Wenn es da zu einer weiteren Eskalation kommt, wird der Druck auf Deutschland noch einmal steigen, diese Pipeline in Frage zu stellen, den Betrieb in Frage zu stellen. Und ich finde das auch nur richtig so."

China und Russland: Konflikte vorprogrammiert?

Viele Beobachter gehen davon aus, dass sich ansonsten an den Grundlinien der deutschen Außenpolitik wenig ändern wird. Allerdings dürfte es mit Annalena Baerbock im Außenamt einen stärkeren Fokus auf das Thema Menschenrechte geben. Das schlägt sich bereits im Koalitionsvertrag nieder. "Wenn man die Kapitel zu China des alten und des neuen Koalitionsvertrags nebeneinander legt, dann kann man schon von einer Verhärtung oder Verschärfung des Tons sprechen, einer Betonung von Demokratie, Menschenrechten und auch die offene Ansprache von Themen wie Taiwan und Hongkong", erklärt Puglerin.

Als Antwort auf die kritischen Töne im Koalitionsvertrag erklärte ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums, man hoffe, die neue deutsche Regierung werde weiterhin Chinas Kerninteressen respektieren. Die staatliche chinesische Zeitung "Global Times" richtete ihre Hoffnung auf Scholz, denn dieser habe sich bisher "nicht ernsthaft radikal gegen China" geäußert.

Von Staatspräsident Xi Jinping gab es versöhnliche Töne. Man strebe ein "neues Niveau" der deutsch-chinesischen Zusammenarbeit an. "China ist bereit, das gegenseitige politische Vertrauen zu festigen und zu vertiefen, und den Austausch und die Zusammenarbeit mit Deutschland in verschiedenen Bereichen auszubauen", erklärte Xi laut Angaben der staatlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua.

Chinapolitik: Weg zum Pragmatismus?

Die Personalie Baerbock könnte allerdings für Spannungen sorgen. "Sie wird härter als ihre Vorgänger gegenüber China auftreten", erklärt Mu Cui im Gespräch mit BR24. Cui ist Reporter und Redakteur bei der Deutschen Welle, dort unter anderem für die China-Redaktion tätig. Er geht aber davon aus, dass mit der Zeit pragmatischer agiert wird – ähnlich wie unter der ehemaligen Regierungschefin. "Merkel hatte sogar den Dalai Lama im Kanzleramt getroffen – ein paar Jahre später geht sie als 'alte Freundin des chinesischen Volkes'."

In den Sozialen Medien Chinas beobachtet Cui vor allem viele Zweifel, was die Handlungsfähigkeit der neuen Regierung angeht. "Viele sind der Meinung: Selbst unter der GroKo ist wenig passiert – wie soll das dann mit drei Parteien funktionieren?", erklärt Cui.

Kritik an Russland – aber auch Ideen für Zusammenarbeit

Russland hielt sich bisher mit Äußerungen zur neuen deutschen Regierung bedeckt, aber der Vizechef des Föderationsrats, Konstantin Kossatschow, erklärte laut "Handelsblatt": "Natürlich wird das Auftauchen einer Grünen am Steuer des Außenministeriums kaum zu einem positiven Faktor, speziell in Richtung Russland."

Tatsächlich wird Moskau im Koalitionsvertrag deutlich kritisiert - wegen der "umfassenden Einschränkung bürgerlicher und demokratischer Freiheiten", der Unterstützung des belarussischen Machthabers Alexander Lukaschenko und der Annexion der Krim. Allerdings ist auch die Rede von einer neuen Zusammenarbeit bei Themen wie Wasserstoff, Gesundheit und Klima.

In der Europa-Politik eher unkonkret

Beim Thema europäische Zusammenarbeit sei die Ampel-Vereinbarung dagegen nicht so deutlich, findet Jana Puglierin vom European Council on Foreign Relations. "Im Koalitionsvertrag hat man kritische Themen sehr vage gelassen, zum Beispiel die Frage einer Weiterentwicklung oder einer Auflockerung, des Stabilitäts- und Wachstumspakts und auch die Frage, ob der europäische Wiederaufbaufonds zum Beispiel als Modell auch für andere Bereiche dienen oder weiter ausgedehnt werden kann."

Frankreichs EU-Minister Clement Beaune äußerte sich dennoch optimistisch. Mit der Ampel-Regierung seien eine neue deutsch-französische Roadmap und stärkere Ambitionen für die EU möglich.

Grafik: Tweet von Clement Beaune

Konfliktthemen mit Frankreich

Aber auch hier könnten Spannungen entstehen: Die unterschiedliche Einstellung zur Atomenergie von Frankreich und Deutschland sind nur eines von mehreren möglichen Konfliktthemen. In Sachen gemeinsamer Sicherheits- und Verteidigungspolitik gibt es ebenfalls unterschiedliche Ansichten.

Und trotz der vielen europafreundlichen Töne im Koalitionsvertrag - Jana Puglierin sieht mit Blick auf die EU-Finanzpolitik in einer Ressort-Besetzung mögliche Auseinandersetzungen: "Natürlich ist die Perspektive der FDP im Finanzministerium keine unbedingt positiver aus französischer Sicht."

Eine Ankündigung ist dagegen mit sehr viel Wohlwollen aufgenommen worden: Die erste Auslandsreise als Kanzler wird Scholz nach Paris unternehmen.

Dieses Thema ist Teil des 'Dossier Politik' zur neuen Bundesregierung - hier geht es zum Podcast.

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