Abensberg: Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende der AfD, spricht beim Politischen Frühschoppen Gillamoos auf der Bühne.  (Archivbild)
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Pia Bayer

Die AfD und Bayern

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Von Bierkrügen und "Wahnsinnigen": AfD-Chefin Weidel in Bayern

Lassen sich die steigenden Umfragewerte in gute Wahlergebnisse ummünzen? Die Landtagswahlen in Bayern und Hessen werden für die AfD zu einer Art Nagelprobe. Was deutlich wird: Im bayerischen Wahlkampf profitiert die Partei vom Unmut über die Ampel.

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Alice Weidel ist eines der bekanntesten Gesichter der AfD. Wie gut die Bundespolitikerin im bayerischen Wahlkampf Publikum zieht, lässt sich exemplarisch beim politischen Frühschoppen am Gillamoos Anfang September beobachten. Es ist Weidels erster Auftritt im Wahlkampf. Rund tausend Zuschauerinnen und Zuschauer sind vor Ort. Der Schlossgarten, in dem die Veranstaltung der Partei stattfindet, ist voll. Im Gespräch sagen viele, sie seien vor allem hier, um Weidels Rede zu hören.

Kritisiert von Historikern, beklatscht von Anhängern

Weidel ist eine Politikerin, die polarisiert. Zum Beispiel dieser Tage mit ihren Aussagen im ARD-Sommerinterview. Dass sie darin die Befreiung Nazi-Deutschlands durch die Alliierten als "Niederlage des eigenen Landes" bezeichnete, wurde unter anderem von Historikern kritisiert. Jens-Christian Wagner, Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, warf Weidel im Interview mit der "Welt" Geschichtsrevisionismus und Schuldumkehr vor.

Beim AfD-Frühschoppen am Gillamoos in der Woche zuvor wird die Spitzenpolitikerin hingegen mit "Alice-Alice-Alice"-Sprechchören begrüßt. Weidel trägt dort kein Dirndl, sondern wie so oft einen schwarzen Rock und Blazer. Den Bierkrug, den sie in die Hand gedrückt bekommt, kommentiert sie als "wundervollen Humpen" und ergänzt, "wenn ich sowas im Büro hätte." Die Menge lacht. Weidel kommt bei ihrem Publikum an.

AfD profitiert von Unmut auf Ampel

Weidels Rede ist geprägt von einem Dagegen-Duktus – gegen Flüchtlinge, gegen das Heizungsgesetz, gegen Ausgaben für Entwicklungshilfe. Bei der AfD dominieren bundespolitische Themen den Landtagswahlkampf. Sie scheint damit den Nerv ihrer Wähler zu treffen. Im aktuellen BR24 BayernTrend nennen 64 Prozent der AfD-Anhänger die Bundespolitik als "eher wahlentscheidend" für sie. Im Vergleich sagen 59 Prozent aller Befragten, dass für sie die Landespolitik die größere Rolle spiele.

Harte Angriffe in Richtung Ampelkoalition

Der Applaus ist besonders groß, wenn Weidel gegen die Ampel wettert – teilweise brachial, Beleidigungen inklusive. Weidel sagt etwa, dass Deutschland von "Wahnsinnigen" und von "Idioten" regiert werde. Bierzelt-Reden – das könne die Parteichefin, finden die Zuschauer. Weidel habe einfach eine Ausstrahlung und "mit allem Recht, was sie sagt", findet eine Besucherin. Ein anderer sagt, Weidel sei "die einzige mit Hirn".

Weidel bekommt mehr Applaus als die bayerischen AfD-Redner. Die sind ohnehin nur mäßig bekannt, wie der BR24 BayernTrend zeigt. Die bayerischen Spitzenkandidaten Katrin Ebner-Steiner und Martin Böhm haben Bekanntheitswerte von 33 und 25 Prozent.

Politik-Experte Wurster: Prominente Köpfe bei AfD nicht wahlentscheidend

Trotz dieser Werte hält der Politikwissenschaftler Stefan Wurster Auftritte bekannter AfD-Bundespolitiker wie Alice Weidel nicht für ausschlaggebend. Sie spielten im Wahlkampf nicht die zentrale Rolle, sagt Wurster, der an der TU München den Lehrstuhl "Policy Analysis" innehat. Zum einen gewinne die AfD durch ihre starke Positionierung am äußersten rechten Rand Wähler. Zum anderen sei die AfD "als Protestpartei eben nicht so stark darauf angewiesen, dass sie mit profilierten Köpfen im Wahlkampf auftritt".

Auch scheint der AfD nicht zu schaden, wenn Funktionäre mit rechtsextremen Aussagen auffallen. Bei der Aufstellung der Kandidaten für die Europawahl haben Kandidaten auf offener Bühne Verschwörungstheorien wiedergegeben, sprachen von "Regenbogenterror" und einem angeblich "unfreien Deutschland". Der rechtsextreme AfD-Landeschef in Thüringen, Björn Höcke, muss sich vor Gericht für die Verwendung von NS-Vokabular verantworten – es ist nicht die erste Anklage gegen Höcke.

Ein Teil der Wähler stehe aus Überzeugung hinter der AfD, sagt Wurster. Auch Protestwähler schreckten extreme Parolen eher nicht ab, "mitunter kann diese Protestwirkung noch stärker werden, wenn man sagt, wir sind so unzufrieden, dass wir aus Protest eine Partei wählen, die wir sonst aus vielen Gründen ablehnen würden".

AfD legt laut Umfrage auch in Bayern zu

Für die AfD sind die Landtagswahlen in Bayern und in Hessen am 8. Oktober eine Nagelprobe. Dann wird sich zeigen, ob sie die guten Umfragewerte auch in Wahlergebnisse ummünzen kann. Die bundesweiten Zustimmungswerte in Umfragen von bis zu 22 Prozent kann die AfD in Bayern derzeit nicht erreichen. Wenngleich sie im aktuellen BR24 BayernTrend einen Prozentpunkt zulegt, auf nun 13 Prozent. In Hessen liegt die AfD laut HR-Umfrage bei 17 Prozent.

Die bayerische AfD-Spitzenkandidatin Katrin Ebner-Steiner dämpft die Erwartungen an das Wahlergebnis. In Bayern gebe es eben auch die Freien Wähler. "Für uns ist es das Ziel, dass wir stärkste Oppositionskraft werden", sagt sie. "Und im Moment schaut es da auch gar nicht so schlecht aus."

Gleich nach ihrer Rede am Gillamoos reist Parteichefin Weidel wieder ab. Keine Gespräche mit den Zuschauern, keine Interviews. Sie müsse zurück nach Berlin zu Sitzungen, heißt es. Den Veranstaltern bleibt nicht einmal Zeit, ihr ein Geschenk zu überreichen. Sie hatten einen geflochtenen Kranz vorbereitet, aus Hopfen. Der wird Weidel jetzt hinterhergeschickt.

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