Zwei geflüchtete Familien aus der Ukraine in einer Privatunterkunft in Freising
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Zwei geflüchtete Familien aus der Ukraine in einer Privatunterkunft in Freising

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Zur Ruhe kommen in Freising: Flüchtlinge im privaten Gästezimmer

Rund 10.000 Geflüchtete aus der Ukraine haben sich bisher in Bayern registriert, viele Menschen bieten private Unterkünfte an. Zwei Familien aus dem Kriegsgebiet sind so nach dramatischen Tagen in Freising untergekommen.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

In einem Reihenhaus in Freising versuchen jetzt zwei Familien, die ihre Heimat Ukraine verlassen mussten, etwas zur Ruhe zu kommen. Die 35-jährige Anna hatte bei ihrer Ankunft nur einen einzigen kleinen Koffer dabei. Dokumente, Lebensmittel, ein paar Kleidungsstücke für den Sohn - mehr konnte sie nicht mitnehmen. Und die Zukunft ist ungewiss: "Das Leben wird nie wieder dasselbe sein", ist sie überzeugt.

In der Ukraine alles verloren

Wenn Anna die Tage seit dem 22. Februar Revue passieren lässt, ringt sie immer wieder um Worte und um Fassung: Ihr bisheriges Leben, das Haus, der Arbeitsplatz in der IT-Branche - alles habe sie durch den Krieg verloren. Es scheint für sie selbst immer noch unwirklich zu sein. Die Ukraine sei doch ein europäisches Land, sagt sie mit tränenerstickter Stimme.

Nach Tagen voller Angst schließlich die Flucht

Es ist nicht der erste Schicksalsschlag. Schon einmal musste die Familie vor Jahren fliehen, damals aus dem Donbass. Vergangenes Jahr starb Annas Mann an Corona. Jetzt das Bombardement, Tage voller Angst im kalten Keller. Mit ihrer 61-jährigen Mutter Ludmilla, dem zehnjährigen Sohn Siwa und dem Familienhund Pluschka schlug sie sich schließlich in die Slowakei durch. Sie fuhren mit dem Zug. Die Szenen auf dem völlig überfüllten Bahnsteig hätten sie an Filme über den Zweiten Weltkrieg erinnert, sagt Anna.

Hilfe von russisch-deutscher Familie

Für die Weiterfahrt nach Deutschland hat sich die Familie dann entschieden, weil es weit weg von der ukrainischen Grenze ist und in den näher gelegenen Ländern schon so viele Flüchtlinge waren. Außerdem hätten sie gewusst, dass Deutschland der Ukraine hilft, so Anna. Über einen Telegram-Chat fand die 35-Jährige das Angebot einer fünfköpfigen Familie in Freising. Die Mutter Jenny ist gebürtige Russin.

Ausruhen im Gästezimmer

Eine schwere Last sei das, sagt sie mit Tränen in den Augen, und "ich habe ein schlechtes Gewissen". Ihr Mann und sie hätten so viel gespendet, wie sie konnten. Jetzt wollen sie Geflüchteten aus der Ukraine auch bei sich daheim helfen, damit sie ein paar Wochen ausruhen können. In einem zweiten Gästezimmer nahmen sie sogar noch eine weitere Familie auf: Natascha mit ihren 15-jährigen Zwillingstöchtern. Eines der beiden Mädchen ist behindert und braucht eine Gehhilfe.

Hoffnung auf Rückkehr

Auch Natascha erzählt von den dramatischen Erlebnissen während der russischen Angriffe: "Wir mussten im Keller einer Sporthalle auf dem nackten Boden schlafen, fünf Nächte lang." Die Kinder seien auch tagsüber dort geblieben, sie selbst habe in ihrer Wohnung Essen geholt. Obwohl sie ihren Mann, die ältere Tochter und Freunde zurücklassen musste, ist es für Natascha eine große Erleichterung, nun in Freising zu sein. Mit ihren Händen formt sie ein Herz - für Deutschland und für die Gastgeberfamilie. Auch Anna ist dankbar, dass sie die Freisinger Familie gefunden hat. Worauf sie hofft? Auf eine Heimkehr und das Ende des Kriegs natürlich, aber die 35-Jährige sagt auch: "So lange Putin lebt, wird der Krieg weitergehen."

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