Der Augsburger Bischof Bertram Meier 2022
Bildrechte: picture alliance/dpa | Nicolas Armer

Der Augsburger Bischof Bertram Meier 2022

Per Mail sharen
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Vehemente Kritik an Bischof Meiers Aussagen zur AfD

Kurz vor der Landtagswahl hat sich Augsburgs Bischof Meier für einen differenzierteren Umgang mit AfD-Mitgliedern ausgesprochen und erntet laute Kritik. Kirchenexperten ziehen Parallelen zu den Bischöfen in der NS-Zeit und werfen ihm Naivität vor.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Es gebe keine guten christlichen und keine schlechten AfD-Mitglieder, sagt der Kirchenrechtler Thomas Schüller von der Universität Münster der Deutschen Presseagentur (dpa). "Wer der AfD angehört, verachtet die Demokratie, spricht Menschen mit Behinderung oder anderer Hautfarbe das Existenzrecht ab, kurz: verhöhnt die Grundaussagen des christlichen Glaubens."

Zweieinhalb Wochen vor der Landtagswahl in Bayern hatte sich der Augsburger Bischof für einen differenzierten Umgang mit Mitgliedern der rechtspopulistischen AfD in der Kirche ausgesprochen. "Eine Parteimitgliedschaft allein ist kein Kriterium, Menschen auszuschließen", sagte Meier der "Augsburger Allgemeinen". In solchen Fällen gehe es darum, das Gespräch zu suchen. "Wenn wir anfangen würden, Menschen auszugrenzen, drängen wir sie doch erst recht in eine vielleicht extreme Ecke."

Weitere Interviewanfragen oder Stellungnahmen lehnte Meier auf BR-Anfrage ab. Der Bischof möchte sich nicht weiter dazu äußern, heißt es von der Pressestelle.

Schüller: Bischof als Steigbügelhalter für Rechtsradikale

Der Theologe Schüller widerspricht: Mit seiner Haltung zur AfD stelle sich der Augsburger Bischof Bertram Meier damit in die Tradition der deutschen Bischöfe in der NS-Zeit, die das menschenverachtende System nicht aktiv bekämpft haben: "Er wird zum Steigbügelhalter für eine breiter werdende gesellschaftliche Akzeptanz von Rechtsradikalen."

Bogner: Meiers Haltung ist naiv

An jene dunkle Zeit erinnert fühlte sich auch der Theologe Daniel Bogner von der Universität Fribourg in der Schweiz. "Mich erinnert diese bischöfliche Haltung an die Positionierung der katholischen Kirche gegenüber der NS-Regierung Hitlers im Jahr 1933", sagte er der dpa. "Man hat damals auch hervorgehoben, dass die Reichsregierung einzelne Positionen vertrat, die der Kirche wichtig waren, zum Beispiel das Recht auf Selbstorganisation der Kirche oder die Schulfreiheit."

Meiers Sicht nannte Bogner "deutlich zu naiv". "Man kann nicht die Augen davor verschließen, dass die AfD mittlerweile mit einer Massivität Positionen vertritt und dafür auch Anhängerschaft gewinnt, die die Axt an die Wurzel der Demokratie anlegen. Dann zu sagen, die Partei tritt ja auch für den Schutz des ungeborenen Lebens ein, ist wirklich eine ganz gefährliche Verengung des Blickfeldes."

Bischof Meier: Wähler müssen eigenständig entscheiden

Die AfD habe sich in der Parteienlandschaft etabliert, so Meier in dem Zeitungsinterview. Die Wähler müssten ihre Entscheidung verantwortungsvoll eigenständig treffen. "Das heißt: Wir müssen gut hinschauen und prüfen. Die AfD lediglich als Partei der Protestwähler zu interpretieren, greift mittlerweile deutlich zu kurz."

Die Zeiten, in denen es Wahl-Hirtenbriefe mit Empfehlungen gegeben hätte, seien vorbei - und das sei gut so. Die katholische Kirche werde aber immer dafür sorgen, dass menschenverachtende oder demokratiefeindliche Gruppierungen und Einzelpersonen benannt würden. Angesichts eines Umfragehochs der AfD appellierte der Augsburger Bischof "an jede und jeden", das Parteiprogramm zu studieren und sich mit einzelnen Kandidaten zu befassen. Wie die Kirche trete die AfD etwa für den Schutz ungeborenen Lebens oder die Ehe von Mann und Frau ein - "und doch können wir als Kirche nicht unsere Sichtweise auf solche Überschneidungen verengen".

Überschneidungen zwischen Kirchenpositionen und AfD

Gerade diese Überschneidungen beim Thema Lebensschutz führen immer wieder zu Kritik - wie zuletzt beim "Marsch für das Leben" in Berlin am vergangenen Wochenende. Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer wurde dort auf einem Foto abgelichtet neben einem Mann, der den rechtsextremistischen White-Power-Gruß zeigte.

Genau hinschauen, das empfiehlt deshalb die Publizistin und Juristin Liane Bednarz. Im BR24-Gespräch weist sie darauf hin, dass zwar die AfD ebenso wie die Kirchen für Lebensschutz eintrete. Aber einzelne AfD-Politiker wie etwa Maximilian Krah, der sich betont katholisch gebe, würden immer durch "radikal rechte Sprüche" auffallen. So kritisiere die AfD Abtreibung. Aber in ihrem Grundsatzprogramm von 2016 gebe es eine Passage überschrieben mit "Mehr Kinder statt Masseneinwanderung". "Und darin fordert sie eine aktivierende Familienpolitik zugunsten der einheimischen Bevölkerung." Das sei alles andere als christlich, so Bednarz. "Sie missbraucht oder instrumentalisiert den Lebensschutz zum Deutschenschutz."

Kirchenvertreter fordern eindeutige Abgrenzung

Andere kirchliche Stimmen und Organisationen sprechen sich für eine eindeutige Linie oder Brandmauer im Umgang mit der AfD aus. So veröffentlichte das Kompetenzzentrum Demokratie und Menschenwürde am selben Tag, an dem Meiers Zeitungsinterview erschien, mit Blick auf die bayerische Landtagswahl einen Aufruf "zu einer klaren Haltung gegenüber der Partei in Kirche und Gesellschaft". "Wir sind davon überzeugt: Es gibt keine Brücke vom Christentum zur AfD!", heißt es. Der Appell sei unabhängig von Meiers Äußerung formuliert worden, erklärt Claudia Pfrang vom Kompetenzzentrum auf Nachfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Man stehe aber trotz der Bischofsworte dazu.

In der Mitteilung des Kompetenzzentrums heißt es weiter: "Die im Kern menschenfeindliche Ideologie der AfD steht im fundamentalen Widerspruch zur christlichen Ethik, die sich an der Idee einer universellen Menschenwürde und dem Gebot der Nächstenliebe orientiert."

ZdK-Präsidentin: Kein Kirchenamt für AfD-Mitglieder

Zuvor hatte die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, kürzlich gefordert, AfD-Mitglieder dürften keine Laien-Ämter in der Kirche bekommen. Im August sagte sie in der Wochenzeitung "Die Zeit": "Wer in der AfD ist, darf in der Kirche keine Macht bekommen." Dem Portal "Kirche und Leben" sagte sie, die AfD sei im Verlauf der Jahre immer weiter nach rechts gerückt. Ein aktives Eintreten für die Partei widerspreche den Grundwerten des Christentums.

Andere katholische Bischöfe hatten sich in der Vergangenheit sehr viel deutlicher geäußert und die Parteiideologie der AfD scharf kritisiert - so beispielsweise der umstrittene Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki zur Europawahl 2019: "Selbstverliebte, nationalradikale Sprücheklopfer, die nationale Alleingänge planen und zwar viel vom Volk reden, ihm aber letztlich nicht dienen wollen, die sind für mich keine Alternative - nicht für Deutschland und nicht für Europa", sagte er damals.

Mit Information von dpa und KNA.

Zum BR24 Kandidaten-Check

BR24 Kandidaten-Check: Wofür stehen die Direktkandidatinnen und -kandidaten der Landtagswahl in Bayern? Ihnen allen haben wir dieselben Fragen zu den relevantesten Themen des Wahlkampfs gestellt, mehr als 800 haben teilgenommen. Geben Sie im Tool Ihren Wohnort, Stimmkreis oder Ihre Postleitzahl ein und finden Sie heraus, wie die Bewerber geantwortet haben:

Newsletter abonnieren

Sie interessieren sich für Religion, Glaube, Kirche oder ethische Fragen? Dann abonnieren Sie den Newsletter der Fachredaktion Religion und Orientierung.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!